Hamburg. Ulrike Schmidt, Chefin der Opernstiftung, wurde von Naganos und Kühnes Vorhaben überrascht – zeigt sich aber diplomatisch.
Nach drei Jahrzehnten als Ballettbetriebsdirektorin hat Ulrike Schmidt Funktion und Büro gewechselt, aber grundsätzlich nicht die Seiten. Jetzt ist sie als Geschäftsführerin der Opernstiftung für die Finanzierung der sprichwörtlichen Sahnehäubchen im Programm zuständig, für Nachwuchsförderung und vor allem Gönner-Gemüts-Pflege.
Und wurde, wie so viele, vom gemeinsamen Wunsch des Kultur-Mäzens Klaus-Michael Kühne und des Generalmusikdirektors Kent Nagano nach einem Opern-Neubau ziemlich kalt erwischt. Wie diplomatisch Schmidt zu sein hat, zeigt sich auch daran, dass sie die erste Interview-Frage wortwörtlich genauso beantwortete wie diese hier: „Gäbe es die Oper à la Kopenhagen für die Stadt von Kühne geschenkt und ohne dass dafür ein ,modernes Immobilienprojekt’ zugunsten des Investors René Benko an der Dammtorstraße realisiert würde – wäre die Opernstiftung dafür oder dagegen?“
Kühnes Neubau-Pläne: "Staatsoper Hamburg nach wie vor hoch attraktiv"
Herr Kühne will plötzlich die denkmalgeschützte Staatsoper abreißen und in der HafenCity neu bauen, angeblich für 300 bis 400 Millionen Euro. Wie findet die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper diese Idee?
Ulrike Schmidt: Zunächst ist die Schenkung einer neuen Oper für eine Stadt als sehr positives Zeichen zu sehen. Wir schließen uns der Meinung des Bürgermeisters Peter Tschentscher und des Kultursenators Carsten Brosda an: Eine Schenkung durch Herrn Kühne beziehungsweise seine Stiftung nach dem Vorbild der Kopenhagener Oper wäre ein bemerkenswertes mäzenatisches Engagement. In dem Fall würde die Stadt die Bereitstellung und Erschließung eines geeigneten Grundstücks sowie die Verlagerung des Opernbetriebs an den neuen Standort prüfen. Beide haben aber auch gesagt, dass ein Mietkaufmodell im Rahmen einer Kooperation mit einem Investor für den Senat nicht in Frage komme. Klar ist, dass die Staatsoper für Musik und Ballett nach wie vor hoch attraktiv ist und für eine lange, erfolgreiche Hamburger Operngeschichte steht.
Kühne beklagte bei der Staatsoper Mittelmaß, das künstlerische Niveau sei nur Durchschnitt, es fehle an Strahlkraft, die Akustik sei mangelhaft und asbestverseucht sei das Gebäude auch noch. Wie sieht die Opernstiftung das und wie ist die Reaktion der Mitglieder auf diese drastischen Vorwürfe?
Schmidt: Ich kann natürlich nicht für alle Mitglieder sprechen, aber für das Kuratorium, welches das künstlerische Werk in der Vergangenheit positiv bewertet hat. Wir, die Opernstiftung, haben uns ja gerade auf die Agenda geschrieben, die Exzellenz zu fördern. Und da wir in den letzten Jahren in die Sängerbesetzungen und die Unterstützung der Italienischen Opernwochen viel Geld gesteckt haben, konnten wir in der Oper sehr viel Strahlkraft erleben. Die Reaktionen bei unseren Förderern sind bei vielen Premieren – beispielsweise bei „Tannhäuser“ gerade bei der Sängerbesetzung unter der Leitung von Generalmusikdirektor Kent Nagano – äußerst positiv. Aber auch nach Repertoirevorstellungen höre ich begeisterten Zuspruch von unseren Förderern.
Kühne hat außerdem erklärt, der Opern-Neubau sei eine Idee von Nagano gewesen, die er nun lediglich umsetzen wolle. War auch der Opernstiftung diese Idee bekannt? Und was halten Sie von Naganos Vision für seinen Arbeitsplatz?
Schmidt: Der Opernstiftung beziehungsweise dem Kuratorium war diese Idee von Kent Nagano nach meinem Wissensstand nicht bekannt. Wir alle wurden durch die Meldung überrascht. Generell sind Visionen sehr wichtig, denn ohne solche hätten wir jetzt keine Elbphilharmonie, denn diese Vision, entwickelt von Alexander Gérard und Jana Marko, hat sich als geniale Idee und großartige Chance für Hamburg herausgestellt.
Darf man eine denkmalgeschützte Oper, und erst recht die Hamburger Oper mit ihrer speziellen Tradition, mal ebenso zur Disposition stellen, wie Kühne es tat?
Schmidt: Unsere Meinung ist: nein. Da bedarf es feinfühliger Überlegungen und Respekt, denn die Oper liegt seit ihrer Gründung im Jahr 1678 am Gänsemarkt, zentral in der Stadt. Die Hamburgische Staatsoper blickt auf eine 300-jährige Geschichte zurück. Ob „Hänsel und Gretel“ und „Nussknacker“ in der Kindheit oder „Figaro“ als Erwachsener – viele Hamburgerinnen und Hamburger verbinden mit dem zentralen Gebäude am Stephansplatz ein Stück ihrer eigenen Geschichte. Unabhängig von einer neuen Stätte soll die Staatsoper als eines der weltweit führenden Opernhäuser erhalten bleiben. Mitreißende Musik und spannende Inszenierungen gehören ins Herz der Innenstadt. Dabei denken wir auch an das großartige Hamburg Ballett mit Ehrenbürger John Neumeier und dem wunderbaren Ensemble. Und ein denkmalgeschütztes Gebäude hat Bestand.
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Wie wird sich der Freundeskreis in die Kühne-Debatte einbringen?
Schmidt: Berthold Brinkmann, Vorsitzender des Kuratoriums, wird Herrn Kühne unsere Gedanken und Ideen in einem persönlichen Gespräch gern erläutern.