Hamburg. Angelehnt an internationale Vorbilder will der Kultur- und Fußball-Mäzen Klaus-Michael Kühne ein Opernhaus an der Elbe realisieren.
Ein schickes Hingucker-Opernhaus in Wassernähe, fotogen und futuristisch zugleich? Da war doch schon mal was, mehrfach sogar. Drei global bekannte Beispiele stehen in Sydney, in Oslo und Kopenhagen, alle dekorativ nah ans Wasser gebaut. „Eyecatcher“ allesamt, „signature pieces“, genialisch dahingezaubert von „starchitects“, flötet die jeweilige Vermarktungs-Maschinerie, Touristen aus aller Welt kommen in Scharen.
Nach Hamburg lockt bislang nur ein einziges vergleichbar ikonisches Gebäude; obwohl die städtische Politik in der Anfangsphase immer wieder so verkehrt wie hartnäckig vor sich hin träumte, dieses Konzerthaus solle die Wiedergeburt des Opernhaus-Segel-Ensembles von Sydney werden, kam alles ganz anders. Und das riesige Happy End am Kaiserkai ist ja durchaus bekannt.
Kühne will Oper in Hamburg bauen
Geschichte wiederholt sich nicht? Womöglich doch. Denn am Wochenende meldete sich der Logistik-Multimilliardär, Kultur-Großmäzen, HSV-Großinvestor und Hotelbesitzer Klaus-Michael Kühne überraschend in einem „Spiegel“-Porträt zu Wort: Hamburg, seine Perle, braucht eine neue Oper, ganz dringend, und er würde das bauen lassen und finanzieren wollen.
Gemeinsam mit dem österreichischen Elbtower-Investor René Benko, für rund 300 bis 400 Millionen Euro in der HafenCity, in der Nähe eben dieses Elbtowers. Die Staatsoper in der Innenstadt würde abgerissen, sie solle durch ein „modernes Immobilienprojekt“ ersetzt werden, hieß es. „Dann könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, hatte Kühne diesen Plan kommentiert.
Kühne: Generöser Kulturliebhaber
Nie mehr Zweite Liga, aber jetzt eben mit Arien, so liest sich dieses erstaunliche, sensationelle, großherzige Angebot des kunstsinnigen HSV-Fans auf den ersten Blick. Doch ganz so einfach und geschmeidig zu machen und zu haben wäre das alles natürlich nicht.
Kühne ist dafür bekannt, chronisch großzügig zu sein, wenn es um repräsentative Kultur-Angebote geht, er unterstützt seit Jahren in dieser Stadt vieles: die Staatsoper, beispielsweise, die Elbphilharmonie (die nicht öffentliche Lounge im Wellendach trägt seinen Namen), das gerade laufende Internationale Musikfest dort, das HarbourFront Literaturfestival. Auswärts sind Top-Adressen wie die Salzburger Festspiele, das Lucerne Festival und die Oper in Zürich seine Dauerauftrags-Empfänger.
Kühne: Hamburger Staatsoper „asbestverseucht“
Mit Kritik am Bestandsbau an der Dammtorstraße – am Außen wie am Innen – hielt Kühne im „Spiegel“ so gar nicht hinter dem Berg: „asbestverseucht“, mangelhafte Akustik, das künstlerische Niveau nur Durchschnitt, Strahlkraft fehle. Hamburg habe eindeutig Besseres verdient als das, was seit Jahrzehnten dort steht und derzeit passiert: „Dazu möchte ich gerne einen Beitrag leisten.“
Zur Debatte über das Künstlerische möchte sich Staatsopern-Intendant Georges Delnon, seit 2015 und bis 2025 dort im Amt, nicht äußern. Er bleibt grundsätzlich: „In Hamburg ein neues spektakuläres Opernhaus am Wasser zu bauen, wäre für Kultur, Musik und insbesondere die Oper – gerade nach Corona – ein starkes Signal. Jetzt in einen spektakulären Neubau zu investieren, würde den gesellschaftlichen Wert der Kunstform Oper spiegeln und weltweit als ein wichtiges Statement für die Hochkultur wahrgenommen werden. Hamburg würde dadurch mit Sicherheit noch mal an Attraktivität gewinnen.“ Generalmusikdirektor Kent Nagano, amtszeitsynchron mit Delnon, war am Wochenende für ein Statement nicht zu erreichen.
Senat hält sich bei Oper-Plänen bedeckt
Zum Thema Asbest in dem denkmalgeschützten Bau aus den 1950er-Jahren heißt es aus Staatsoper und Kulturbehörde unisono, „dass dies ein seit langem bekannter bauzeittypischer Mangel ist und die Sanierung Schritt für Schritt bereits in Angriff genommen ist.“ Da die Schadstoffe in festen Baumaterialien gebunden und keinerlei Schwebstoffe in der Luft vorhanden sind, bestehe keine gesundheitliche Gefährdung, weder für Beschäftigte, noch für Besucherinnen und Besucher.
Der Kultursenator stehe Kühnes Projekt offen gegenüber, orakelte der „Spiegel“, ein konkretes Statement von Carsten Brosda zu Kühnes Ausfallschritt ins Rampenlicht ist am Sonntag aber nicht erhältlich, ausschließlich die Sprachregelung, mit der Senatssprecher Marcel Schweitzer dient. Für ein Mietkaufmodell, wie es Benko und Kühne vorschwebe, sei man nicht zu haben, teilt Schweitzer mit. Anders sähe es aber mit einer quasi geschenkten Oper aus, ähnlich, wie es in Kopenhagen passiert sei. Käme es in Hamburg zu einem vergleichbaren Konzept, würde die Stadt „Bereitstellung und Erschließung eines geeigneten Grundstücks sowie die Verlagerung des Opernbetriebs an den neuen Standort prüfen“.
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Sieht man sich in der Opern-Nation Deutschland um, gibt es einige Langzeit-Opernhaus-Baustellen, doch bei keiner von ihnen läuft es richtig rund, vorsichtig ausgedrückt. Bei der Sanierung von Oper und Schauspiel in Köln vermeldet man immer wieder zerknirscht Verspätungen und Verteuerungen: Verdreifachung der ersten Kostenschätzungen (253 Millionen Euro), neun Jahre Verzögerung. Bis jetzt. Die Sanierung der Oper in Stuttgart könnte bis 2037 dauern und eine halbe Milliarde Euro mehr kosten als anfangs geplant.
Wie teuer wäre Kühnes Oper in Hamburg?
Düsseldorf hat gerade die Entscheidung über den Standort des Opern-Neubaus um ein Jahr bis 2023 vertagt. Eine Schätzung beläuft sich dort auf mindestens 716 Millionen Euro, ohne Kosten für den Baugrund noch für den möglichen Erwerb des alternativen Grundstücks, vermeldete der WDR. Positives Gegenbeispiel – aber eben auch „nur“ ein Interims-Konzerthaus und kein dauerhaftes, ausgewachsenes Opernhaus – ist die Isarphilharmonie in München, die mit lediglich 43 Millionen Euro im Plan blieb und zudem pünktlich fertig wurde. Während das lang herbeigesehnte Konzerthaus im Münchner Werksviertel kürzlich von Bayerns Ministerpräsident Söder so gut wie beerdigt wurde.
Die zwei jetzt genannten Hamburger Zahlen 300 beziehungsweise 400 Millionen Euro als Opern-Preis sollte man also wohl lieber genauso flott vergessen, wie sie jetzt in den öffentlichen Raum gebracht wurden. Welche Wunden in die Glaubwürdigkeit der Begriff „Festpreis“ in eine Debatte reißen kann, hat der Hamburger Senat bei der Elbphilharmonie schmerzhaft erleben dürfen. Und die Folgekosten für den Opern-Betrieb nach dem Bau sind da noch gar nicht eingepreist.