Hamburg. Kunsthallen-Leiter Alexander Klar möchte kein „Abnudeln bekannter, großer Namen“ und verwahrt sich gegen „grobschlächtige Polemik“.
Hamburg hat ausweislich der jüngsten Berichterstattung des Hamburger Abendblattes ein eminentes Problem: Seine beiden großen Museen verweigern sich dem „Blockbuster“. Folgt man etwa dem Kommentar „Hamburger Museen auf dem Weg zur Bielefeldisierung“, machen es sich die Kunsthalle und das Museum für Kunst und Gewerbe gerade hinter einer grünen Wand institutionsfremden Klimabewusstseins in ihren eigenen Sammlungen bequem und vermeiden dabei antriebs- und ambitionslos die Organisation großer Sonderausstellungen, im Volksmund „Blockbuster“ genannt.
Etwas erstaunt sieht man kurz in die eigenen Annalen und stellt fest: Seit Amtsantritt im Sommer 2019 hat man eröffnet: „Impressionismus – Meisterwerke aus der Sammlung Ordrupgaard“ (90.000 Besucher), „Goya, Fragonard, Tiepolo“ (bis Lockdown 60.000 Besucher), „Beckmann, weiblich/männlich“, „De Chirico – Magische Wirklichkeit“, „Toyen“ und „Klasse Gesellschaft“. Pandemiebedingt mussten die Ausstellungen zum Teil über lange Phasen hinweg auf reale Besuche verzichten, dafür war digital einiges los bei uns, und jene Ausstellungen, die zwischendurch mal öffnen durften, waren binnen weniger Stunden ausverkauft.
Kunsthalle auf einem Level mit Nationalgalerie, Pinakothek und Städel
Was die Leihgaben anbetrifft, kamen etwa bei De Chirico Werke zusammen, die in den vergangenen Jahrzehnten nur selten und wenn, dann nur in den bedeutendsten Museen der Welt, gezeigt wurden. Was auch immer in Hamburg vermisst wurde – herausragende Ausstellungen mit hochrangigen Leihgaben können es nicht gewesen sein.
Nicht umsonst gehört die Hamburger Kunsthalle zu Deutschlands meistfrequentierten Ausstellungsorten, sie steht mit der Neuen und der Alten Nationalgalerie in Berlin, der Bundeskunsthalle in Bonn, dem Städel Museum in Frankfurt, der Neuen und der Alten Pinakothek in München seit Jahren in den Top Seven der bestbesuchten Kunstmuseen Deutschlands.
Kunsthalle seit Ende des Lockdowns "hervorragend besucht"
Die Hamburger Kunsthalle wird seit Ende des Lockdown hervorragend besucht, über 34.000 Besucher waren es im August, über 40.000 im Oktober. Die vielen Menschen kommen sowohl, um unsere großen Sonderausstellungen zu sehen, als auch unserer Sammlungspräsentationen wegen. Die aufgemachte Gleichung: „Kein Blockbuster = Mittelmaß“ ist ebenso schmissige wie grobschlächtige Polemik. Die Caspar David Friedrich-Sammlung, insbesondere der „Wanderer“, stehen weltweit für die deutsche Romantik an sich, „Klasse Gesellschaft“ wartet mit 20 (!) Werken von Pieter de Hooch und Leihgaben aus dem Louvre, dem Metropolitan Museum und der National Gallery auf und ist täglich besucht von Publikum aller Altersklassen und Bildungshintergründe: am vergangenen Wochenende waren 6400 Menschen in der Kunsthalle. Mittelmaß sind hier weder die Präsentationen noch die Zahlen.
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Das sich zäh haltende Narrativ, nach dem junge Menschen lieber Fotografieausstellungen als Gemäldesammlungen besuchen, ließe sich rasch durch einen Besuch widerlegen. Unser Publikum ist in der Mehrheit jung und kommt zu über 60 Prozent unserer Sammlung wegen in die Kunsthalle. Besonders in den Räumen der Alten Meister und des 19. Jahrhunderts begegnet man vielen Paaren zwischen 25 und 35 beim Flanieren durch die Galerien. Man könnte sich aber auch anhand der über 95.000 Instagram-Follower einen Eindruck davon verschaffen, dass wir nicht mehr der weltabgewandte Bildungstempel sind, sondern ein Haus, dessen Publikum täglich das, was es da sieht, via Instagram oder TikTok mit der Welt teilt.
Blockbuster? Nicht mehr als das Abnudeln bekannter Namen
Unstrittig ist, dass ich bei dem Wort „Blockbuster“ mit den Augen rolle, weil ich damit das Abnudeln bekannter, großer Namen unter Zuhilfenahme eines großen Marketing-Budgets assoziiere. Ein aktuelles Beispiel für den Anspruch, mehr zu bieten, als name dropping und die Wiederholung des ewig Gleichen ist die Toyen-Ausstellung, die als internationales Kooperationsprojekt mit der Nationalgalerie in Prag und dem Musée d’Art Moderne de Paris dieser außergewöhnlichen Künstlerin und ihrem Werk zum ersten Mal eine angemessene Berücksichtigung verschafft. Nichts gegen „Das MoMA in Berlin“, aber dem Museum of Modern Art muss nun wirklich niemand mehr zu Ansehen verhelfen.
Was mir besonders wichtig zu betonen ist, dass ich die Ambition habe, hervorragende Besucherzahlen auch ohne solche Ausstellungen zu generieren. Ich und mit mir die exzellenten Kuratorinnen und Kuratoren der Kunsthalle möchten einem breiten Publikum Ausstellungen und Sammlungspräsentationen zeigen, die Neues bringen. Wir möchten durch das Zusammenspiel von Kunst und Architektur unser Publikum zum Staunen und Nachdenken bringen, zurzeit exemplarisch in der Ausstellung „Futura – Vermessung der Zeit“. Wir wollen Menschen inspirieren und durch die Kunst Ideen stimulieren, die unsere Gesellschaft tragen. Für Entertainment sind wir nicht zuständig.
Unser Gastautor Alexander Klar, Jahrgang 1968, ist Kunsthistoriker und Museumsleiter