Hamburg. Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow will weiterhin auf spektakuläre Blockbuster-Schauen setzen. Recht so, findet Sammler Falckenberg.

„Ich bin ganz klar mit dem Ziel angetreten, hier große Ausstellungen zeitgenössischer Kunst für möglichst viele Besucherinnen und Besucher zu machen.“ Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow macht unmissverständlich deutlich, wie er zur Frage „Brauchen wir in Hamburg Blockbuster-Ausstellungen oder nicht?“ steht.

Vor einigen Tagen hatten Kunsthallen-Direktor Alexander Klar und Tulga Beyerle, Direktorin am Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G), eine überraschende neue Linie ihrer Hamburger Häuser verkündet: Künftig wolle man am Glockengießerwall einen „Wohlfühlort“ schaffen, an dem Menschen auf ganz selbstverständliche Weise Kunst genießen, sich aber ebenso zu einem Date verabreden, lesen und Kaffee trinken sollen. Beyerle sagte, sie wolle lieber an „grünen Kriterien“ gemessen werden als an Besucherzahlen. Gewinnerausstellungen wie Otto oder Udo Lindenberg kämen nicht mehr infrage.

Museum Hamburg: Neue Rolle in der modernen Welt viel diskutiert

Die neue Rolle der Museen in einer sich rasant verändernden Welt, sie wird gerade vielerorts diskutiert. „Museen sind heute keine reinen Tempel des Kulturkonsums mehr, sondern Orte der Teilhabe. Ich brauche Orte, wo etwas los ist, Orte für Gespräche, Vermittlung, Events, Kulinarik“, wurde Matti Bunzl, Direktor des Wien-Museums, kürzlich im „Standard“ zitiert.

Klima- und umweltschonend zu arbeiten steht auch auf der Agenda der Deichtorhallen. „Doch wir werden auch in Zukunft künstlerisch in die Welt blicken, internationale Künstlerinnen und Künstler ausstellen“, sagt Dirk Luckow. „Die Atmosphäre in den Deichtorhallen muss eine andere sein als draußen vor der Tür! Dafür brauche ich Inszenierung und Sinnlichkeit, ein echtes Raumerlebnis und diesen künstlerischen Kern, der die Menschen berührt. Als Beispiele nennt er Antony Gormleys „Horizon Field Hamburg“, Alice Neel, Michael Wolf, William Kentridge oder Tom Sachs mit seinem „Space Program“.

Deichtorhalle: "Zwischen Etabliertem und Avantgarde"

In den Hallen ändere sich „die Welt alle drei, bis vier Monate, mit jeder Ausstellung“, so der Intendant, der sein Haus „zwischen Etabliertem und Avantgarde“ sieht. Mit Blick auf die Kollegen in der Hamburger Kunsthalle sagt Luckow: „Fotografie hat es generell leichter als beispielsweise Malerei, sie ist meist schneller verständlich. Junge Menschen in die Hallen zu locken ist daher nicht unsere Herausforderung. Vielmehr, auf die vielen, neu aufbrechenden Themen wie Diversität und Postkolonialismus zu reagieren.“ Aus eigener Erfahrung als Direktor der Kunsthalle zu Kiel wisse er, wie wichtig es sei, die eigenen Sammlungen immer wieder neu zu präsentieren, auch mit dem Blick von außen.

Große Ausstellungen, die viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Hamburg und seine Akteure nach draußen tragen – auch der Hamburger Kunstsammler Harald Falckenberg wünscht sich eher mehr als weniger solcher Formate. „Das MoMA zu Gast in der Neuen Nationalgalerie in Berlin oder ,Diversity United. Das künstlerische Gesicht Europas‘ im ehemaligen Flughafen Tempelhof, Moskau und dann in Paris – das waren Ausstellungen mit großer Außenwirkung.“

Hamburg: Museen benötigen weitere Kapazitäten

Warum sollte so etwas nicht auch in Hamburg stattfinden können? „Klar ist andererseits aber auch, dass solche Ausstellungen mit einem enormen Aufwand verbunden sind mit Mitarbeitern, die Zeit haben, sich lange und intensiv mit einem Thema zu befassen.“ Diese Kapazität müsse in den Museen gegeben sein, neben einem „wirklich anspruchsvollen Ausstellungsprogramm“.

Letzteres sieht Falckenberg in der Hamburger Kunsthalle auf jeden Fall. So seien „Toyen“ und „Futura“ zwar fantastische Ausstellungen. Auch extrem sehenswert: die „Giorgio de Chirico“-Schau 2021. Aber sie sind keine Ausreißer nach oben, die wirkliche Massen schon wegen ihrer Namen und Bekanntheit der Kunstrichtungen anziehen. Das wäre anders bei der für 2023/24 angekündigten Ausstellung über Caspar David Friedrich. Hier hätte man darüber hinaus die Chance, nicht nur die altbekannten Gemälde zu zeigen, sondern „mit einem erweiterten Ansatz die Kunst von Caspar David Friedrich sinnbildlich in den Gesamtzusammenhang der Strömungen deutscher Romantik zu stellen“, so Falckenberg.

Harald Falckenberg will "die richtigen Leute" ansprechen

Generell geht es Harald Falckenberg eher darum, „die richtigen Leute“ anzusprechen, „die sich mit Kunst auseinandersetzen und nicht nur feiern wollen“. Im Hinblick auf die ehrgeizigen Klima- und Umweltziele der neuen Bundes­regierung sowie den nächsten Haushalt der Stadt sieht er eher magere Zeiten auf die Kulturinstitutionen zukommen: „Blockbuster-Ausstellungen wird man deshalb künftig finanziell und ökologisch gut begründen müssen.“ Eine breit aufgestellte Finanzierung aus privaten Sponsoren, Stiftungen und den Mitteln aus Freundeskreisen wird also immer wichtiger werden, will man ambitionierte Projekte selbst generieren.

Inhaltlich werden Vernetzung und Kooperationen mit anderen Museen und Institutionen immer wichtiger werden: In diesem Jahr wird neben der Triennale der Photographie die Deichtorhallen-Ausstellung „In The Heart Of Another Country – Werke aus der Sharjah Foundation“ den Blick in die arabische Kunstwelt von 1960 bis heute weiten.