Hamburg. Hamburgs Museen wollen grüne Wohlfühlorte sein. Abendblatt-Chefreporter Joachim Mischke kommentiert die neue Strategie.
Bislang waren die Hamburger Museen – ebenso wie Theater oder Konzerthäuser – Orte öffentlicher Begegnung. Gedankenaustausch, Horizonterweiterung, solche Dinge. Je öffentlicher, also idealerweise: je besser besucht, desto besser. Ansonsten könnte man es sich zu Hause mit Netflix oder dem guten Buch gemütlich machen.
Wer als Steuerzahlender mitbezahlt, dürfte erwarten können, dass möglichst viele möglichst viel von dieser Teilhabe haben. Sonst könnte man das Konzept des öffentlichen Kulturangebots in „Privatvergnügen“ umtaufen. Es aus der Förderung durch die Gesellschaft nehmen und Unternehmensberatern zur privatwirtschaftlichen Optimierungs-Schlachtung vorwerfen.
Doch genau auf diese Art durchkuratierten Privatvergnügens liefe hinaus, was aus zwei Hamburger Museums-Chefetagen als Debattenbeitrag kommt: Kunsthallen-Direktor Alexander Klar möchte weg von „monolithischen Ausstellungen“, die groß, weithin sichtbar und bestaunenswert auf ein Thema, einen Künstler, eine Künstlerin konzentriert sind. Und das Wort „Blockbuster“ für massenmagnetisierende Ausstellungen mag er nicht. Und richtig TOLLE Ausstellungen würden eh nur alle drei bis fünf Jahre gelingen, erklärte Klar.
Was heißt: Die Mittelmaß-Jahre dazwischen wären leider auszuhalten, bis etwas kommt, das man nicht verpassen darf. Größer denken scheint unangebracht, wenn man sich auch im kleineren Maßstab mit dem Depot-Bestand gemütlich einrichten kann. Selbstverzwergung aus Angst vor Ehrgeiz und Anspruch. Regional denkende Bielefeldisierung im Zentrum einer selbst ernannten Kulturmetropole. Kleinklein statt großartig.
Wenn grüne Kriterien wichtiger als Besucher werden
In den drei Hamburger Stadttheatern bräche dann auch bald ein Dramaturgie-Wettbewerb aus, wer das gezwirbeltste Spielplan-Büfett für die Kollegen und Kolleginnen anrichten kann, weil man nicht mehr für das quengelnde Publikum planen müsste. Und Generalintendant Christoph Lieben-Seutter würde seine Konzertpläne in Elbphilharmonie und Laeiszhalle mit honorigen Nebenwerken der Zweiten Wiener Schule oder Fleißarbeiten Hamburger Kleinmeister weit unterhalb von Brahms und Mendelssohn zuschaufeln, weil ihm Dankesschreiben aus musikwissenschaftlichen Instituten wichtiger sein könnten als gut gefüllte Publikumsreihen.
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Tulga Beyerle, Chefin des MK&G, sind unterdessen „grüne Kriterien“ als Messlatte lieber als Besucherzahlen. Bei Besucherzahlen, die chronisch nicht durch die Decke gehen, kann man dieses interessante Ablenkungsmanöver noch verstehen. Ansonsten nicht. Denn weiter in diese Irre gedacht, hieße das beispielsweise: Das Konzertprogramm der Elbphilharmonie würde relevanter, sobald es in der Backstage-Cafeteria politisch korrekte Bio-Dinkelkekse statt schlimmer Snickers gibt. Ausstellungen in der Kunsthalle würden moralisch gleich viel besser dastehen, hinge man die Bilder in ungeheizten Räumen in vegane Rahmen. Und zeigt sie dort nur noch bei Biogas-Licht, um noch mehr Strom zu sparen.
Kulturauftrag könnte ins Trudeln kommen
Der möglichst „nachhaltige“ Betrieb einer Kultureinrichtung muss Ziel und Selbstverständlichkeit sein. Doch sobald die Rahmenbedingungen für Kulturproduktion und -präsentation wichtiger werden als die eigentlichen Inhalte und Aufgaben, kommt der gesamte Kulturauftrag ins Trudeln.