Hamburg. Kunsthalle, MARKK & Co wollen künftig mehr auf Vielfalt, kleine Ausstellungen, Wohlfühloasen und spezielle Zielgruppen setzen.

Aus der Picasso-Ausstellung im Potsdamer Barberini-Museum oder der superlativen Tutanchamun-Schau in Hamburg ist mir kein einziges Bild in Erinnerung geblieben. Vielmehr das Gefühl von Enge und Hitze, das sich in den Gängen einstellte, während man den Hals nach Gemälden und Schätzen aus der Grabkammer reckte. Will heißen: Auch wenn um diese Ausstellungen damals viel Trubel gemacht wurde und man das Gefühl hatte, diese unbedingt sehen zu müssen, ist der Kunstgenuss dabei auf der Strecke geblieben. Der Museumsbesuch als soziales Ereignis an sich – eher anstrengend.

„Im Museum drängeln sich einander fremde Leute vor Bildern und gehen sich gegenseitig auf die Nerven.“ Mit diesem Satz hatte Peter Weibel, Leiter am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe, einst in einem Interview für Empörung gesorgt. Aber doch vielen aus der Seele gesprochen. Er entlarvte das „Heraufbeschwören der fiktiven Nähe zur Kunst“ als Mittel, möglichst viele Menschen an die Kasse von sogenannten Blockbuster-Ausstellungen zu locken.

Live-Erleben vor Ort unverzichtbar

Und doch ist ein Live-Erleben von Originalen vor Ort unverzichtbar. Sonst hieße das, auf die Opulenz des Makart-Saals, die Aura eines Beckmann-Selbstporträts in der Kunsthalle oder spektakuläre Installationen wie das „Space Program“ in den Deichtorhallen zu verzichten. Oder auch ganz stille Momente mit Werken zu verpassen, die man ganz für sich allein entdeckt.

Aber das Verhalten im öffentlichen Kunstraum hat sich offenbar verändert. Aus der empfundenen Nähe zu anderen Besucherinnen und Besuchern ist für viele während der Pandemie ein Empfinden von Enge geworden. Das Abwandern in virtuelle Welten ist sicherlich ein Weg. Doch die Hamburger Museen, allen voran Kunsthalle und Museum für Kunst & Gewerbe, schlagen andere Wege für sich ein, wollen einen selbstverständlicheren Museumsbesuch und intensiveren Austausch mit ihrem Publikum und verabschieden sich zugunsten alternativer Formate vom klassischen Ausstellungsmachen mit großen Namen.

Verzicht auf Blockbuster-Ausstellungen ist schlau

Auf sogenannte Blockbuster-Ausstellungen, die viel Menschenkraft, Geld, Material und Energie kosten, künftig zu verzichten ist schlau und zeitgemäß. Denn es sind rare Güter, mit denen es hauszuhalten gilt. Dass Kunsthalle, MK&G und auch einige andere Hamburger Häuser sich umorientieren und verstärkt mit eigenen Sammlungen arbeiten, ist sogar gesellschaftlich notwendig. Denn Museen sind zwar vielleicht keine Bildungstempel mehr und sollten um der Kunst willen nicht nur Wohlfühloasen oder Dating-Cafés sein, aber sie sind in jedem Fall Taktgeber für den Zeitgeist. Und der verlangt nach (Klima-)Wandel, nach Beweglichkeit.

Was wir aber brauchen, sind spannende, ästhetisch anspruchsvolle, intelligent gedachte Ausstellungen, die die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abholen. Da ist in vielen Museen tatsächlich noch Luft nach oben. Statt demokratisch alle Sammlungen abzubilden, sollten die Direktorinnen und Direktoren das Profil ihrer Häuser schärfen, sich trauen, Schwerpunkte zu setzen, Mut zur Lücke beweisen. Denn wie sagt der Leipziger Maler Söntke Campen so treffend über seine Arbeit: „Wenn man alles zeigen will, zeigt man im Grunde nichts.“ So weit sollte es nicht kommen.