Hamburg. Ebenso wie Einzelhändler trifft auch Galeristen der erneute Lockdown. Sie sorgen sich um ihre Existenz.
Sie waren ein Lichtblick in kulturell trüben, wenig ereignisreichen Zeiten: Als Museen, Theater und Konzerthäuser Anfang November ihre Türen schließen mussten, blieben die Galerien – da sie zum Einzelhandel zählen – vom Lockdown verschont. Viele Ausstellungsmacher nutzten diese Ausnahmesituation und glänzten in den vergangenen Wochen mit besonderen Projekten: Man sah „Porsche People“ bei Kirsten Roschlaub, die künstlerisch-pornografische Schau „FSK ab 18“ bei Evelyn Drewes, Rosemarie Trockel bei Vera Munro, spektakuläre Landschaftsfotografie bei Flo Peters. Frei nach dem Motto: „Jetzt aber erst recht!“
Seit Mittwoch trifft der „harte Lockdown“ neben dem Einzelhandel auch die Galerien: Sie müssen mindestens bis einschließlich 10. Januar schließen. Und teilen nun dasselbe Schicksal wie die Museen, die just im Herbst ihre großen Sonderausstellungen eröffnet hatten, um die klassische Zeit für Ausstellungsbesuche zu bespielen. Mehr noch: Laut Angela Holzhauer, Verbandssprecherin der Hamburger Galerien, drohen den Galeristinnen und Galeristen finanzielle Einbußen durch fehlende Verkäufe. „Die erneute Schließung bedeutet, dass die Weihnachtsausstellungen in den Galerien in diesem Jahr wenig gesehen werden konnten. Kaum aufgebaut, schon geschlossen. Nach dem Ausfall des Messegeschäfts im Herbst fällt nun auch das Weihnachtsgeschäft 2020 aus.“
Publikum ist sehr vorsichtig
Die Besucher in ihrer Ottensener Galerie und bei anderen Kolleginnen hätten sich gefreut, ein bisschen Kunst sehen zu können. Aber Menschen, die sonst in die Kunsthalle oder das Bucerius Kunst Forum gingen, hätten nicht alternativ Galerien besucht – „auch, wenn dort zum Teil Präsentationen von Künstlern zu sehen waren, deren Arbeiten sonst im Museum hängen“. Das Publikum sei insgesamt sehr vorsichtig. „Der Respekt vor dem Virus, zumal jetzt die Infektionszahlen so gestiegen sind, ist verständlicherweise groß“, so Angela Holzhauer.
Der Hamburger Galerist Tom Reichstein hat erst im Juni dieses Jahres einen 300 Quadratmeter großen Ausstellungsort im Oberhafen eröffnet. Nach Yang Kailiang, Allen Jones und Friedrich Einhoff startete vor zwei Wochen die Schau „Panta Rhei“ der Künstlerin Akane Kimbara. Die titelgebende Videoarbeit und die großformatigen Zeichnungen entfalten in den großen, fabrikartigen Hallen ihre Wirkung. Nur leider ohne ein Publikum vor Ort zu erreichen.
Positiver Effekt
„Der harte Lockdown war abzusehen, und wir waren darauf vorbereitet. Ich halte ihn auch für gerechtfertigt, weil wir alle in diesen Zeiten solidarisch sein und die Pandemie eindämmen müssen“, sagt Tom Reichstein. Schade sei es allerdings für die Künstlerinnen und Künstler, die viel Arbeit in die Schauen stecken. „Da ist schnell die Arbeit eines ganzen Jahres Makulatur, wenn die wundervollen Ausstellungen nicht gesehen werden können.“
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Der Galerist musste coronabedingt ein künstlerisches Projekt absagen, aber aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei er „sehr zufrieden“, sowohl was die Besucherzahlen angeht als auch die Verkäufe. Um einen Mehrwert in der Krise zu schaffen, sind Reichstein und sein Team Kooperationen mit Gastronomen eingegangen: „So hatten wir zum Beispiel das Restaurant Haebel aus St. Pauli zu Gast, das aufgrund seiner geringen Größe nicht öffnen konnte. Das war ein positiver Effekt in dieser schlimmen Corona-Zeit, weil dadurch Gäste in die Ausstellung kamen, die sonst nicht den Weg zu mir gefunden hätten.“ Einige Besucher hätten ihm auch erzählt, dass sie jetzt, da die Museen geschlossen sind, endlich Zeit haben, die Hamburger Galerienlandschaft zu entdecken.
Treuer Kundenstamm ist wichtig
Es mag mit der Angst vor Ansteckung zusammenhängen, dass sich das Publikum eher in weitläufige Hallen traut als in kleinere Galerien. Und vielleicht sind Geheimtipps wie Tom Reichstein oder die neu eröffnete Evelyn-Drewes-Galerie in einer ehemaligen Wollfabrik in Rothenburgsort auch attraktive Ausflugsziele in Pandemiezeiten.
Was aber fast noch wichtiger erscheint, ist ein treuer Kundenstamm. Carola Persiehl, die seit mehr als 25 Jahren die Galerie Commeter betreibt, findet 2020 „nicht so katastrophal, denn die Leute sind nach wie vor sehr kunstinteressiert. Ich habe sogar das Gefühl, dass viele sich in der Krisenzeit noch mehr mit Kunst beschäftigt haben als sonst.“ Sie verkauft Bilder von Künstlern wie Jochen Hein, Sarah Moon und Daniel Behrendt deutschlandweit, ist dabei weniger auf Publikum vor Ort angewiesen. Und doch freut sie sich über neu dazugewonnene Laufkunden. „Dadurch, dass die Menschen weniger gereist sind, haben sie die Museen und Galerien in ihrer eigenen Stadt für sich entdeckt.“
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Weniger Reise- und Transportkosten, dafür mehr Ausgaben für Verpackung und Porto, der Gewinn durch Verkäufe recht stabil – so ihre wirtschaftliche Bilanz dieses Jahres. Sehr vieles habe sich in die digitale Welt verlagert. „Den persönlichen Kontakt mit meinen Kunden vermisse ich am meisten“, sagt Carola Persiehl. Immerhin hätten noch drei Kunstmessen in Berlin, München und Karlsruhe stattgefunden, „aber nach dem Oktober war für mich das Kunstjahr eigentlich schon vorbei“. Ihre erst kürzlich aufgebaute Ausstellung „Bright Days Ahead mit Künstlern der Galerie sei eine „halbherzige Übergangslösung“. Im Moment würde die Galeristin keinen neuen Künstler einführen. Das für Ende Januar geplante Projekt über das Künstlerduo „Suto Suto“ wird sie kurzfristig ansetzen. „Es ist sozialkritische Streetart, mit der man sich auseinandersetzen muss.“ Sie soll nicht durch Corona verpuffen.
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