Hamburg. Seit März sind die Theater zu. Unternehmen will sich nun von einem Teil der Belegschaft trennen, Großteil davon in Hamburg.
"Bis April geschlossen": Als die Mitarbeiter des Musicalunternehmens Stage Entertainment im März diesen Hinweis an ihre Theater hängten, hatte es kaum einer für möglich gehalten, wie lange die Häuser am Ende dicht bleiben würden. Knapp neun Monate später ist ein Ende der Corona-Pandemie und des verhängten Lockdowns nicht in Sicht. Dafür rollt die erste Kündigungswelle.
Wie die Geschäftsführung ihren Mitarbeitern während einer Videoschaltung am Mittwoch mitteilte, werden 100 Beschäftige ihren Job verlieren. 90 Prozent von ihnen arbeiten am Unternehmenssitz in Hamburg, in der HafenCity. Betroffen ist die Verwaltung mit insgesamt 300 Mitarbeitern, die unter anderem in den Bereichen Technik, Finanzen, Recht, Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung tätig sind. Angestellte, die direkt am Showbetrieb mitwirken, seien nicht betroffen, wie Pressesprecher Stephan Jaekel betont. Noch nicht.
Stage Entertainment ohne Einnahmen – und ohne Förderung
Denn wie lange das Unternehmen in der Corona-Krise durchhalten kann, dazu äußert sich Jaekel nicht. Klar ist: Seit dem 13. März sind alle Theater im erzwungenen Lockdown. Aufgrund der begrenzten Zahl an Zuschauern war ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich. "Seither konnten wir keine nennenswerten Einnahmen erzielen.
Mit Ausnahme des Kurzarbeitergeldes haben wir bislang auch keinerlei staatliche oder kommunale finanzielle Unterstützung erhalten", erklärt Jaekel. Die zahlreichen Fördertöpfe und Hilfen greifen nicht, weil der private Kulturbetrieb durchs Raster fällt. "Es wäre symbolisch toll, wenn wir von irgendeinem der großmündig angekündigten Fördertöpfen profitieren könnten."
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Betriebsratschef: Es muss doch andere Lösung geben als Kündigungen
Klar ist auch: Corona wird beim Musicalunternehmen nachwirken, das zu den größten der Branche zählt. Sich von dem Umsatzausfall eines Jahres zu erholen, werde voraussichtlich weitere Jahre in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund sei man laut Jaekel gezwungen, die Personalkosten zu reduzieren. Der Stellenabbau soll bis Ende 2021 durch Vertragsaufhebungen, Renteneintritt und Entlassungen erfolgen.
Erste Gespräche wurden mit Mitarbeitern bereits geführt. Das bestätigt Carsten Gerloff. Der Hamburger ist Vorsitzender des Konzernbetriebsrates von Stage Entertainment und gibt sich trotz allem kämpferisch. "Wir werden alles dafür tun, dass so viele wie möglich bleiben können", verspricht er. Unter anderem hofft er, dass man in den jetzt folgenden Gesprächen mit der Geschäftsführung einen sozialverträglichen Personalabbau durchsetzen kann. "Es muss doch eine andere Lösung geben, als Leute zu kündigen."
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Doch welche? Versuche, andere Formate an den Start zu bringen, scheiterten. Eine gestreamtes Galakonzert im Sommer brachte eben so viel ein, dass es knapp die Kosten deckte. Andere Konzepte/Ideen wurden verworfen. Zu teuer. Zu viel Aufwand. "Unser Geschäftsmodell geht nicht auf, wenn wir nicht Theater vor großem Publikum spielen dürfen", sagt Jaekel. Dass hat unter anderem auch mit den Lizenzvorgaben zu tun. So gibt beispielsweise Disney vor, wie groß das Orchester sein soll, wie die Stücke auf die Bühne gebracht werden sollen – bis zur Vorgabe, wie Darsteller zu stehen haben. Schwierig bei Mindestabstandsvorgaben.
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Und doch gibt es ein rund 80 Seiten umfassendes Konzept, das bereits mit der Hamburger Gesundheitsbehörde sowie der Berufsgenossenschaft abgestimmt wurde. Darin zeigt das Unternehmen Stage auf, wie eine Musicalaufführung mit 1000 Besuchern – so viele sind laut Pressesprecher wirtschaftlich nötig – möglich ist.
Zudem geht es darin auch um coronasichere Proben mit wöchentlichen Tests für alle Schauspieler. "Wir sind auf den Re-Start gut vorbereitet und haben großartige Shows im Spielplan. Allein in Hamburg werden wir uns zusätzlich zu den bekannten Shows mit drei großen Premieren zurückmelden", schwärmt Jaekel. Angedacht sind: Wicked, Disneys Die Eiskönigin und Hamilton.
"Dies sind schwere Entscheidungen für unser Unternehmen"
Doch bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass eine solche "Großveranstaltung" mit 1000 Zuschauern zugelassen wird. Auch wenn es Grünes Licht gebe, bräuchte es nochmal sechs bis acht Wochen Probezeit, bis das erste Stage-Theater seine Türen für eine Musicalaufführung öffnen könnte.
"Unsere Branche ist in ganz besonderem Maße betroffen", betont Pressesprecher Jaekel. Jahrzehntelang seien sie das Zugpferd des Kulturtourismus gewesen, hätten für mehr als eine Milliarde Euro zusätzliche touristische Umsätze in Deutschland pro Jahr gesorgt. Die nun angeschobenen Maßnahmen seien keine kurzfristigen Aktionen. Sie dienten der langfristigen, dauerhaften Sicherung des Unternehmens. "Dies sind schwere Entscheidungen für unser Unternehmen", so Jaekel, der sich mit dem Betriebsratschef dann doch in einem Punkt ganz einig ist: "Wir sind um größtmögliche Sozialverträglichkeit bei den Beendigungen bemüht."
Kleine Privatbühnen: Folgen weitere Kündigungen?
Für die Stage Entertainment arbeiten laut eignen Angaben rund 1.700 Mitarbeiter in 13 Theatern, die für einen Jahresumsatz von 302 Millionen Euro sorgen, rund 3,6 Millionen Besucher wurden jährlich verzeichnet. Vor Corona.
Ein Jahr keine Einnahmen: Das betrifft viele in der Branche. Von weiteren Kündigungen weiß Frank Schreckenberg als Verdi-Sprecher Bundesvorstandes für den Bereich Darstellende Kunst, Theater und Bühnen nichts. Stage Entertainment wären die ersten. Allerdings handle es sich hierbei auch um das größte privatwirtschaftliche Musicalunternehmen europaweit. Er vermutet, dass viele kleinere Privatbühnen ebenfalls um Kündigung nicht herumkommen werden.