Hamburg. Der künstlerische Direktor András Siebold spricht im Abendblatt über ein ganz besonderes Sommerfestival auf Kampnagel.
An diesem Mittwoch startet das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel. Künstlerisch verantwortet wird es erneut von András Siebold, der über die besonderen Herausforderungen in diesem Jahr spricht.
Hamburger Abendblatt: Die meisten Festivals in diesem Jahr sind abgesagt – das Internationale Sommerfestival findet statt. Wie früh hatten Sie entschieden, dass Sie das durchziehen – und haben Sie nie gewackelt?
András Siebold: Für uns war immer klar, dass wir nicht absagen, bevor wir wissen, was im August erlaubt ist. Aber wir mussten das Programm komplett neu machen, weil die fest verabredeten Produktionen wegen des weltweiten Lockdowns nicht mehr möglich waren. Das Eröffnungsstück aus Australien konnte zum Beispiel nicht mehr proben, bereits zugesagte Reiseförderungen wurden eingefroren oder Partner-Festivals, mit denen wir uns Kosten teilen, wurden abgesagt. Also einfach war es nicht, in unsicheren Zeiten eine sichere Perspektive zu entwickeln, und es gab Tage, an denen die Zukunft ein riesiges Fragezeichen war, aber so ging es ja allen.
Wie geht Festival unter diesen Umständen?
Siebold: Das Programm ist auf den ersten Blick nicht von anderen Jahren zu unterscheiden – mit großen Uraufführungen etwa von der Choreografin Marlene Monteiro Freitas. Neu sind mehrere Freiluftbühnen im Garten, wo über 50 verschiedene Konzerte, Lesungen und Performances open air stattfinden. Und wir haben ein über 30-seitiges Schutzkonzept zur Infektionsvermeidung.
Besteht Maskenpflicht in den Hallen?
Siebold: In allen Innenräumen besteht Maskenpflicht, außer während der Vorstellungen auf den mit Abstand positionierten Sitzplätzen. Also wie im Restaurant. Und überall gilt: 1,50 Meter Abstand halten, außer in selbst gewählten Gruppen bis zu zehn Personen.
Wie können Sie sicher sein, dass Regeln auch eingehalten werden? Und was machen Sie eigentlich, wenn nicht?
Siebold: Ich könnte jetzt mit §8 Absatz 2 der aktuellen Hamburger Allgemeinverfügung antworten, nach dem wir Masken-Verweigerern die Teilnahme am Festival verweigern können. Aber wir sind auf Kampnagel eher am Verständnis der Menschen interessiert. Neben Infozetteln wird extra Personal zur Not freundlich daran erinnern, dass Armin Laschet kein Vorbild war mit der freien Nase über der Maske. Ich glaube, alle werden verstehen, dass das Festival nur so stattfinden kann und für Aluhut-Träger die falsche Veranstaltung ist.
Was passiert bei Regen?
Siebold: Christiane Rösinger hören, die hat einen tollen Song zum Thema! Sie spielt open air am 22. August auf der Kanal-Bühne im Festivalgarten. Dort gibt es zusätzliche Schirme und Zelte, recycelte Regenparkas von einer Hamburger Firma und außerdem ein Szenario für einen geregelten temporären Platzregen-Schutz im sehr großen und diesmal leeren Foyer. Um es mit Rösinger zu sagen: Regen Regen auf allen Wegen / Wir haben nichts dagegen.
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Eine Produktion heißt „Virus“ – wie sehr beeinflusst die Corona-Pandemie das Programm auch inhaltlich?
Siebold: Das Stück ist eine Pandemie-Simulation mit dem Publikum und schon vor Corona entstanden! Alle Produktionen, die wir so wie diese neu ins Programm genommen haben, setzen sich mit der aktuellen Situation auseinander, wir sind ja ein Gegenwartsfestival, das auf die Zukunft schielt. Kim Noble setzt sich in einem berührenden Comedy-Stück über Eichhörnchen mit Isolation auseinander, Gob Squad suchen die letzte gute Zeit vor einem drohenden Untergang, die Theater-Erneuerer Nesterval aus Wien haben wegen der Pandemie ein raffiniertes Online-Stück entwickelt, und mit drei Pandemic Talks bieten wir Perspektiven aus Soziologie, Journalismus und Pop auf die Virus-Pandemie. Wenn alles gut geht, zeigt das Festival nicht nur, wie unter Pandemie-Bedingungen Kunst möglich ist, sondern auch, wie sie Impulse daraus ziehen kann.