Hamburg. Die Hamburger Kunsthalle hat ihr Programm für 2020 vorgestellt – es ging nicht nur um Ausstellungen, sondern auch um Eingänge.
Szenenapplaus während einer Pressekonferenz ist äußerst selten. Wenn allerdings Alexander Klar ans Mikrofon tritt, gehört dies mittlerweile zum Programm. Das liegt zum Teil an seiner sehr unterhaltsamen, auch aufgrund höchster Sprechgeschwindigkeit kurzweiligen Rede, aber besonders am Reizwort Galerie der Gegenwart. Diese will der Direktor „im Laufe des Frühjahrs 2020“ mit einem eigenen Eingang versehen und so der Öffentlichkeit wieder besser zugänglich machen.
Nicht nur im Haus ist man darüber extrem froh, auch die Hamburger dürften diese Entscheidung goutieren, denn die Kunsthalle ist weitaus mehr als 19. Jahrhundert und Wanderer-Romantik. Sie ist genauso Richard Serra, Rosemarie Trockel, Gerhard Richter und Cindy Sherman. „Die Galerie wird unser Kraftwerk sein, der Ort, an dem wir mit Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten“, so Klar. „Sie wird unsere Bühne für die Kunst werden.“
Diese fast schon politische Grundsatzentscheidung wirkt sich auch auf das kommende Ausstellungsprogramm aus: Ob Raffael, Beckmann oder Warhol – „wir wollen zeigen, dass Künstler zu jeder Zeit contemporary art geschaffen haben“. Es gilt, den jeweiligen Gegenwartsbezug herzustellen, zu analysieren, inwieweit Meisterwerke der Renaissance ins Heute wirken, Künstler der klassischen Moderne sich schon damals mit der Gender-Debatte auseinandersetzten.
Internationale Künstler zeigen die Trauer in ihren Bildern
Oder mit dem Tabuthema Trauern. Brigitte Kölle zeigt in ihrer Ausstellung „Von Verlust und Veränderung“, wie internationale Künstler, darunter Maria Lassnig, Khaled Barakeh, Anne Collier und die aktuelle Turner Prize-Gewinnerin Helen Cammock einen Zustand verbildlichen, für den man oft kaum Worte findet. Die Schau eröffnet das Ausstellungsjahr am 7. Februar.
Ein „Erlebnis, auf das alle hinfiebern“ stellte Kuratorin Karin Schick vor: Mit „weiblich-männlich“ (ab 3. April) will sie Besuchern ein bislang unbekanntes Feld im Werk von Max Beckmann (1884-1950) eröffnen. Der Expressionist, der sich so gern selbst als mannhaft entschlossenen Weltendeuter malte („Selbstbildnis im Smoking“), kehrte in seinen Werken gängige Geschlechterklischees um; „er war überzeugt davon, dass in jedem Menschen weibliche und männliche Anteile stecken“, so Schick. Wie schon bei der aktuellen Impressionisten-Schau wird es auch zu Beckmann eine extra aufbereitete App geben.
Nach Rembrandt und da Vinci wird 2020 Raffael (1483-1520) in seinem 500. Todesjahr von vielen namhaften Museen gewürdigt. So auch von der Kunsthalle. Die von David Klemm erdachte Ausstellung zeichnet das Leben und erstaunliche Wirken des „Superstars der Renaissance“ nach, der bereits mit 37 Jahren starb, aber mit Werken wie der Sixtinischen Madonna für Jahrhunderte Maßstäbe in der europäischen Kunst setzte.
Raffael, für Kunstkenner und junge Besucher ein Magnet
Hamburg besitzt immerhin fünf Handzeichnungen Raffaels, hinzu kommen Arbeiten aus dem nahen Umfeld des Künstlers sowie Reproduktionen der bedeutendsten Gemälde und Fresken. Die Schau wird am 21. Mai eröffnet und dürfte nicht nur Kunstkenner ansprechen, sondern auch junge Besucher begeistern. Wie wichtig derartige Ausstellungsmagnete sind, weiß Norbert Kölle. Der Geschäftsführer der Kunsthalle konnte stolze 380.000 Besucher im Jahr 2019 verkünden, allein das Jubiläumswochenende zählte 30.000. Künftig will man jedes Jahr groß Geburtstag bei freiem Eintritt feiern; also schon mal den 29. August in den Kalender eintragen.
Mit „Magische Wirklichkeit“ wird dann in Hamburg erstmalig eine Ausstellung zu dem italienischen Künstler Giorgio de Chirico (1888-1978) zu sehen sein. 1956 hatte die Kunsthalle eine Fälschung des berühmten metaphysischen Malers erworben. Nun sei man froh, endlich die Originale zeigen zu können, so Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers. Es ist die erste Kooperation des Hauses mit den Pariser Musée d’Orsay et de l’Orangerie.
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Eine weitere Ikone des Hauses soll im Sommer zutage gebracht werden: das größte Gemälde des Museums, Hans Makarts „Der Einzug Kaiser Karl V. in Antwerpen“ aus dem Jahr 1888, wird der fulminanten Sammlung des 19. Jahrhunderts gegenübergestellt (dafür gab es erneut Applaus). Mit „Serien. Druckgraphik von Warhol bis Wool“ (ab 25. September) und „Von Menzel bis Monet“ (ab 30. Oktober) endet dieses vielversprechende Ausstellungsjahr.
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