Hamburg. Direktor Alexander Klar ist seit drei Wochen im Amt. Mit „Beständig, kontrovers, neu“ eröffnete er seine erste Ausstellung.
Es ist der 22. April 1839, als in einer Vorstandssitzung des Kunstvereins in Hamburg erstmals die Idee eines Kunstmuseums geäußert und diskutiert wird. Fünf Jahre später gibt der Architekt Friedrich Stammann mit der Schenkung des Gemäldes „Cromwell am Sarge Karls I.“ von Paul Delaroche den entscheidenden Anstoß; ihm schließen sich weitere Stifter an. Die insgesamt sechs Gemälde bilden den Grundstock für eine Sammlung, die 1850 erstmalig in der „Öffentlichen städtischen Gemäldegalerie“ in den Börsenarkaden am Adolphsplatz gezeigt wird – in der Keimzelle der heutigen Hamburger Kunsthalle.
Glaubt man einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1865, nahmen die Hamburgerinnen und Hamburger ihr erstes eigenes Kunstmuseum begeistert an. Dabei sollte der große Wurf, die Eröffnung der Kunsthalle in den Räumen am Glockengießerwall 1869, erst noch kommen.
150 Jahre später ist die Begeisterung ungebrochen. In der großen Jubiläumsausstellung lässt die Kunsthalle ihre Besucher in Form eines Stimmenregens von der Decke zu Wort kommen. Was immer wieder auftaucht, ist die großartige Sammlung, die inspiriert, bereichert, den Besuch lohnenswert macht. Dass diese heute zu den bedeutendsten Nordeuropas gehört, ist den Schenkungen und Stiftungen von Bürgerinnen und Bürger zu verdanken.
Die Jubiläumsausstellung liest sich wie ein Geschichtsbuch
Um dieses Engagement zu würdigen, feiert sich die Kunsthalle als Haus „für uns alle“ mit einem kostenlosen Festwochenende am 31. August und 1. September (siehe Kasten) und der Ausstellung „Beständig, kontrovers, neu. Blicke auf 150 Jahre“.
Direktor Alexander Klar, seit drei Wochen im Amt, ist naturgemäß nervös, es ist seine erste Ausstellungseröffnung. „Als Historiker habe ich mich gefragt, ob es eine Chronik der Kunsthalle gibt.“ Dies ist erstaunlicherweise nicht der Fall. Deshalb „bin ich begeistert, dass die Ausstellung ein Tableau von 150 Jahren Kunsthallen-Geschichte vor uns auffächert. So ist eine kluge Balance aus schonungsloser Selbstbefragung und der Herausforderung heutiger Museumsarbeit entstanden.“
Tatsächlich, wie zum Ersatz, liest sich die Jubiläumsausstellung durch die vielen Wandtexte wie ein Geschichtsbuch mit Gemälden, Zeichnungen, Grafiken sowie aufgearbeitetem Archivmaterial und Fotografien als Eckpunkte, gegliedert in vier Kapitel. Das Entrée bilden die historischen Meilensteine: Eröffnung 1869, Anbau zum Hauptbahnhof 1919, Kriegszerstörung 1945, große Ausstellung zu Caspar David Friedrich 1974, Gründung der Galerie der Gegenwart 1997, Neueröffnung der Kunsthalle 2016.
1931 kostete der eintritt noch 20 Pfennige
Danach öffnet sich das Hubertus-Wald-Forum und gibt in „Haben – Nicht haben“ Einblicke in seine Sammlungsarbeit. Eine Galerie der „big spender“ wird von Seitenaspekten wie Beschlagnahmung „entarteter Kunst“, Diebstahl und Restitution flankiert; ein Diagramm gibt Aufschluss darüber, wie das Museum wirtschaftet.
„Öffentlich – Nicht öffentlich“ befasst sich mit Besucherzahlen, Eintrittspreisen und der Frage, wie das Museum ein Ort „für alle“ sein kann, unter Berücksichtigung seines Bildungs- und Forschungsauftrags. Belustigt blickt man auf den Zeitstrahl, der das erste Eintrittsgeld von 20 Pfennigen auf das Jahr 1931 datiert. Auch das Foto einer Warteschlange vor der Ausstellung „Blick auf Florenz“ von 1987 wirkt aus der Zeit gefallen.
„Wissen – Nicht wissen“ präsentiert zurückliegende und aktuelle Projekte des Hauses wie etwa die Provenienzforschung, deren Arbeit bis heute deutschlandweit Vorbildcharakter hat. Der Bereich „Zeigen – Nicht zeigen“ geht auf Veränderungen in Kunstkanon und Geschmack sowie auf die Präsentation der Sammlung ein, die stark von den jeweiligen Direktoren geprägt wurde.
Kein Jubel, dafür sehenswerte Selbstreflexion
Einen unterhaltsamen Abschluss gibt es im kleinen Kino: Hier geben die Bands Deichkind und Die goldenen Zitronen ihren ihren ganz eigenen Blick auf 150 Jahre Kunsthalle preis.
Es ist keine Jubelausstellung, die das Kuratorinnen-Team um Ute Haug innerhalb nur eines Jahres erarbeitet hat (und das ausgerechnet in der direktorialen Übergangsphase). Statt dessen ist eine sehenswerte Selbstreflexion entstanden, die tief blicken lässt in die wechselvolle Geschichte dieses großen Kunstmuseums.
„Beständig, kontrovers, neu. Blicke auf 150 Jahre“ 23.8.–10.11. Kunsthalle (U/S Hauptbahnhof), Di-So 10.00–18.00, Eintritt 14,-/8,- (ermäßigt)