Hamburg. Schwedische Sopranistin war erneut mit dem Liebestod aus „Tristan und Isolde“ in der Elbphilharmonie. Hier und da haperte es.

Wenige Tage vor Jonas Kaufmann hatte Nina Stemme vor einigen Monaten im Großen Saal leidvoll erleben müssen, was einer Stimme in der Elbphilharmonie widerfahren kann, wenn man auf dieser heiklen Bühne eindeutig falsch steht und einem auch die beste Wagner-Heldinnen-Kondition nicht vor dem Absturz rettet.

Damals, im Januar, hatte die Hochdramatische bei einem NDR-Konzert unmittelbar neben dem Dirigenten Marek Janowski gesungen und war als Brünnhilde im „Götterdämmerung“-Finale chancenlos im übermächtigen Orchesterklang untergegangen, der über sie hinweg fegte.

Gänzlich ungetrübt waren auch dies Wagner-Episoden nicht

Am Freitag war die schwedische Sopranistin wieder zu Gast in der Elbphilharmonie; erneut mit dem Liebestod aus „Tristan und Isolde“, nun aber auch mit den deutlich überschaubarer dimensionierten Wesendonck-Liedern. Und nun war einiges anders und vieles deswegen besser: Stemme stand cleverer, hinten rechts, erhöht, neben den Kontrabässen. Vor und leicht unterhalb von ihr war es nun das Orchestre de l‘Opera National de Paris, mit seinem Noch-Chefdirigenten Philippe Jordan, über das sie von dort hinweg singen konnte. Ziemlich beste Voraussetzungen, eigentlich, um zumindest vergleichsweise kurzen Eindruck von Stemmes Wagner-Weltklasse zu erleben, auch ohne komplette Oper und lediglich auf diesen Kurzstrecken.

Doch gänzlich ungetrübt waren auch diese Wagner-Episoden nicht. Denn während Jordan – als „Meistersinger“-Dirigent 2017 in Bayreuth und „Parsifal“-Debütant 2012 amtlich geadelt – im „Tristan“-Vorspiel durchaus Ruhe, Spannungs-Feingefühl und Klangsinnlichkeitsverständnis bewies, war das Pariser Opern-Orchester zunächst noch eher partiell bei der Sache. Die höchste Lust, das Ertrinken und Versinken, von der im Finale zu singen war, die musste man sich eher denken. Zu hören war von den Parisern ein ordentlich sortierter Ablauf, aber nicht diese irre, überlebensgroße Glut, die einem vom berühmten ersten Akkord an, aus dem Stand entgegenlodern müsste.

Mit der vernehmbaren Textverständlichkeit haperte es

Und Stemmes Isolde-Auftritt? Einerseits: diese Stimme, diese wunderbar, samtweich strömen könnende Stimme, diese Mischung aus Honig und Lava – das war nun besser zu hören. Doch mit der vernehmbaren Textverständlichkeit haperte es dennoch, leider, auch bei den Wesendonck-Liedern, in denen Jordan seinem Orchester nicht konsequent genug Zurückhaltung verordnete. Also bleibt ein elbphilharmonischer Wagner-Abend mit Nina Stemme, bei dem man ohne Wenns und Abers selig geworden sein wird, weiterhin auf der Wunschliste. Andererseits: ein Luxus-Problem.

Den Rest des Abends vergnügten sich Jordan und sein Orchester exzessiv mit Prokofiews „Romeo und Julia“-Suite. Dass diese Musik für ein Ballett geschrieben wurde, nahm Jordan voll und ganz und mit dekorativ ausgeführtem Körpereinsatz für sich in Beschlag. Die Instrumentalsoli, in der Szenen-Zusammenstellung gleichmäßig im Orchester verteilt und mit viel Verve ausgeführt, gönnte er diesem oder jener, doch die eigentliche Show, die mit den schwungvollen Gesten, die sollte offenbar auf dem Dirigentenpodest stattfinden. Fesch war es schon, aber auch, weil diese Musik so gut polierte Oberfläche darstellte, etwas fad, auf hohem Niveau. Die passend quirlige Zugabe, ebenfalls begeistert bejubelt, war Glinkas „Ruslan und Ludmilla“-Ouvertüre, eines dieser Baiser-Stückchen, denen man nicht böse sein kann, obwohl sie fast nur aus warmer Luft und Zuckerguss bestehen.