Hamburg. Boy-Gobert-Preisträger Paul Behren ist zurück – gemeinsam mit seinem Bruder im Off-Theater. Eine Begegnung.
Man kennt Paul Behren aus dem Ensemble des Schauspielhauses, etwa als er vor eineinhalb Jahren in der Titelrolle von Eugene O’Neills „Der haarige Affe“ brillierte. Mittlerweile arbeitet der heute 28-Jährige frei – und zeigt von morgen an im Bahrenfelder Lichthof Theater das Stück „Bruder“, das er gemeinsam mit seinem Bruder Tim, der als Choreograf in Köln arbeitet, entwickelt hat.
Hamburger Abendblatt: „Bruder“ ist angekündigt als „Bühnenbegegnung“. Sie begegnen da ihrem Bruder Tim, aber es begegnen sich auch zwei Genres – Ihr Bruder kommt von der Choreografie, Sie kommen vom Sprechtheater. Was sehen wir da?
Paul Behren: Ein Stück, in dem wir uns beide auf der Bühne begegnen. Das war auch ein Findungsprozess: Wir sind nicht mit einem klaren Konzept gestartet, sondern wollten uns erst mal einen Raum öffnen, wo alles möglich ist. Wo jeder mit seinen Wünschen und Themen Platz hat.
Als was ordnen wir das dann ein? Als Tanz? Als Theater?
Behren: Ich persönlich nenne das immer Tanzperformance – ich finde den Stil eher tänzerisch als klassisch sprechtheatermäßig. Wir sprechen zwar auch, aber eher sehr reduziert, untheatral. Das ist eher wie ein Interview.
Ihr Bruder ist Jahrgang 85, Sie sind Jahrgang 91. Was für eine Art Bruder war Tim?
Behren: Er war der ruhigere von uns beiden. Lustigerweise haben die Proben ein bisschen unsere Kindheit widergespiegelt, was da zwischen uns abgelaufen ist: Ich wollte immer spielen, einfach machen, und mein Bruder wollte immer ein bisschen konzeptuell rangehen.
Sechs Jahre Altersunterschied sind viel, da kann man oft nichts miteinander anfangen.
Behren: Klar – als wir Kinder waren, war er in ganz anderen Phasen als ich. Ich glaube, ich habe viel Kontakt zu ihm gesucht, und er war eher so für sich. Seit ich 20, 21 bin, sind wir uns aber total nahegekommen. Auch, weil wir beide im künstlerischen Bereich tätig sind und uns da sehr gut austauschen können. Eigentlich ist das jetzt ein sehr schönes Geschwisterverhältnis.
Sie arbeiten ja nicht nur beide im künstlerischen Bereich, sondern auch in vergleichbaren künstlerischen Disziplinen.
Behren: Der Anfang war bei uns der Zirkus. Mein Bruder machte bei Zambaioni mit, einem Kinder- und Jugendzirkus in Tübingen. Ich fand das toll und habe es dann auch gemacht. Uns beiden war klar, dass wir auf eine Bühne wollen, nur auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Mein Bruder ist auf die Zirkusschule gegangen, und ich war schon damals eigentlich der Clown.
Freud sagt, dass Geschwisterverhältnisse ganz speziell sind – da spürt man zum ersten Mal im Leben, dass man in einer Konkurrenz steht, um die Zuneigung der Eltern.
Behren: Diese Konkurrenz fühle ich ein bisschen, seitdem ich mich in Richtung Tanzszene bewege. Aber auch nicht wirklich. Für meinen Bruder war immer klar, dass ich Schauspieler bin, deswegen gab es diese Konkurrenz nicht so. Auch weil wir beide sehr zufrieden sind, ist das eigentlich in Ordnung.
Ihr Bruder ist nach der Ausbildung in die freie Szene gegangen, Sie sind straight an größere Häuser – Schauspiel Bochum, Münchner Volkstheater, Hamburger Schauspielhaus. Für mich sieht das aus wie: Da will jemand Schauspieler werden, und er will von Anfang an groß einsteigen.
Behren: Ja, nach der Schauspielschule war mir klar, dass ich das ausprobieren will. Was ich aber jetzt immer mehr merke: Als Schauspieler war ich in einem relativ saven System, da wurde mir die ganze Struktur vorgegeben. Mein Bruder hat sich diese Struktur größtenteils selber geschaffen. Darin liegt eine riesige Kraft, und das bewundere ich.
Als Sie vor einem Jahr das Schauspielhaus-Ensemble verlassen haben, spielten Sie mit Mitte 20 große Rollen und bekamen auch noch den Boy-Gobert-Preis...
Behren: Die Entscheidung, am Schauspielhaus zu kündigen, kam, weil ich gemerkt habe, dass ich freier arbeiten will, dass ich mehr mitdenken will. Ich war einfach nicht glücklich damit, dass ich eingeteilt werde, wo, wie und was ich spielen muss. Und meine Sehnsucht nach körperlicher Arbeit, ich merke immer wieder: Diese körperliche Arbeit ist mein bevorzugter Ausdruck.
„Bruder“ 26. und 27.10., 20.30 Uhr, 28.10., 18 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15b, www.lichthof-theater.de