Hamburg. Zum 25. Jubiläum bringt das Theater den Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ ganz neu heraus. Musik schrieb Marko Formanek.

Das Plakat am Fenster vom Eingang des Imperial Theaters hat etwas Mysteriös-Bedrohliches: „M kommt!“, prangt in roter und gelber Schrift auf schwarzem Grund. Untertitel: „Eine Stadt sucht einen Mörder.“ Erst mal aber gilt es den Mann zu finden, der diesen vermeintlichen M (wie Mörder) spielen soll. Durch das kleine Foyer mit Kassenhäuschen und kleiner Bar geht es eine schmale Treppe hinunter in den Theatersaal, der einst ein Kino war.

Die Schauspielprobe ist beendet, noch aber hat Intendant und Regisseur Frank Thannhäuser zu Füßen der Bühne die elfköpfige Darstellerriege vor sich versammelt. Nachbesprechung. In ruhigen Worten redet er mit den Schauspielern, kündigt an, sich „noch mal mit Janine und Marko zusammenzusetzen“. Janine Krieger ist – unter anderem – die Regieassistentin am Haus, Marko Formanek hat nicht nur die Titelrolle, er ist auch als Musiker gefragt.

Mit „M“ feiert das Imperial Theater am 19. August sein 25. Jubiläum. Die noch immer recht kleine Privatbühne (272 Plätze) am Anfang der Reeperbahn bringt den Filmklassiker von Fritz Lang (siehe Infokasten) als deutsche Erstaufführung mit Musik heraus. Und für Letztere ist Marko Formanek als Komponist hauptverantwortlich.

Deutschlands erfolgreichste Kriminalbühne

Nach wenigen Minuten kommt dieser M. dann hoch ins Foyer, holt vor dem Gespräch am Stehtisch noch einen Kaffee aus der kleinen Bar hinterm Tresen. Formanek ist gebürtiger Wiener und hat – obwohl wie alle Darsteller ein Freischaffender – schon vor 23 Jahren im Imperial angefangen, erinnert er sich. „Zustände wie im alten Rom“ hieß das Stück – ein Musical.

In diesem Sujet hatte das Imperial Theater seit der Eröffnung 1994 unter Gründungs-Intendant Thannhäuser für die deutsche Erstaufführung von „Grease­“,­ „The Rocky Horror Show“ oder die kultige Schlager-Revue „Hossa“ viel Anerkennung geerntet, kam jedoch gegen die größeren Mitbewerber Schmidt und Schmidts Tivoli sowie Stage Entertainment nicht an. 2003 dann wagte der auch als Übersetzer aus dem Englischen findige und beflissene Thannhäuser mit dem kaufmännischen Geschäftsleiter Florian Lienkamp den Schwenk ins Krimi-Genre.

Als Nischentheater gestartet, ist das Imperial mit inzwischen gut einem Dutzend Festangestellten und dank Bühnenadaptionen von Thrillern, Krimis und Krimikomödien à la Edgar Wallace, Agatha Christie und zuletzt Arthur Conan Doyles bühnenbildgewaltigem „Der Fluch des Pharao“ längst Deutschlands erfolgreichste Kriminalbühne. Bis auf einen einmaligen Zuschuss über 20.000 Euro von der Kulturbehörde für eine Klimaanlage ohne jegliche Subventionen.

Formanek war schon "Der Henker"

Mit „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ soll nun der Bogen von der originellen Musikalität zur hausgemachten Spannung geschlagen werden. Marko Formanek steht exemplarisch dafür. Schließlich verkörperte der Diplom-Schauspieler und frühere Rockmusiker vor 20 Jahren die Titelfigur in „Buddy – das Musical“ über den Rock-’n’-Roll-Jungstar Buddy Holly. „Für ,Buddy‘ bin ich nach Hamburg gezogen“, erzählt Formanek vor dem Imperial Theater stehend. „Am Wochenende hab ich oft nachmittags im Theater im Hafen gespielt, abends dann hier.“

Der 51 Jahre alte Künstler hat im Imperial inzwischen schon in Krimis wie „Der Rächer“ oder „Zeugin der Anklage“ mitgespielt und hier seine Soloprojekte „Der Henker“ und „Es lebe der Zentralfriedhof“ (ebenfalls mit Gesang) auf die Bühne gebracht – Wien mit dem Charme des Morbiden lässt immer noch schön grüßen. Und regelmäßig montags interpretiert Formanek im Imperial mit ehemaligen Musical-Kollegen den Rock ’n’ Roll in der Show „Buddy forever“ selbstironisch neu.

Intendant Thannhäuser schrieb die Liedtexte

Wie es aber zu „M“ als Musiktheater kam? Es muss vor einigen Jahren morgens gegen halb vier gewesen, erinnert sich Formanek. Er hatte beim Reeperbahn Festival, an dem sich das Imperial regelmäßig für Konzerte öffnet, mal wieder als Lichttechniker geholfen, als Thannhäuser noch mal ins Haus hereinschneite. Der Intendant und Regisseur erzählte von seiner Idee, Fritz Langs Werk von 1931 ins Theater zu bringen. Und Formanek von seinem Traum, mal selbst Lieder für ein Stück zu komponieren. „M“, noch immer ein Kriminalfilm-Klassiker, hat als einziges Lied eine gepfiffene Melodie aus der „Peer-Gynt- Suite­ No 1.“ von Edvard Grieg.

Nachdem Thannhäuser Textfassung und einzelne Liedtexte fürs Stück verfasst hatte, begann Formanek, nach und nach eigene Songs zu schreiben. Sie sollen bestimmte Stimmungen erzeugen oder noch verstärken. „Es war klar, dass Frank die Texte beisteuert“, erläutert der Komponist den Extrapart des Chefs. Sie sicherten sich beim Rechte-Inhaber ab, dem Thomas Sessler Verlag aus Wien. Danach schrieb Formanek neun Lieder mit Titeln wie „Der Rausch“, „Einer spuckt dich an“ und „Die Aussage“. Vom Walzer über Tango bis zur Rockballade sei alles dabei, meint Formanek: „Solch ein Projekt kann man nur an einem Haus machen, an dem lauter Verrückte arbeiten.“ Positiv Verrückte.

"M" im Imperial hat aktuelle Bezüge

Und Thannhäuser traute Marko Formanek auch die Titelrolle des Hans Beckert zu. In der Gestalt des psychopathischen Triebtäters, der mehrere Kinder umgebracht hat und dann außer von der Polizei noch von der kriminellen Halbwelt gejagt wird, ist der Schauspieler Peter Lorre auch fast 90 Jahre nach der Filmpremiere legendär. „Ich kann natürlich nicht so blicken wie Peter Lorre, aber wer kann das schon?“, fragt Formanek schelmisch. „Ich bin ein ganz anderer Typ.“ Er könne sich jedoch die Rolle zu eigen machen, indem er bewusst versuche, sich von der Filmfigur zu lösen. „Das ist für mich ein neuer künstlerischer Höhepunkt“, meint Formanek zu seiner Doppelfunktion als Komponist und Schauspieler.

Was die große Hysterie um die Hauptfigur Hans Beckert in „M“ – Eine Stadt sucht einen Mörder“ betrifft, sehen sowohl Formanek als auch Thannhäuser in Zeiten der viralen Shitstorms einige aktuelle Bezüge. Die herauszuarbeiten, daran wollen sie mit den Kollegen bei den Endproben noch arbeiten. Ebenso an den Gesangseinsätzen bei diesem ungewöhnlichen und gewagten Stück Musiktheater – selbst für ein Haus wie das Imperial auf St. Pauli. „Ohne dieses spannende und liebenswerte Krimitheater wäre Hamburg, wäre die Reeperbahn nicht mehr denkbar“, weiß auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Bei der Premiere indes muss er aus Termingründen passen.

Menschlich gesehen: Marko Formanek

Als hätte er diese Woche nicht genug um die Ohren: gestern letzter Kita-Tag mit Tochter Ella (6), heute deren Einschulung, dazu Endproben für „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ zum 25. Geburtstag des Imperial Theaters an der Reeperbahn. Marko Formanek freut es.

Menschlich gesehen: Marko Formanek
Menschlich gesehen: Marko Formanek © HA

Wenn die Bühnenfassung des Krimiklassikers mit der von ihm komponierten Musik am kommenden Montag ihre deutsche Erstaufführung erlebt, muss er indes eine ernste Miene aufsetzen, denn der 51-Jährige spielt auch die Titelrolle, einen Kindermörder. Als gebürtigem Wiener ist dem Schauspieler und Ex-Rockmusiker, der einst für „Buddy – das Musical“ im Theater im Hafen nach Hamburg zog, das Morbide fast immanent – eines seiner Solostücke im Imperial heißt „Der Henker“.

In dem kleinen Theater hat Formanek auch seine große Liebe gefunden: Julia jobbte an der Kasse. Seit 2007 wohnt der Anhänger des FC St. Pauli selbst in dem Stadtteil. „Als Österreicher bin ich Leid beim Fußball gewohnt“, sagt er in einem Anflug von Schmäh.

M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ deutsche Erstaufführung mit Musik, Mo 19.8., bis 22.2.2020, jew. Do–Sa, 20.00, Imperial Theater (U St. Pauli), Reeperbahn 5, Karten zu 21,- bis 40,-. T.: 31 31 14; www.imperial-theater.de