Hamburg. Die Privattheatertage eröffnen im Juni am Altonaer Theater mit der Bühnenfassung der ausgezeichneten „Spiegel“-Reportage.
Gescheitert? Von wegen. Martin Schulz hat Karriere gemacht. Gut, das mit der Kanzlerkandidatur – das war nix. Aber zum tragischen Helden einer preisgekrönten Reportage, dann eines Bestsellers und nun also auch eines Theaterstücks zu werden – das muss man als SPD-Politiker auch erstmal schaffen. „Die Schulz-Story“ nach dem mehrfach ausgezeichneten Text von „Spiegel“-Reporter Markus Feldenkirchen wird im Juni die achten Privattheatertage (PTT) in Hamburg eröffnen.
Regisseur Christof Küster, der in Altona bereits einen Joachim-Meyerhoff-Bestseller inszenierte, hat am Stuttgarter Studio Theater eine Bühnenfassung für sechs Schauspieler erstellt, die zum Auftakt des Festivals „ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz“ erzählt, wie der Untertitel verspricht. Die Schulz-Story – eine Komödie.
Es ist die erste von zwölf Produktionen, die in diesem Jahr von der „reisenden Jury“ ausgewählt wurden, jeweils vier Inszenierungen sind es in den Bereichen „(Moderner) Klassiker“, „Komödie“ und „(Zeitgenössisches) Drama“. 89 Aufführungen haben die neun Juroren insgesamt gesehen, ihr Weg führte sie 137.000 Kilometer quer durch die deutschsprachige Theaterlandschaft.
Die Bezuschussung ist darüber hinaus bis ins Jahr 2021 gesichert
„Als wir vor neun Jahren mit den Planungen der ersten Privattheatertage begannen, hätte ich nicht gedacht, dass wir so weit kommen“, gab Festivalleiter Axel Schneider bei der Programmvorstellung zu. In diesem Jahr kann er besonders gelassen sein, denn nicht nur wird das Festival erneut vom Bund gefördert, die Bezuschussung ist darüber hinaus bis ins Jahr 2021 gesichert.
Der Jahrgang 2019 wird ein besonders urbaner: Berlin ist zwar nur einmal vertreten (mit Gogols „Der Revisor“ vom Kleinen Theater am Südwestkorso), aber München ist gleich dreimal dabei, Stuttgart doppelt, Bremen ebenfalls. Hamburg schickt nur eine Produktion ins Rennen, was zum einen daran liegt, dass Axel Schneiders eigene Häuser, die Hamburger Kammerspiele und das Altonaer Theater, sich nicht am Wettbewerb beteiligen. Die Bewerbungen der anderen privaten Bühnen der Stadt waren eher übersichtlich. Das kleine Hoftheater aus Horn allerdings hat es in die Auswahl geschafft: „Herbstgold“ heißt die Komödie von Folke Braband, die in der Regie von Stefan Leonard am Altonaer Theater gastieren wird. Denn diese Spielregel gilt natürlich auch für ein Hamburger Theater: Kein Stück wird auf der Bühne gespielt, auf der es Premiere hatte.
Das Theater Kehrwieder ist zum ersten Mal Gastgeberbühne
Neben den Schneider-Bühnen im Grindelviertel, in Altona und in Bergedorf sind erneut das Winterhuder Fährhaus, das Monsun Theater, das Ernst Deutsch Theater und der Lichthof in Bahrenfeld als Gastgeberbühnen dabei. Hinzu kommen erstmals das Theater Kehrwieder, wo das Projekt „111 übern Berg“ aus dem Theater Die Färbe aus Singen gastiert, das Allee Theater und der Logensaal der Kammerspiele. „Chaim & Adolf“ heißt die Produktion, die dort (ausnahmsweise an zwei Abenden) gezeigt wird, eine „Begegnung im Gasthaus“ vom Theater Lindenhof, das aus Melchingen anreist.
Gleich zwei Arbeiten widmen sich dem Figurentheater: „Der Untergang des Hauses Usher“ nach Edgar Allen Poe kommt von der Bühne Cipolla, „Kleiner Mann, was nun“ nach dem Bestseller von Hans Fallada vom Figurentheater Mensch, Puppe – beide aus Bremen.
Aus München kommt ein zeitgemäßer Kommentar zur #MeToo-Debatte
Die Jury – zu der unter anderem der ehemalige Schauspielhaus-Dramaturg Michael Propfe sowie Jack Kurfess, zuletzt Geschäftsführer von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, gehören – hat sich für eine große thematische Bandbreite entschieden. „Wir haben unsere Klassiker auch ein bisschen danach angeschaut, wie aktuell sie heute noch sind“, erklärte Kurfess. „Törless“ nach dem Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Robert Musil zum Beispiel sei in der Inszenierung des Münchner Teamtheater Tankstelle ein sehr zeitgemäßer Kommentar zur #MeToo-Debatte.
Das Stück „Die Frau, die gegen Türen rannte“ von Roddy Doyle (eine Produktion des Bochumer Prinz Regent Theaters) ist für Michael Propfe „eine Art Prekariatsdrama“. Besonders angetan ist Propfe von der Darstellerin Kinga Prytula – kleine Bühnen und bislang unbekannte Schauspieler entdecken zu können, auch das ist ein Verdienst der Privattheatertage.
Die enden am 23. Juni mit der traditionellen Gala in den Kammerspielen, auf der die Monica-Bleibtreu-Preise in den drei ausgeschriebenen Kategorien verliehen werden. Eine Bühne, die bereits regelmäßig im PTT-Wettbewerb stand und schon drei Bleibtreu-Preise mit nach Hause nehmen konnte, ist in diesem Jahr nicht dabei: Die Bremer Shakespeare Company hatte ihr Stück „Angela I.“ zwar eingereicht. Merkel aber hat gegen Schulz den Kürzeren gezogen. Jedenfalls bei den Privattheatertagen.