Hamburg. “Vielfalt“ als Motto der neuen Spielzeit. Volker Lechtenbrink eröffnet die kommende Saison mit Shakespeares „Was ihr wollt“.
Für Toleranz, Vielfalt, Respekt. Gegen Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung. Noch bevor die Intendantin in ihrer offiziellen Saisonvorschau über Künstler, Stoffe und geplante Inszenierungen spricht, stellt Isabella Vértes-Schütter ihre klare gesellschaftliche Haltung in den Mittelpunkt, die immer auch die Haltung ihres Hauses spiegelt. Das Ernst Deutsch Theater steht für etwas, die Bühne positioniert sich. Das findet sich auch in der kommenden Saison im Spielplan wieder.
„Vielfalt“ lautet das Motto der Spielzeit 2019/2020, die Ende August mit einem Shakespeare beginnt: „Und welcher Stoff eignet sich da besser als ,Was ihr wollt’?“ findet Vértes-Schütter. Die „Gender-Komödie“, die mit der Vielfalt sexueller Projektionen und Identitäten spielt, sei außerdem das Lieblingsstück des Schauspielers und Regisseurs Volker Lechtenbrink. Lechtenbrink, der im Sommer seinen 75. Geburtstag feiert und sich das Stück am Ernst Deutsch Theater gewünscht hat, wird „Was ihr wollt“ zum Saisonauftakt gemeinsam mit Saskia Ehlers inszenieren und darin selbst den Narren spielen. Premiere ist am 22. August.
Orwells „1984“ wird Ende Oktober für einige Vorstellungen wieder aufgenommen
Bevor George Orwells „1984“ Ende Oktober für einige Vorstellungen wieder aufgenommen wird, geht es am Tag der Deutschen Einheit hochpolitisch weiter: „Weißer Raum“ heißt ein neues Stück des jungen Theaterautors Lars Werner (Jahrgang 1988), für das er im vergangenen Jahr den Kleist-Förderpreis für junge Dramatikerinnen und Dramatiker gewann. Regie führt Hartmut Uhlemann, Thema ist eine Verflechtung der rechtspopulistischen Bewegung mit der Gesellschaft und öffentlichen Institutionen. „Es war uns wichtig, einen solchen aktuellen politischen Stoff noch vor der Bürgerschaftswahl zu präsentieren“, betont Vértes-Schütter, die für die SPD in der Bürgerschaft sitzt.
In der kommenden Spielzeit wird sie übrigens erneut auch als Schauspielerin zu sehen sein: In der traditionellen Jahresend-Komödie, diesmal „Pension Schöller“ in der Regie von Harald Weiler, ist Isabella Vértes-Schütter als schrille Schriftstellerin besetzt. Premiere ist am 28. November.
Deutsche Erstaufführung von "Irrwege"
Eine deutschsprachige Erstaufführung feiert am 16. Januar Premiere am Friedrich-Schütter-Platz. Für „Irrwege“, ein Stück des Niederländers Haye van der Heyden, kehrt Judy Winter ans Ernst Deutsch Theater zurück, wo sie unter anderem mit Joachim Bliese auf der großen Bühne stehen wird. Mona Kraushaar, die sich schon mehrfach am Haus bewährt hat, wird in der kommenden Saison Georg Büchners „Leonce und Lena“ inszenieren, bevor Ende April 2020 auch die personelle Diversität dem Spielzeitmotto „Vielfalt“ gerecht wird: „Träum weiter“ heißt das Debüt-Stück der Drehbuchautorin Nesrin Şamdereli.
Die Drehbuchautorin Nesrin Şamdereli zeigt ihr Debütstück am Ernst Deutsch Theater
Für „Almanya – Willkommen in Deutschland“ hatte Şamdereli 2011 den Deutschen Filmpreis bekommen, „Träum weiter“ war im vergangenen Jahr eine Auftragsarbeit des Schauspielhauses Bochum und wird in Hamburg nun erstmals und in einer erweiterten Fassung von Mohammad-Ali Behboudi inszeniert. Mit „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ in der Regie von Anatol Preissler, der am Ernst Deutsch Theater zuletzt „Adel verpflichtet“ zeigte, verabschiedet sich das Haus schließlich in die Sommerpause. Es tanzen Gila von Weitershausen und Mark Weigel.
Leichter Abo-Schwund
Wie alle Bühnen vermeldet auch das Ernst Deutsch Theater einen leichten Abo-Schwund, mit rund 5000 Abonnenten habe das Haus jedoch „eine solide wirtschaftliche Grundlage“, so der Kaufmännische Geschäftsführer Jens-Peter Löwendorf. Um Nachwuchs sorgt sich das EDT derzeit nicht: Schülerinnen und Schüler sowie Studierende und Auszubildende machen mittlerweile 20 Prozent des Publikums aus. Dafür allerdings tut das Theater auch einiges.
Neben dem Weihnachtsmärchen (in diesem Jahr: „Hans im Glück“), der traditionellen „Einsteiger-Droge“ an nahezu jeder Bühne, die der Bilanz an dieser Stelle eine Auslastung von fast 99 Prozent bescherte, sind Jugendliche in der Sparte „plattform“ selbst aktiv. Poetry Slam gehört ebenso selbstverständlich zum Portfolio wie die mittlerweile am längsten laufende Reihe des Hauses, „Theater! Theater!“ von und mit Matthias Wegner. Zu Gast sind in der Saison 2019/20 unter anderem Barbara Auer, Victoria Trauttmansdorff und Burghart Klaußner.
Der Diskurs soll hier über den Theaterbesuch hinaus geführt werden
„Wir verstehen unser Theater als offenen Ort der Begegnung“ erklärt Isabella Vértes-Schütter. Den Diskurs darüber, „wie wir miteinander leben wollen“, will man hier auch über den Theaterbesuch hinaus weiter entwickeln.