Hamburg. Die norwegische Geigerin Vilde Frang und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin beweisen das Gegenteil.

    Die Akustik sei zwar klar und durchsichtig, aber auch studiomäßig trocken und deshalb etwas steril: So lautet ein gängiger Vorwurf derjenigen Menschen, die nicht die Lobeshymnen im großen Chor der Elbphilharmonie-Fans mitsingen. Doch stimmt das überhaupt? Nach dem umjubelten Auftritt des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin mit Robin Ticciati und der famosen Solistin Vilde Frang muss man wieder mal ganz klar sagen: Nö. Zumindest nicht, wenn der Saal den richtigen Input bekommt.

    Der schlanke, filigrane Klang der norwegischen Geigerin fand im Violinkonzert von Beethoven genau die Resonanz, die ein Streichinstrument braucht, um seinen Zauber zu entfalten. Als hätte jeder Ton einen kleinen Sternschnuppenschweif. Auch die Konturen des Orchestersounds wirkten nicht abgeschnitten, wie mitunter geklagt wird, sondern organisch modelliert.

    Intime Lesart des Beethoven-Konzerts

    Die Interpreten nahmen das Angebot des Raums dankend an und erfreuten sich und die Hörer mit einer besonders intimen Lesart des Beethoven-Konzerts. Vilde Frang – schon mehrfach im der Elbphilharmonie zu Gast – weiß genau, dass der Saal auch die leisen und die ganz leisen Töne trägt, und wagte sich oft und gern ins Flüsterreich des Pianissimo, um Beethovens Nuancenreichtum zu ergründen.

    Und Robin Ticciati, der junge Chef des Orchesters, bettete ihren Part in ein Gewebe von kammermusikalischer Transparenz, in dem die Holzbläser immer wieder den Dialog mit der Geige suchen. Vor allem der Solofagottist Jörg Petersen verzückte hier mit instrumentaler Sensibilität und noblem Klang. So hört man das Stück selten. Lyrisch. Verletzlich. Aber auch leicht und tänzerisch, wenn Vilde Frangs Bogen im Finale über die Saiten hüpft wie ein quirliges Elfenwesen.

    Ticciati versprühte Temperament

    Aus einer ganz anderen, einer „neuen“ Welt kam danach die neunte Sinfonie von Antonin Dvorak. Das Deutsche Symphonie-Orchester klang nun massiger, breiter und zu Beginn auch noch etwas träger als zuvor. Es dauerte ein paar Takte, bis das nun üppiger besetzte Ensemble richtig zusammengefunden hatte und den Ideen seines Chefs geschlossen folgte. Ticciati versprühte Temperament, ohne zu übertreiben, er gab dem wehmütigen Gesang des Englischhorns im langsamen Satz Zeit zum Atmen und formte weite Spannungsbogen.

    Alles lebendig, schön und stimmig – aber vielleicht nicht mehr ganz so besonders, so zum Dahinschmelzen außergewöhnlich wie noch vor der Pause. Nur im Trio, dem Mittelteil des Scherzos, wo sich die Musik mit melancholischem Schwung nach innen kehrt, erreichte das Konzert noch einmal denselben Beglückungsgrad wie bei Beethoven.

    Darauf schien auch der Saal zu reagieren und strahlte noch eine Extraportion jener Wärme ab, die er vermeintlich gar nicht hat. Wer ihn richtig zu bespielen weiß, bekommt eben auch eine Menge zurück.