Auch ohne Ticket lässt sich die Atmosphäre des Reeperbahn Festivals noch zwei Tage lang genießen.

Nicht alle Kiezbesucher waren und sind auf das Reeperbahn Festival eingestellt, das sah man bereits am Mittwoch und Donnerstag einigen Bummlern an, die auf dem Weg zum Musical, zum Theater oder zum Einkauf in der Boutique Bizarre unterwegs waren. Teilweise neugierig, teilweise überrascht mischten sie sich in den Strom zahlloser internationaler Musiker und Pop-Branchenvertreter, die mit baumelnden VIP-Ausweisen vor Bars und Clubs fachsimpelten oder mit den Festival-Konzertbesuchern in den Schlangen vor den Auftrittsorten warteten. „Ja, was ist hier los?“

Der Rock ist los. Noch bis zum Sonnabend gehen mehr als 200 Konzerte über 60 Bühnen, und die beiden finalen Tage sind traditionell die, an denen das Festival auf Höchsttouren läuft. Für Kurzentschlossene gibt es noch Ein- und Zweitagestickets an den Festivalkassen auf dem Spielbudenplatz. Aber auch wer nur mal reinhorchen will oder nicht Zeit für zwei lange Abende hat, findet eine gute Portion Rock ’n’ Roll für Zwischendurch, Appetithappen, die vielleicht spontan Lust auf mehr machen. Und keinen Cent kosten!

Der Spielbudenplatz ist das quirlige Herz des Reeperbahn Festivals. Eine ganze Flotte von Foodtrucks und Gas­troständen ist hier aufgefahren, um dem Körper das zu geben, was er braucht beim Marsch um die Häuser oder beim Spurt vom Mojo Club am oberen Ende der Reeperbahn zum Molotow am unteren. Bierchen und ernsthafte Drinks gibt es natürlich auch. Und Musik, Kunst, gute Stimmung auch für Kiezgänger ohne Festivalticket.

Auf der Astra-Bühne „Zur geilen Knolle“ auf dem Spielbudenplatz, sprich oben auf einem Container, präsentieren sich am Freitag und Sonnabend jeweils zwei Bands. Am Freitag steigt Poor Name­less Boy (17 Uhr) alias Joel Henderson aufs Dach und sieht dort oben mehr Menschen als in seiner kanadischen Heimat Estevan, Saskatchewan. Gute Aussichten für filigrane Songwriter-Perlen voller Märchen und Alltagsbeobachtungen. Danach folgt Ruhrpott-Wuschelkopf Tristan Brusch (19 Uhr), dessen gesungene Bitte „Bleib doch einfach hier“ sicher nicht auf taube Ohren stößt. Mal sehen, ob er danach, wie auf Facebook angekündigt, Zuckerwatte verteilt. Am Sonnabend übernimmt die von den Färöer Inseln stammende Folk-Sängerin Konni Kass (15 Uhr) die Knolle und reicht sie an das französische Rock-Trio Cold Silvers (17 Uhr) weiter.

In Sicht- und Hörweite der geilen Knolle steht der NJoy Reeperbus, an dem am Freitag und Sonnabend täglich zwischen 14 Uhr und 21 Uhr bis zu zehn ausgewählte Acts aus dem Festivalprogramm für Live-Sets mit kleinem Soundbesteck vorbeischauen. Die treten wohlgemerkt vor dem Bus auf. Aber es gibt auch eine Band, die spielt in ihrem eigenen, klassischen amerikanischen Schulbus auf dem Spielbudenplatz. Auf engstem Raum eingepfercht verwandeln die niederländischen Ska-Punk-Jungs The Bazzookas ihren Karren mehrmals täglich in eine dampfende Rocksauna, am Freitag um 20.15, 21.15 und 22.15 Uhr und am Sonnabend um 19.30, 21.15 und 22.15 Uhr.

Und wenn man sich schon auf dem Spielbudenplatz eingefunden oder verirrt hat (der Kiez eben), dann ist ein Abstecher zur „Flatstock Europe“-Posterconvention Pflicht. Künstler aus der ganzen Welt stellen hier ihre in Kleinstauflagen hergestellten Konzertposter mit fantastischen Designs für ebenso fantastische Bands zum Schauen und Kaufen aus. Und es ist wirklich alles dabei, von Bosse bis Queens Of The Stone Age.

Auch abseits des Kiezes taucht das Reeperbahn Festival auf. Zum Beispiel bei den „Eatery Sessions“: Am Freitag spielt die Hamburger Pop-Chanteuse Vivie Ann in der Kaffee-Rösterei Kopiba (Beim Grünen Jäger 24, 15 Uhr), und am Sonnabend besuchen die Hamburger Psychedelic-Rocker Consolers das Café Amphore (St. Pauli Hafenstraße 140, 13 Uhr) . Köstlich.

Reeperbahn Festiva l Fr 23.9., Sa 24.9., Tagestickets ab 40,- (Fr), 45,- (Sa), Zweitagestickets ab 72,- (Fr+Sa) im Vorverkauf und an den Tageskassen auf dem Spielbudenplatz (geöffnet 10.00-24.00), www.reeperbahnfestival.com