Viel Volk, viel Kunst und ein vielversprechender Nachtauftakt: So beginnt die elfte Ausgabe des Newcomerfestivals auf dem Kiez.

Einfach losgehen und losgehen lassen, Licht an, Verstärker laut, keine großen Worte verlieren. Ab dafür. So beginnt am Mittwoch das elfte Reeperbahn Festival. Auf eine offizielle Eröffnung mit warmen Worten von Ersten oder zweiten Bürgermeistern wird im Gegensatz zu den Vorjahren dieses Jahr verzichtet, es bestünde kein besonderes Interesse, wie es aus Festivalkreisen heißt. Stattdessen wird einfach das gemacht, was St. Pauli im Dreieck zwischen Millerntor, Nobistor und Feldstraße am besten steht.

Über 400 Konzerte von zumeist noch unbekannten Bands aus aller Welt, Präsentationen von popaffiner Kunst, Film und Literatur und das Geflüster der internationalen Delegierten zahlreicher Plattenfirmen, Tourneeveranstalter, Booker und weiterer Pop- und Web-Netzwerker vereinen sich vier Tage und Nächte lang zu einem Grundrauschen, das den üblichen Kiezalltag zwischen Milieu und Musicals, Party und Porno, Saufen und Raufen, Halli und Galli nicht überdeckt, sondern begleitet und bereichert.

Bleiben oder gehen? Frage der Fragen beim Reeperbahn Festival

Bereits am Mittwochnachmittag erklingen die ersten Töne auf dem Spielbudenplatz, als sich der britisch-dänische Soul-Pop-Songschreiber Alex Vargas solo mit Gitarre für drei Songs auf das zwei Meter breite Bühnchen am NJoy Reeperbus zwängt. Die besonders Frühen unter den über 30.000 erwarteten Festivalbesuchern holen ihre Bändchen ab, der Kiez holt noch Luft (sprich es riecht noch nicht streng) und die Poster-Aussteller der „Flatstock Europe“-Stände ziehen sich eine Jacke extra an. Weitere Kunst entsteht ein paar Meter weiter an der abgehängten Baustelle des Esso-Häuser-Areals, wo eine Drohne Farbbeutel an die Wand klatscht. Sieht aus wie ein Autonomen-Besuch.

Alex Vargas am Mittwochabend im Docks
Alex Vargas am Mittwochabend im Docks © HA | Roland Magunia

Kunst muss ja nicht gut aussehen. Aber gut klingen. Als Vargas auf der großen Bühne im gut gefüllten Docks auftritt, nimmt das Festival Fahrt auf, Tempo und Gestalt. Jetzt kommen Licht, ein zweiter Gitarrist und tief pumpende Bässe, Clubbeats und weitere im Knien wild gedrückte Effekte zu seiner bemerkenswerten Stimme. Ein viel versprechender Nachtauftakt. Wenige Meter weiter im Mojo Club geht es mit der Umarmung analoger und digitaler Klänge weiter. Das mit Liveschlagzeuger anrückende Kölner Duo Vimes ist melodiös, deep groovend, tanzbar und damit viel zu früh dran. Bleiben oder gehen? Zu Bishop Neru ins Moondoo oder zu Nothing in die Molotow SkyBar oder doch zu Hearts Hearts ins Häkken? So viel zu erleben heißt noch viel mehr zu verpassen. Mal sehen, wohin man sich verläuft, denn es geht bis Sonnabend überall was. Los!