Hamburg. Schauspieler Uwe Bohm über seine Rolle in der Roman-Adaption „Bonjour Tristesse“, die heute im St. Pauli Theater Premiere hat.
Er hat immer noch das gleiche freche Jungsgesicht wie 1987, als er als Andi im gleichnamigen Rock-Musical über die Schauspielhausbühne tobte. Die Musik machten damals die Einstürzenden Neubauten, laut wie „ein abhebender Düsenjet“, so hatte es Peter Zadek im Programmheft angekündigt. Für die Zuschauer gab’s kostenlos Ohrstöpsel.
Uwe Bohm, ganz Hamburger Jung und Adoptivsohn des Regisseurs Hark Bohm, ist inzwischen 53 Jahre alt. Damals, als sein nackter Hintern Gottfried Helnweins Plakat zur Aufführung bebilderte, konnte man ihn in der ganzen Stadt sehen. Bohm war später in Hamburg auch in „Lulu“ oder „Bash“ zu erleben, spielte am Wiener Burgtheater und am Berliner Ensemble, wo er derzeit unter Leander Haußmanns Regie den Werschinin in Tschechows „Drei Schwestern“ probt. Nun kommt er aber erst einmal mit „Bonjour Tristesse“ ans St. Pauli Theater.
So haben Sie Theater- und Opernbühnen noch nie gesehen
Als der Roman „Bonjour Tristesse“ der erst 18-jährigen Françoise Sagan 1954 erschien, brachte er der Autorin Weltruhm ein. Und Kritik. Sie galt der angeblichen Unmoral des Werks, in dem die 17-jährige Cecile ihre Sexualität ohne Schuldgefühle auslebt. Auch Vater Raymond wechselt ständig die Frauen. Die junge Generation ist egoistisch, die ältere kein Vorbild. Der kulturelle Wandel des Bürgertums, das sich befreit, Emanzipation und Gleichberechtigung – all dies steckt im Text.
Hamburger Abendblatt: Jung und Alt, jeder will sich amüsieren. Klingt wie ein Stück von heute, oder?
Uwe Bohm: Ja. Es ist zeitlos. Raymond hat Geld, es geht ihm gut, das ist seine Welt. Seine Tochter ist sein Schatz, er versteht sich gut mit ihr. Die beiden haben eine ganz enge Beziehung, sind ein Team.
Kennen Sie so etwas aus Ihrem eigenen Leben?
Bohm: Ich habe fünf Kinder. Man versucht ja immer, alles richtig zu machen, aber es gelingt oft nicht. Cecile im Stück ist im Internat, ihre Mutter ist tot. Ich war als Kind im Heim. Meine Eltern hatten sich getrennt, konnten mich nicht aufziehen. Ob man nun im Internat oder im Heim ist, der Verlust der Eltern ist sehr schmerzhaft. Man muss zusehen, wie man überlebt, wird gezwungen, früh erwachsen zu werden. Cecile ist reif und hat große Sehnsucht nach ihrem Vater. Plötzlich kommt eine andere Frau in ihr gemeinsames Leben, Anne. Der Vater ist in einem Alter, in dem man umschalten möchte. Auch das kenne ich. Ich bin jetzt 53.
Raymond möchte heiraten.
Bohm: Das führt zu einem Desaster.
Cecile sieht ihren Lebensstil bedroht.
Bohm: Aber Raymond und Anne sind bald 50. In diesem Alter blickt man anders aufs Leben. Das kommt automatisch, dagegen kann man sich nicht wehren. Es ist aber immer ein großes Thema, sich mit einer Beziehung und einem Kind auseinanderzusetzen. Er hat sich wahrscheinlich schon seit Längerem innerlich davon verabschiedet, wie er bisher gelebt hat. Nur seine Tochter kann das nicht einsehen.
Cecile müsste dann in einer Patchworkfamilie leben. Warum ist sie darüber so sauer?
Bohm: Weil man sich eben doch nicht so schnell mit neuen Situationen abfindet. Leider geht es in vielen Familien oft um Rache, es herrscht Krieg.
Kannten Sie den Roman?
Bohm: Nein. Aber als ich ihn gelesen habe, war ich fasziniert und erstaunt darüber, dass die Autorin den Generationskonflikt, mit dem wir immer wieder konfrontiert werden, so auf den Punkt gebracht hat. Das sehe ich auch an meinen Kindern. Ich entdecke an mir nun auch, wie sich das als Vater anfühlt. Es ist vielleicht auch ein Glück, in meinem Alter diese Rolle zu spielen.
Raymond ist ein großer Charmeur, will jede Frau erobern.
Bohm: Das gelingt ihm immer.
Wie spielt man einen Charmeur?
Bohm: Raymond versucht, die Dinge zu klären. Aber der Zug ist schon abgefahren. Er hat sich nicht mehr im Griff, trinkt zu viel. Er verliert den Boden unter den Füßen. Er liebt seine Tochter, sie will aber nicht, dass sich was ändert.
Ist er am Ende froh, dass es mit einer Heirat nicht klappt? Oder verzweifelt, weil seine letzte Chance auf ein anständiges Leben vertan ist?
Bohm: Nein. Er ist verloren. Eine Ehe mit Anne hätte wohl auch nicht geklappt. Eine Beziehung zu führen, das wissen wir doch alle, ist hohe Kunst. Bei wem funktioniert das denn schon?
Sie sind Hamburger durch und durch ...
Bohm: Hier geboren, 1962 in Wilhelmsburg. Drei Wochen später kam die Flut.
Vermissen Sie Hamburg in Berlin?
Bohm: Ja klar! Ich bin hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mein Sohn Jim geht aber in Berlin zur Schule. Und ich bringe ihn morgens gerne hin.
„Bonjour Tristesse“, Premiere heute 20.00, weitere Aufführungen 13.11.–15.11. und 20.11.–22.11., St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30, Karten zu 17,70 bis 43,-, T. 47 11 06 66