Hamburg. Am St. Pauli Theater feiert die kubanische Tanz-Show „Lady Salsa“ eine fulminante Premiere - mit nur einem kleinen Wermutstropfen.

Ist es nicht ein Wunder, dass ein paar Kubaner es schaffen, die sonst recht steifen Hanseaten innerhalb von fünf Minuten zum Kreischen zu bringen? Im St. Pauli Theater ging schon beim zweiten Lied der neuen Sommer-Show „Lady Salsa“ der Deckel hoch – und bis zum Schluss nicht mehr zu.

Die breit lächelnde, umwerfend charmante Lady Siomara Valdes Les­cay, weit über 70, schreitet die Show-Treppe hinunter, die qualmende Havanna zwischen zwei Fingern, ihre tiefe Stimme tönt rauchig, kratzig, kerlig, samtig, und sie feuert in all ihrer strahlenden Lässigkeit das Publikum an. Salsa, das heißt auch Anheizen, Aufstacheln und die Hüften wackeln lassen, kreisrund statt links-rechts.

Als Klammer zwischen lauter fantastisch und darüber hinaus auch noch präzise getanzten Nummern, zwischen Salsa, Rumba, Mambo und Cha-Cha-Cha, erzählt die alte Lady ihre Lebensgeschichte. Sie beginnt damit, dass sie als hoffnungsvolle junge Garderobiere im Club Tropicana dem berühmten Baseballer Changa ihr erstes Lied vorsingt und wenig später die einmalige Chance erhält, aus dem Stand die legendäre Celia Cruz zu ersetzen.

Die Erzählerrolle hat der singende Leo Almaguer, der allerdings fernsehformatiger und glatter auftritt als die Lady und sie leider auch am Mikro übertönt. Das ist der einzige kleine Wermutstropfen in dieser Show, dass die mit sechs formidablen Musikern bestückte und überdies auch traumwandlerisch gut singende Band zu laut verstärkt wird und die Duette technisch nicht ganz ausbalanciert sind.

Hinreißend, fetzig, akrobatisch und außerdem künstlerisch und technisch auf hohem Niveau tanzen die neun bildschönen Tänzerinnen und Tänzer in der Gruppe, zu zweit, zu dritt, in ständig wechselnden, komplizierten Formationen. Was man hier sieht, ist manchmal näher am Modern Dance als am Turniertanz, und einmal vermittelt der Choreograf Roclan Gonzales Chaves auch ein Gefühl für die tiefen afrikanischen Wurzeln der Tänze und der Musik. Ähnlich wie beim US-amerikanischen Blues haben die Sklaven in den (Zuckerrohr-)Plantagen Salsa und Rum­ba entwickelt, begleitet von Trommeln und Klatschen. Es mischen sich Fruchtbarkeits-Rituale, Balztänze, Wettstreit und bodenverbundener, schnell variierender Gruppentanz - hier zeigen Chaves und die Tänzer ihre ganze Meisterschaft. Getanzt werden Rumba und Salsa bis heute in den Straßen Havannas.

Luna Manzanares spielt die junge Lady Salsa, und wir spüren: Die Fußstapfen der alten Dame sind ihr nicht zu groß. Sie hat die Songs der großen alten Jazz-Ladys eingeatmet, aber dann öffnet sie in „Summertime“ den Blues und macht daraus einen Swing, umwölkt von lauter coolen eigenen Ornamenten. Und eins noch: Der fast totgesungene Schmachtfetzen „Bésame Mucho“ – Luna Manzanares singt dieses Lied wieder so, dass es uns richtig ergreifen kann und wir mitten drin sind in dem ewigen Reigen von Sehnsucht, Hitze und süß lastender Traurigkeit.

„Lady Salsa“ bis 12.7., 20 Uhr, Di und Do, 19 Uhr. St. Pauli Theater. Kartentelefon: T. 47 11 06 66