Hamburg. Am St. Pauli Theater feiert morgen die Revue „Höchste Zeit“ Premiere. Ein Interview mit Regisseurin Gerburg Jahnke.
Vor fünf Jahren inszenierte Gerburg Jahnke mit einem kräftigen Händchen für Komik am St. Pauli Theater die Wechseljahresrevue „Heiße Zeiten“. Vier Frauen sangen da von Klimakterium, Karriere und Krisen, lauter Klischees, die selbstironisch konterkariert wurden. Und das Publikum lachte sich schlapp. Bis heute tourt die Show quer durch den deutschen Sprachraum. 250.000 Zuschauer haben sie inzwischen gesehen.
Mit „Höchste Zeit“ steht nun die Fortsetzung des Stückes auf dem Programm des St. Pauli Theaters. Premiere ist am 30. Juli. Wieder inszeniert Gerburg Jahnke, wieder hat Anna Bolk die Liedtexte geschrieben, wieder spielen vier Musiker, Jan Christof Scheibe hat die musikalische Leitung und wieder treffen die Hausfrau, die Junge, die Karrierefrau und die Vornehme im Stück aufeinander. Auch das Ensemble ist weitgehend gleich geblieben. Diesmal geht es um die Ehe oder besser: um das Schönste daran, die Hochzeit.
Zwischen Freudentränen und Panikattacken sehen sich die Vier mit existenziellen Fragen konfrontiert: Gibt es den perfekten Partner? Wie funktioniert eine gute Ehe? Und: Warum macht mir der Mistkerl keinen Heiratsantrag? Im Übrigen sorgen eine erotische Begegnung im Hotelfahrstuhl, ein verschwundener Bräutigam und jede Menge Champagner für viel Aufregung und Situationskomik. Wir sprachen mit der Regisseurin Gerburg Jahnke, die seit knapp 30 Jahren auch selbst als Kabarettistin auf der Bühne steht.
Hamburger Abendblatt: Worum geht es den Frauen – immer um die Männer?
Gerburg Jahnke: Na ja, die Hausfrau in ihrer traditionellen Ehe möchte beispielsweise einen kleinen Job annehmen. Ihr Mann will das nicht. Die junge Frau hat endlich ein Kind bekommen, aber ihr Freund hat sie immer noch nicht gefragt, ob sie ihn heiraten will. Sie wartet verbissen. Die Vornehme lebt in Scheidung, sucht Romantik, Liebe. Wir haben vier verschiedene Varianten: Vor der Ehe, in der Ehe, nach der Ehe und die Frage, ob man überhaupt eine Ehe will. Über das Thema Ehe hat ja wirklich jeder etwas zu sagen. Und es ist fast alles schon gesagt worden. Mir ist es wichtig, die unterschiedlichen Haltungen herauszuarbeiten. Ich möchte mich über nichts lustig machen, aber lustig soll es werden.
Es wird im Stück reichlich gestritten und viel gesungen. Wie wählen Sie die Lieder aus?
Jahnke: Man überlegt, worüber die Frau in dieser Situation singen würde, welches Lied zu ihrem Thema passt. Wir haben im Stück rund 20 Lieder. Alle neu getextet, so dass sie zur jeweiligen Situation passen. Die englischen und amerikanischen Plattenverlage wollen wissen, was im neuen Inhalt vorkommt. Wir müssen das ins Englische zurück übersetzen und ihnen schicken, bevor wir das Okay bekommen, dass wir die Songs verwenden dürfen. Außerdem kann man nicht alles singen. Also, bevor so ein Lied mit Text steht, müssen wir ziemlich herumfrickeln.
Welche Lieder kommen vor? Auch etwas von Howard Carpendale, der im Stück zufällig im Hotel wohnt ...?
Jahnke: Ja, Lieder von Carpendale „Ti amo“, das er auch interpretiert hat und „Living Next Door To Alice“, dann „Girls, Girls, Girls“ und „Tainted Love“, Whitney Houstons „One Moment In Time“, Edith Piafs „La Foule“ oder Anastasias „Heavy On My Heart“. Bei Coversongs erkennen die Zuschauer instinktiv die Botschaft, das Gefühl. Musik ist ein tolles Gleitmittel.
Apropos Gleitmittel, ist der Text anzüglich?
Jahnke: Sehr gemäßigt. An diesen Stellen kreischen die Zuschauerinnen gern. In Hamburg liebt man Anzüglichkeiten, die nicht unter die Gürtellinie gehen. Aber der Text eignet sich für viel mehr. Es gibt schöne Stellen für Kabaretteinlagen.
Was fügt die Choreografie hinzu?
Jahnke: Sie erzählt, wie ernst oder unernst es mit einer Sache ist. Man sieht etwas, man hört etwas, aber die Choreografie sagt vielleicht etwas ganz anderes. Unsere Choreografin Susanne Hayo, die auch die Braut spielt, kommt vom klassischen Ballett, wo Tanz und Bewegung den Inhalt eines ganzen Stücks ohne Worte erzählen.
Was ist am schwierigsten, wenn man so eine Revue inszeniert, Text, Lieder, Spiel zusammenzubringen? Timing, Gags?
Jahnke: Alles. Und viel, viel mehr. Am schwierigsten ist es, einen Bogen zu schaffen, der nie abbricht, sich steigert. Jede Figur muss einen nachvollziehbaren Weg gehen. Nie etwas erzählen, bei dem die Zuschauer nicht mitkommen. Und nie langweilen. Es ist ja ein Unterhaltungsabend, eine Komödie.
Wie entsteht die Komik?
Jahnke: Es ist so schwer. Voraussetzung ist Präzision und strenges Timing. Wann reicht ein Blick? Wann braucht man Worte? Wie sehr darf man sich auf eine Pointe draufsetzen? Wie lang darf die Pause sein? Am besten probiert man es natürlich mit Publikum aus, aber das geht vor der Premiere nicht. Und vor allem braucht man Mut, etwas zu machen und etwas auszuhalten. Man muss das Publikum lieben, es mitnehmen. Wer nur etwas zeigen oder beweisen will, den liebt das Publikum nicht.
Höchste Zeit St. Pauli Theater (Spielbudenplatz), 30. Juli bis 13. September, Karten gibt es bei der Abendblatt-Ticket-Hotline : 30 30 98 98