Hamburg. Der Altmeister des Folkrock als Crooner: Wie Bob Dylan, 74, die Hamburger umschmeichelte – und dabei etwas irritierte.
Nach 73 Konzerten in diesem Jahr hat der Meister doch tatsächlich geschwächelt. Bob Dylan, 74, hat den Auftritt in Rouen (Frankreich) abgesagt, bevor es weiterging für drei Abende in Amsterdam und dann ab mit den beiden Tourbussen und den Gitarren im Truck nach Hamburg.
Darauf folgen in Europa unter anderem noch Düsseldorf, Basel, Bologna, Mailand... Oder hat das Publikum in Rouen geschwächelt? War, wie gerüchteweise unter Dylanlogen und Konzertreisenden im Internet kolportiert, die Halle nur halb verkauft? In Hamburg spulte Bob Dylan am Montagabend in der Sporthalle sein neues Programm aus alten Songs von Frank Sinatra, einigen seines letzten Albums "Tempest" und einer Handvoll Dylan-Klassiker mit der wohligen Routine eines alternden Crooners ab.
Er sang nicht, er schluchzte und schmalzte und schnulzte wie die dominante Steel Guitar. "What'll I do" oder "I'm a fool to want you" waren zuckrige Kringel für das erstaunte Dylan-Volk. Großer Beifall für das runde Timbre des scheuen Rehs. Ganz neu: Ohne jede ironische Hebung am Zeilenende trägt seine Stimme allein die wie gewohnt brillante, aber total zurückhaltende Band. Manchmal hätte man sich ein Solo hier, einen musikalischen Kringel da gewünscht. Warum wurde Gitarrist Charlie Sexton nicht einmal von der Kette gelassen?
Bob Dylans Setlist und weitere Infos finden Sie hier
Der ansonsten minimalistische Dylan lebte am Flügel richtig auf. Noch ein Spritzer Esprit mehr – und Old Bob wäre wie der "Killer" Jerry Lee Lewis oder Fats Domino mit dem Grand Piano über die Bühne gehoppelt. Die Zeiten ändern sich („The times they are a-changing“). In Hamburg eher: Die Zeiten haben sich geändert. „Things have changed“ ist der Opener.
Bob Dylan prügelt seinen oscar-gekrönten Neoklassiker zum Warmwerden herunter. Er ist auf der Durchreise und wird später noch Zeit zum Säuseln haben. „Don't get up, gentlemen, I'm only passing through.“ Eine Zeile, die sitzt. Sein "Tangled up in blue" hat er entschlackt und neue Strophen dazugedichtet. Kann man machen.
Unter den 3500 lässt es etwas Irritation zurück. Im zweiten Teil geht es bluesig und wieder balladig zu. Dylan gibt sich sehr geschmeidig, nur selten kommt in Sound und Stimme der Kettensägenrost durch. Anders als bei seinen letzten beiden Hamburg-Auftritten im CCH, als er die Setlist herunterkeuchte, macht er 90 Minuten auf Harmonie. "Blowin' in the wind" und "Love sick" als Zugaben runden den Abend wieder dylanmäßig ab. Sinatra ist gegangen, Bob bleibt.
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