Wer sich seit Jahrzehnten auf einer „Never Ending Tour“ befindet und zudem eine popkulturelle Bedeutung wie Bob Dylan hat, über den ist irgendwann so ziemlich alles gesagt. Von so ziemlich jedem. Endlose Meter Sekundärliteratur gibt es zum alten Grummler, dazu eine schier unübersehbare Zahl von offiziellen und weniger offiziellen Albumveröffentlichungen. Kann da noch was kommen? Es kann. Und zwar ein Buch, mit dem es sich perfekt auf das Sporthallen-Konzert am 9. November vorbereiten lässt. „Alle Songs“ heißt das mehr als 700 Seiten starke Werk von Philippe Margotin und Jean-Michel Guesdon, das Hintergründe zu 492 Songs bietet und sich das Eigenlob „Eine Bibel für alle Fans!“ durchaus verdient hat.
Wer – dank der Website setlist.fm – weiß, was Dylan in Hamburg (vermutlich) spielen wird, kann gleich losstöbern und etwa erfahren, dass der Opener „Things Have Changed“ aus der US-Komödie „Wonder Boys“ stammt und sowohl mit einem Oscar als auch mit einem Golden Globe als „Bester Originalsong“ ausgezeichnet wurde. Über „Duquesne Whistle“, später im Set geplant, heißt es, nie habe Dylans raue Stimme so gut geklungen, wie bei diesem Song aus dem 2012 veröffentlichten Album „Tempest“. Zum Klassiker „Tangled Up In Blue“ erfährt der Leser, dass er erstmals am 13. November 1975 live gespielt wurde – und seitdem mehr als 1500 Mal. „Auch das ist das Genie von Bob Dylan“ heißt es im Vorwort des Buches. „Jeder findet einen Song, der ihn berührt, in Dylans großem Repertoire.“ Und tatsächlich ist es genau so: Für manchen bleibt die Antikriegshymne „Blowin’ In The Wind“ auf ewig mit Emotionen aufgeladen und hat auch 40 Jahre nach Ende des Vietnamkriegs nichts von seiner Bedeutung verloren. Für andere ist die Delta-Blues-Hommage „High Water (For Charley Patton)“ unverzichtbar, weil sie sich nicht nur auf das Mississippi-Hochwasser von 1927 bezieht, bei dem etwa 200 Menschen starben, sondern auch ganz grundsätzlich vor Augen führt, wie klein der Mensch doch angesichts der Naturgewalten ist. Eine von den vielen ewigen Wahrheiten, die Dylan in seinen Songs ausspricht.
In der Sporthalle dürfen allerdings nicht nur Dylan-Originale erwartet werden, schließlich hat der Meister zuletzt mit „Shadows In The Night“ seine Sicht auf das Great American Songbook veröffentlicht, zugleich eine Hommage an Frank Sinatra, dessen 100. Geburtstag am 12. Dezember gefeiert wird, und der all diese Klassiker gesungen hat – etwa „The Night We Called It A Day“ oder „All Or Nothing At All“. Auch hierzu finden sich in „Alle Songs“ Hintergrundinfos.
Ausgemachte Dylanologen werden vieles schon wissen, die Infos gibt es auf zahlreiche Buch-Veröffentlichungen verteilt, bei ausdauernder Recherche auch im Internet. Doch wer alles an einem Ort haben möchte, dem ist dieser Wälzer eine echte Fundgrube. Seit 1960 erleuchte und erkläre Dylan die Welt, schreiben die Autoren. Das mag hochgestochen klingen, doch schon beim ersten Durchblättern und Querlesen ist man geneigt, ihnen zuzustimmen.
Bob Dylan Mo 9.11., 20 Uhr, Sporthalle, Krochmannstraße 55, Karten zu 69,80 bis 89,80 Euro im Vorverkauf und an der Abendkasse