Der Hamburger Autor Tino Hanekamp und die Regisseurin Maria Magdalena Ludewig haben einigen jungen, reichen Erben in die Köpfe geschaut. Jetzt präsentieren sie mit „Born Rich“ das Ergebnis auf Kampnagel.

Bei reichen Leuten auf dem Sofa sitzen und in ihre Köpfe schauen. Wer wollte das nicht manchmal? Der Hamburger Autor Tino Hanekamp und die Regisseurin Maria Magdalena Ludewig haben genau das getan. In namhaften Dynastien geforscht und Erben der dritten Generation besucht. Menschen, bei denen der Reichtum von Anfang an ein „Hintergrundgeräusch“ bildete. Und die dankbar waren, darüber sprechen zu dürfen. In aller Anonymität versteht sich. „Born Rich. Die anonymen Milliardäre“ heißt dann auch der gemeinsame Theaterabend, der vom 13. bis 16. März auf Kampnagel zu sehen ist.

Die Verbindung aus der dokumentarisch arbeitenden Ludewig, die vielversprechende Abende über Prostituierte und Castingshows abgeliefert hat, und dem Autor, der in seinem Debüt „So was von da“ der Clubkultur Hamburgs in Herz und Seele geblickt hat, wirkt verheißungsvoll. „Reichtum ist eine Frage der Betrachtung. Wir sind auch ‚born rich’ wenn jemand aus Afrika auf uns schaut“, sagt Tino Hanekamp. „Diese Spiegelung erzeugt Spannung. Wir sind reich an Möglichkeiten.“

Geerbter Reichtum unterläuft die Vereinbarung Verdienst gegen Leistung

Sechs oder sieben Interviews führten Ludewig und Hanekamp mit interessanten, halbwegs jungen Erben und strickten daraus ein zugespitztes Solo für die Schauspielerin Anne Ratte-Polle. „Wir sagen nicht, dass alles authentisch ist, aber versuchen nahe an eine Wahrhaftigkeit zu kommen“, so Ludewig. „Es geht auch um den Sinn des Lebens“, sagt Hanekamp. „Eine Antwort auf die Frage, warum zum Teufel bin ich hier, wird nicht einfacher, wenn jedes Leben möglich ist.“ Anders als Normalbürger hätten reiche Menschen keine Ausrede, ihre Träume nicht zu verwirklichen. Aber diese Frage vereine letztlich alle und da fühle sich auch der nicht so reiche Zuschauer einbezogen.

Die beiden trafen auf Menschen, die in elterliche Unternehmen einstiegen oder sich kreativ auslebten, solche, die die Gesellschaft ‚normaler‘ Menschen suchten, oder lieber unter ihresgleichen blieben. „Freundschaften sind aufgrund des Ungleichgewichtes schwierig“, so Ludewig. „Geerbter Reichtum gilt als obszön. Daraus spricht eine gesellschaftliche Rücksichtnahme, denn noch immer gibt es die Grundvereinbarung Verdienst gegen Leistung. Das erzählt viel über unsere Schuld- und Gerechtigkeitsmechanismen.“ Im Stück gründet die reich geborene Figur aus Schutz vor Bittstellern sogar eine „Fuck my friendship Stiftung“. Hanekamp ergänzt: „Der Antrieb ist stärker, wenn man eine Absturzmöglichkeit hat. Ich finde meine Armut ganz okay. Die Wut kann Energie geben.“ Eine Energie, die den gut Situierten häufig abhanden gekommen ist.

Ex-Clubbetreiber Hanekamp, der derzeit an seinem zweiten Roman schreibt, findet Geschmack am Theater. „Die erste Arbeit gleich ein Höhepunkt. Besser wird’s nicht.“ Die Theater- und Filmdarstellerin Anne Ratte-Polle wird alle Texte durch ihren Körper hindurchjagen. „Das kleine Atomkraftwerk“, nennt Hanekamp sie liebevoll. Szenisch werde großes Kino geboten, Schnee, Hunde, Gold und Staubsauger, die sprechen können. „Wir fahren das große Besteck“, sagt Ludewig. Am Ende warten Erlösung und Befreiung – nicht nur für Reiche.

„Born Rich“ Do 13.3. bis So 16.3. jew 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten 15,-/erm. 8,- unter T. 27 09 49 49, Auftakt zum „Work in Progress – Kongress: Gute Arbeit" (Fr 14.3., ab 10.00, Karten 20,- im Vvk.); www.kampnagel.de