Jorinde Dröses Inszenierung “So was von da“ am Schauspielhaus bleibt zu nahe an der Romanvorlage von Tino Hanekamp.
Hamburg. Irgendwann, eher gegen Ende der Vorstellung im Schauspielhaus, fragt man sich, ob der Kunstnebel auf der Bühne nicht eine schöne Metapher für die unendliche Weisheit und gleichzeitig gnadenlose Einfalt der Jugend ist. Sie weiß vielleicht gerade deswegen viel vom Leben, weil sie es durch den Schleier der Unwissenheit sieht. Wir sind zu jung, wir wissen noch gar nichts, sagt eine der Figuren in "So was von da"; aber sie wirkt dabei nicht, als sei sie traurig darüber. Jung sein ist halt doch auch ganz schön geil.
Wäre der Nebel, der sich bei den Nicht-mehr-ganz-Jungen um die süße Erinnerung an das Jungsein legt, vielleicht ein Mittel gewesen, das durchaus öfter eingesetzt werden hätte können?
Die Helden in Tino Hanekamps Roman "So was von da" wissen ja nicht wirklich, was sie tun, und das ist schon immer ein Vorrecht der Jugend gewesen. Und in einer Partynacht kann man schon einmal die Orientierung verlieren, ob im Disco-Nebel oder den Unwägbarkeiten des Lebens, die ausgerechnet in der letzten Nacht des Jahres über einen hereinbrechen.
Wer kann da schon klar sehen? So oder so hätte eine dominante Regie-Idee der Theater-Adaption des Jugend- und Bildungsromans "So was von da" ganz gut getan. Man kann noch nicht einmal sagen, dass die Regisseurin Jorinde Dröse sich am Ende nicht entscheiden konnte für eine bestimmte Idee - ihre Idee war einfach, keine großartige Idee zu haben, die das erfolgreiche Hanekamp-Debüt zu sehr verfremdet hätte. Was zunächst gar nicht verkehrt sein muss, denn Witz, Energie und Melancholie der Vorlage sollten doch leicht auf die Bühne zu bringen sein, bringt man ihre Stärke zur Geltung. Die liegt eindeutig in den Dialogen und Sprüchen, die sich die Agenten des Nachtlebens um die Ohren hauen.
Und so kommt die Handlung um den Mittzwanziger Oskar schnell in Fahrt, der mit seinem Kompagnon (ziemlich zynisch und das mit freudvoller Unbarmherzigkeit: Glenn Goltz) einen Club betreibt, der ein letztes Mal zum Nightlife -Tempel werden soll: auf der eigenen Abrissparty. Oskar ist verschuldet - "Kiezkalle" macht ihm die Hölle heiß - und auch grundsätzlich ein Lebenslauf-Bruchpilot. Die große Liebe hat er einst nicht halten können, seitdem weint er ihr softiemäßig hinterher - ein sentimentaler Leidensmann, der Gefühle zeigt.
Sören Wunderlich spielt die Rolle voll aus, was ihre chaotischen und heiter verzweifelten Züge angeht, und natürlich nimmt man ihm auch den Existenzialismus ab, unter dessen schützende Hand sich gerade der junge Mensch begeben kann. Ist nicht alles sinnlos? Darf man nicht einfach wie Nina, deren Überdrehtheit und Verrücktheit von Julischka Eichel überzeugend gespielt wird, mit Fug und Recht alle Wände schwarz anstreichen?
Die Bühne ist komplett in Schwarz gehalten, und auch die Klänge der 1000 Robota, die - ein guter Einfall - den Soundtrack zum Stück liefern, sind meist melancholischer Natur. Es wird ja auch ein Club beerdigt und damit ein Lebensentwurf. Die Subkultur, da hat die im Stück auftretende Innensenatorin recht, braucht das ökonomische Scheitern. Es nobilitiert das Schöne, monetär Interessenlose des Kreativen.
Doch der Gag folgt auf dem Fuße: "Wir brauchen Leute wie Sie. Wenn Sie nur nicht so überheblich wären. In ein paar Jahren werden Sie in einem unserer Theater arbeiten, städtische Kulturveranstaltungen organisieren, einen Jugendroman schreiben und mit Ihrer jungen Familie in einem Hundertquadratmeterpenthouse mitten auf St. Pauli wohnen", wirft die Senatorin (realpolitisch verhärtet: Marion Breckwoldt) dem Impresario der Nacht entgegen.
Doch die trotzige Feier der Selbstausbeutung (Oskar: "Für eine höhere Sache, für die Kunst, das Abenteuer, den anderen Weg") will auf der Bühne nicht so recht gelingen. Der mitreißende Trip, auf dem sich die Jugend ein letztes Mal auflehnt, nimmt den Leser des Buches mit, da gibt es keinen Widerstand. Auf der improvisierten Bühne des Schauspielhauses (die ehrwürdige Bühne wird gerade umgebaut) aber gerät der Motor der Handlung immer wieder ins Stottern, Letzterer fehlt es an Entscheidendem: dem inneren Zusammenhang. Zu den kleinen Ideen - den bittersüß schmeckenden Videoschnipseln mit der Patina des Zurückgelassenen, aber nicht Verwundenen, den dramatischen Zeitlupen - gesellt sich eben keine große, kein strukturierender Handgriff, der das Geschehen lenkt.
Das zerfasert bisweilen geradezu und hält sich beinah unnötig an den Gefühls-Flashbacks der Hauptfigur auf, denn als dramatischer Erzählbaustein funktioniert die Liebesgeschichte mit Mathilda auf der Bühne nicht. Die blutleere Darstellung der Ex-Freundin durch Maria Magdalena Wardzinska war ziemlich konsequent, schließlich ist Mathilda eine verblassende Erinnerung. In schlechteren Momenten ist "So was von da" am Schauspielhaus eine Ansammlung von komischen Momenten, in den guten eine romantische Liebeserklärung an die wilde Feierei und eine perfekte Choreografie der Nacht. "Heute darfst du lachen, jede Sache machen. Heute darfst du fressen, ich lass mich von dir fressen. Mach doch bitte mit, so mach doch bitte mit", zitiert die Bühnenfigur Rocky die 1000 Robota.
Warmer Schlussapplaus, trotz mancher Einwände verdient.