Mit „Tage der Toten“ und „Zeit des Zorns“ hat der amerikanische Thrillerautor große Kriminalliteratur geschrieben. Sein neues Buch „Vergeltung“ hingegen ist schwer verdaulich, ein Showdown aus Blut, Knochen und Stahl.
Man ist von dem amerikanischen Thrillerautor Don Winslow Großes gewohnt. „Tage der Toten“, „Zeit des Zorns“ („Savages“), „Die Sprache des Feuers“, „Kings Of Cool“ – alles Meisterwerke der Spannungsliteratur, fraglos. Die Präzision der Sprache, deren semantische Verknappung, das treibende Präsens des Erzählstils, die beiläufig eingesetzten ironischen, die bösen Kommentare – nur wenige Autoren beherrschen diese Stilmittel so wie Don Winslow. Immer ging es um skrupellose Drogenbosse, surfende Kleinkriminelle, vertrackte Althippies, perspektivlose Kiffer.
Jetzt hat er, so scheint es, in gewisser Weise die Seiten gewechselt. In „Vergeltung“ erzählt Winslow eine schlichte, nahezu archaische Rachegeschichte, in der sich nichts wiederfindet von dem, was den Autor zuvor so lesenswert gemacht hat. Der Inhalt ist schnell erzählt: Mann verliert Frau und Kind bei einem Terroranschlag auf ein Flugzeug und begibt sich mit einer professionell ausgebildeten und hoch bezahlten Söldnertruppe auf einen Feldzug, bei dem keine Gefangenen gemacht werden. Nur Frauen und Kinder werden verschont. Ein Mann, einst selbst hochdekorierter US-Soldat, sieht rot. Dass die Terroristen Muslime sind, versteht sich da von selbst.
Die ganze Geschichte ist nichts weiter als der Befehl zum Töten, die Sprache marschiert, knapp 500 Seiten lang. Und wie die Geschichte ausgeht, ist auch keine Überraschung, schließlich sind die angeheuerten Kampfmaschinen tief in ihrem harten Herzen keine schlechten Menschen. Wenn man in diesem Roman von Spannung sprechen kann, dann erschöpft sie sich lediglich in der Antwort auf die Frage: Wie viele der Söldner überleben den Feldzug? Es sei hier verraten, weil es eigentlich keine Rolle spielt: gut die Hälfte.
Der Weg dorthin ist gepflastert mit Leichen und erzählt mit einer sprachlichen Besessenheit von waffentechnischen Details (wie man sie von Tom Clancy kennt), die bestenfalls GSG-9-Scharfschützen begeistern kann, nicht aber den normalen Leser. Das mag man als akribisch recherchiert bezeichnen, sinnfälliger wird es deshalb aber nicht. Winslow lässt jegliche ironische Distanz zur Story vermissen, die seine anderen Romane sämtlich auszeichnet, ganz im Gegenteil scheint eine gewisse Sympathie für den Terror gegen den Terror auf, die nur sehr selten von ganz zarten kritischen Tönen unterminiert wird.
Die letzten knapp 100 Seiten sind dann ein Showdown aus Blut und Stahl, aus Knochen und Sprengstoff. Don Winslow, ein Waffennarr? Man darf sehr gespannt sein auf seinen nächsten Roman.
Don Winslow: Vergeltung. Dt. von Conny Lösch, Suhrkamp, 496 Seiten, 14,99 Euro