Es sind manchmal diese kleinen, ganz kurzen Momente, die das Leben verändern können, die die Welt aus den Angeln heben, auch wenn es nur die eigene, die kleine Welt ist. Ein Moment der Unachtsamkeit, ein allzu großes Vertrauen darauf, dass es schon gut gehen wird. Was soll schon passieren, alles ist schließlich gut. Und dann ist plötzlich ein Kind verschwunden, vier Jahre ist es alt, ein Junge.
So wie in dem leisen Kriminalroman „Dunkle Idylle“ der Hamburger Autorin Carmen Korn. Es ist die Geschichte einer Patchworkfamilie, die in ein Haus an einem Kanal zieht, mitten in Hamburg – die Mutter mit ihrem neuen Freund, mit ihrer Tochter Teresa und mit Leo, dem Sohn des Freundes. Es ist jenes Haus, aus dem eineinhalb Jahre zuvor der Junge spurlos verschwunden war.
Es sind kleine Zeichen, die die Spannung schüren – ein seltsamer Geruch im Haus, ein sich rätselhaft verhaltendes junges Mädchen, in das Leo sich verguckt, der ungeklärte Todesfall von damals, der wie ein dunkles Tuch über diesem Haus zu liegen scheint. Dann stirbt ein Mädchen, und Teresa beginnt, Fragen zu stellen.
Carmen Korn ist keine Erzählerin der lauten Töne. Sie ist eine sensible Beobachterin eben jener dunklen Idyllen, die so oft im familiären Gefüge als heimelig und wohlgefühlig missverstanden werden. Wie schon in ihrem Vorgängerroman „Vorstadtprinzessin“ erweist sich Korn auch in ihrem jüngsten Buch als Autorin, die hinter jene Fassaden zu blicken versteht, die die bürgerliche, nicht selten kleinbürgerliche Welt um ihre Abgründe herum errichtet hat.
Es sind Momentaufnahmen eines intimen Schreckens, Miniaturen des unscheinbaren Bösen, die Carmen Korn punktgenau und pastellfarben zu zeichnen vermag.
Carmen Korn: „Dunkle Idylle“, dtv, 270 Seiten, 9,20 Euro