Wenn etwas schlecht ist im aktuellen Kriminalroman von Simone Buchholz, dann ist es das Wetter. Es regnet nahezu pausenlos in Hamburg, der Himmel ist grau. Dabei hat es Staatsanwältin Chastity Riley in „Bullenpeitsche“ mit einem heiklen Fall zu tun: Im Jenischpark sind scheinbar grundlos zwei Streifenpolizisten erschossen worden. Und Morde an Kollegen bringen den Staatsapparat naturgemäß mächtig in Schwung.
Riley, diese unorthodoxe Heldin in Buchholz’ mittlerweile fünftem St.-Pauli-Krimi, dreht sich mit ihren Kollegen ermittlungstechnisch allerdings im Kreis. Die heiße Spur, die schnell zu einem wohlhabenden Immobilienhai in den Elbvororten führt, erkaltet ebenso schnell wieder – der Makler ist wie vom Boden verschwunden, nachdem er einen Termin im Kommissariat gemacht hat. Und als sich Oberstaatsanwalt Schubert nassforsch in die Ermittlungen einschaltet, erweisen diese sich endgültig als Sackgasse. Bis Schubert selbst ins Zwielicht gerät, weil er gemeinsam mit einem Senatsdirektor an offenbar schmutzigen Geschäften beteiligt war. Bei denen hatte auch die Albaner-Connection vom Kiez ihre Hände im Spiel. Und „Der Albaner“, wie Riley und ihre Kollegen – der neapolitanische Kommissar Calabretta und der türkischstämmige Inceman – ihn nur nennen, steht schon lange ganz oben auf der Wunschliste der Fahnder.
Es ist das kommunikative Zusammenspiel der wunderbaren Figuren, das die Romane von Simone Buchholz zu einer höchst unterhaltsamen Lektüre macht. Der schnoddrige Tonfall, das atmosphärisch dampfende Kiezmilieu, die griffigen Charaktere – alles stimmt. Die eigentlichen Kriminalfälle spielen dabei eine manchmal fast untergeordnete Rolle.
„Bullenpeitsche“ soll vorerst der letzte Roman der Chastity-Riley-Reihe sein. Damit ginge der deutschen Kriminalliteratur eine der unkonventionellsten Figuren verloren, die weitaus mehr Leser verdient, als sie letztlich wohl bekommen hat. Aber man soll ja niemals Nie sagen. Zudem gibt es noch die ersten vier Bände. Auch sie sind lesenswert, nicht nur für Leser, die etwas über St. Pauli erfahren möchten. Egal, wie das Wetter gerade ist.
Simone Buchholz: „Bullenpeitsche“. Droemer, 224 Seiten, 12,99 Euro
Volker Albers schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Kriminalromane