500 Gäste verfolgten auf Kampnagel ein engagiertes Podiumsgespräch über das Selbstverständnis der Stadt.
Hamburg. So ein Schulterschluss schafft auch eine gewisse Befriedigung: „Kulturschaffende lassen sich nicht mehr einfach herumschieben wie auf einem Schachbrett“, stellte der Journalist und Kulturaktivist Christoph Twickel Donnerstag Abend auf Kampnagel fest.
Eine Beobachtung, die seit der Gängeviertel-Besetzung und dem vielstimmigen „Nein!“ zur Kulturetat-Kürzung im Hamburger Abendblatt von vielen der mittlerweile an der Diskussion Beteiligten nicht nur geteilt, sondern bisweilen selbst mit einiger Überraschung wahrgenommen worden ist. „Wir wollen mehr! Das neue Selbstbewusstsein der Kultur“ nannten die Moderatoren Catarina Felixmüller (NDR 90,3) und Hans-Juergen Fink (Abendblatt) ihren „Kulturklub akut“ folgerichtig, zu dem sie neben Twickel auch den Thalia-Intendanten Joachim Lux, die Gängeviertel-Sprecherin und Künstlerin Christine Ebeling, „Dorfpunk“ Rocko Schamoni und Matthias von Hartz, Leiter des hiesigen Sommerfestivals, auf dem Podium begrüßten.
Darüber, dass es in dieser Debatte längst um mehr als bloß ein Sommergewitter, um mehr auch als „nur“ die Entscheidung über ein besetztes Viertel in der Innenstadt oder die drohende Kürzung von Subventionen geht, war man sich schnell einig. Es geht um Mitbestimmung der Bürger in ihrer eigenen Stadt, in der sie sich durch eine, so Twickel, „Turbo-Gentrifizierung“ unter Druck gesetzt fühlen. Ob es sich tatsächlich schon um eine veritable Bürgerbewegung handele, darauf wollte sich zunächst keiner der Diskutanten festlegen lassen. Aber „einen Funken, der übergesprungen ist, einen Aufbruchmoment“, den beschrieb Rocko Schamoni durchaus und zitierte – recht frei – ausgerechnet Helmut Kohl: „Wenn der liebe Gott durch die Geschichte stapft, muss man hinrennen und sich am Rockzipfel festhalten.“
Die Zeit ist also reif. Auch dafür, dass, wie Matthias von Hartz zufrieden registrierte, „endlich nicht nur mit den Touristen kommuniziert wird, sondern auch mit denen, die immer hier wohnen“. Denn nicht allein „Kulturlobbyismus“ sei derzeit zu beobachten, sondern „etwas, das die breite Masse anspricht“, bestätigte Joachim Lux. Das Maß sei voll – und die Unzufriedenheit eine Gelegenheit zur Solidarität, die man beim Schopfe packen müsse: „In Zeiten, in denen es materiell den Bach runtergeht, geht es ideellhoch.“
Während Kreative bislang unfreiwillig „als Aufwerter für den Immobilienmarkt“ und als „günstig zu habende Zwischenentwickler“ (Twickel) fungiert haben, forderten die Diskutanten ein radikales Umdenken. Rocko Schamoni mahnte, eben „nicht alles zu reglementieren“. Die Stadt solle vielmehr „anmelden, was sie vorhat, und die Bürger müssten dann darüber mitentscheiden“. Es gelte, die letzten Freiräume der Stadt zu verteidigen, ja sogar „eine Rückverdreckung ganzer Stadträume“ voranzutreiben.
Das mag polemisch sein. Einigkeit herrschte jedoch darüber, die endlich angestoßene Diskussion jetzt auszubauen und zu vertiefen und das Engagement der vielen Beteiligten weniger als rein kulturpolitische denn vielmehr als soziale Bewegung wahrzunehmen. „Wenn man mich früher fragte, worüber denn in Hamburg so geredet wurde, musste ich sagen: über nichts“, gestand Matthias von Hartz. Das zumindest hat sich bereits geändert. Was daraus wird, was daraus folgt? Das werden all diejenigen beobachten, die schließlich „die Stadt“ ausmachen und gestalten sollten. Die Künstler. Die Politiker. Die Medien. Vor allem und zuallererst aber: ihre Bürger.