In einem leidenschaftlichen Plädoyer warnte das Hamburger Abendblatt (Ausgabe 16. Oktober) vor den Folgen einer möglichen Kulturetat-Kürzung um weitere zehn Millionen Euro - das wären etwa fünf Prozent des Etats.
In der Hamburger Kulturszene sorgt der angekündigte Sparkurs, der in der Haushaltsklausur des Senats beraten wird, für Entsetzen und Widerspruch; das Abendblatt erhält täglich Appelle, den Kulturhaushalt nicht zu kürzen.
Rainer Moritz , Leiter des Literaturhausses Hamburg: Manchmal überfällt mich ein großer Überdruss. Manchmal habe ich es satt, wenn Alltags- und Sonntagsreden nichts mehr miteinander zu tun haben und sich das oft wortreich betonte Interesse der Politik für kulturelle Belange im Ernstfall als Seifenblase erweist. Da wird seit Jahren von Politikern aller Couleur flammend beschworen, wie wichtig es sei, Kultur nicht nur als Deckmäntelchen zu begreifen und Kindern und Jugendlichen die Notwendigkeit der Kultur für eine zivilisierte Gesellschaft nahezubringen.
Wer sich haupt- oder nebenberuflich darum bemüht, Literatur, Musik oder bildende Kunst zu einer Hamburger Attraktion zu machen, ist daran gewöhnt, dass Kultur oft als siebtes Rad am Wagen angesehen und auch so behandelt wird. Eine Kürzung des Kulturetats, wie sie nun beschlossen werden könnte, wäre ein Desaster, eine doppelte Bankrotterklärung und ein Imagedebakel. Wer - Haushaltskrise hin, Haushaltskrise her - die ohnehin überschaubaren Ausgaben für Kultur derart beschneiden will, zeigt, dass er den Sinn von Kultur nicht verstanden hat.
Anders gesagt: Die aktuellen Haushaltslöcher hängen ursächlich mit der Finanzmarktkrise zusammen, und diese war ein Beleg dafür, dass wirtschaftliches Handeln ohne moralisches und kulturelles Fundament wenig wert ist. Vielleicht hätten manche der Finanzhasardeure in ihrer Freizeit Bücher lesen sollen, Margaret Atwoods "Payback" oder Terézia Moras "Der einzige Mann auf dem Kontinent" zum Beispiel.
Uwe Deeken, Claus Gutbier , Theater für Kinder /Hamburger Kammeroper: Eine Kürzung der Zuschüsse für das Allee-Theater (Theater für Kinder und Hamburger Kammeroper) würde bedeuten: Ein Haus, das ca. 65 000 Zuschauern pro Jahr im Alter von drei bis 100 Jahren Theater, sogar klassische Oper für Erwachsene und Kinder anbietet und dabei wirtschaftlich höchst effektiv arbeitet, könnte seine Künstler nicht mehr bezahlen. Das würde das Ende des Theaters in dieser Form bedeuten.
Für die Spielzeit 2009/2010 wurde von Fachleuten im Rahmen einer Evaluation ein finanzieller Mehrbedarf festgestellt und gewährt. Eine Rücknahme dieser längst notwendigen Erhöhung würde das Ende jahrzehntelanger erfolgreicher Theaterarbeit bedeuten. Eine Stadt ohne Kultur ist eine Stadt ohne Menschen.
Nikolaus Hansen, Peter Lohmann, Silke Ohlenforst , Harbour Front Literaturfestival Hamburg: Die Diskussion um die mögliche Kürzung des Hamburger Kulturetats ist besonders erschreckend, wenn man bedenkt, wie viele Kulturinitiativen von öffentlicher Förderung abhängig sind. Die Kulturlandschaft Hamburgs ist noch nicht tot: der Kampf um das Gängeviertel, kleine selbst finanzierte Kulturprojekte rund um den Hansaplatz, die das Viertel um Hauptbahnhof und Steindamm aufwerten wollen, die Literatur im Erscheinungsbild der Stadt - all dies zeigt, wie wichtig Kultur nicht nur für das zahlungskräftige Publikum, sondern auch für jeden einzelnen Bürger in seinem Stadtteil ist.
Kultur heißt hier letztlich Zusammenhalt, Weiterentwicklung, Veränderung, Mut zu Neuem. Deshalb ist die Förderung auch durch die Stadt für alle kulturellen Institutionen lebens- und überlebenswichtig.
Hamburg sollte an Kunst und Theater, Literatur und Tanz festhalten - nur so bleibt das Leben in der Stadt ein buntes und lebenswertes.