Der befürchtete Sparkurs löst in Hamburg heftige Reaktionen aus - das Abendblatt dokumentiert.
In einem Plädoyer warnte das Hamburger Abendblatt (Ausgabe 16. Oktober) vor den Folgen einer möglichen Kulturetat-Kürzung um weitere zehn Millionen Euro. In der Hamburger Kulturszene sorgt der angekündigte Sparkurs für Entsetzen und Widerspruch.
"Auf dem Reeperbahncampus schien endlich begriffen, dass Kultur, neben Lebensmittel für Geist und Seele, als Wirtschaftsfaktor ganz direkt Standortfaktor und damit nicht bloß 'flüchtige Dekoration für einen angestrebten Imagewandel der Stadt' sein kann. Man war sich einig: Ein Kulturschaffender ist heute ja nicht nur Erzeuger des kulturellen, sondern auch des ökonomischen Kapitals. Und setzt man dieses ökonomische Potenzial nun in Relation zu anderen Wirtschaftszweigen, da stellt man fest, dass schon 1999 in Deutschland der Kultursektor einen Umsatz in Höhe von 32 Milliarden Euro erreichte: Das ist genauso viel wie die Ernährungsindustrie, etwas weniger als die bundesrepublikanische Energiewirtschaft und fünf Viertel der Wertschöpfungsleistungen der Chemischen Industrie.
Nun, keinen Monat später, bedroht uns schon wieder eine katastrophale Kürzung des Kulturetats. Will hier denn keiner begreifen, dass die Mini-Kulturförderung für Projekte und Institutionen kaum Linderung für ein klaffendes Haushaltsloch bringen kann, sondern ihr Erhalt und ihre Aufstockung Vielfalt, Kreativität, Toleranz, Bildung, Information, Kommunikation, Gäste und Kapital? Haben wir denn immer noch nicht gelernt, dass nur eine kreative Stadt, die die Innovation, ja die Ideen ihrer kreativen Teilmärkte befördert, den Bedürfnissen von heute und morgen gerecht werden kann? Wir leisten schon lange täglich unseren Teil - Hamburg, jetzt bist du dran!"
Andrea Rothaug, Geschäftsführerin RockCity e.V.
"Ich möchte Ihnen herzlich danken für Ihren couragierten Artikel gegen eine Kürzung des Kulturhaushaltes der Hansestadt. Wir hoffen, dass er dazu beiträgt, der Politik in Hamburg klar zu machen, wie schädlich eine Kürzung des Kulturetats für die Hansestadt wäre.
Die Staatsoper Hamburg und das Philharmonische Staatsorchester gehören bundesweit zu den Spitzenensembles ihres Fachs. Mit großer Sorge sehen wir, dass z.B. das Bayerische Staatsorchester München und die Staatskapellen von Berlin und Dresden finanziell besser ausgestattet sind als wir - qualifizierte Kollegen wandern ab und es ist schwierig, herausragenden Nachwuchs nach Hamburg zu bekommen. Wir müssen die gleichen Bedingungen wie München, Berlin oder Dresden erreichen, um weiter auf hohem Niveau für Hamburg tätig sein zu können. Wenn Hamburg einen Spitzenplatz in der Kulturszene Deutschlands einnehmen will, muss der Kulturetat erhöht werden, nicht reduziert."
Rainer Leisewitz, Mitglied im Orchestervorstand des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg
"Wie froh sind wir, dass das Abendblatt sich engagiert in die Kulturpolitik, beziehungsweise die drohende Unmöglichkeit vernünftiger Kulturpolitik durch erneute Einsparungen einmischt! Sowohl die vielen Kulturschaffenden auf allen Ebenen der Hoch- und anderen Kultur, aber auch die tapfere Ritterin von der womöglich bald traurigen Gestalt, Senatorin Karin von Welck, brauchen dringend Unterstützung: Meinungen von hohem Verstand, öffentlich geäußert. Eine brisante, kontroverse, sehr öffentliche Debatte über den Kulturhaushalt und über die Leichtigkeit, mit der man diesen vergleichsweise kleinen Posten im Gesamtetat immer noch mehr meint zusammensparen zu können. Die in Hamburg immer favorisierte Idee des Public-Private-Partnership funktioniert nachhaltig nur, wenn auch die öffentliche Hand etwas gibt. Also ist durch erneute Einsparungen auch die Stiftungshochburg Hamburg bedroht. Deshalb: Bitte noch lange nicht aufhören mit dieser öffentlichen Debatte!
Dr. Dagmar Gausmann-Läpple, Leiterin Kinderbuchhaus im Altonaer Museum