Adam Bousdoukos spielte schon auf der Schulbank Kinoszenen mit Fatih Akin. Jetzt ist er ein Star auf dem Filmfest Hamburg.
Mit Sylvester Stallone hat sich der Kreis geschlossen. Mit Rocky, um genau zu sein. In Venedig. Als Adam Bousdoukos, Hauptdarsteller des auch auf dem Lido gefeierten neuen Fatih-Akin-Streifens "Soul Kitchen", mithilfe seiner Schauspielkollegin Philine Roggan in den abgesperrten VIP-Bereich gelangte. Die hübsche Philine flirtete mit Stallones Bodyguard, Adam Bousdoukos hielt ihm das aus Hamburg mitgebrachte Rocky-Poster vor die Nase. "Rocky, Mann", hat er gesagt und gestrahlt wie ein kleiner Junge und dabei gemerkt, wie operiert Sylvester Stallone inzwischen aussieht. Egal. Rocky war einer, der immer zu den Guten gehört hatte. Der es geschafft hatte, aus eigener Kraft, mit Disziplin und Leidenschaft. Rocky war seit Jugendtagen das Idol von Fatih Akin und Adam Bousdoukos.
"Er hat echt unterschrieben", freut sich Adam Bousdoukos und zieht die dunkelgrüne Bomberjacke enger um sein Kapuzenshirt. Er ist erkältet. Und müde. Und restverkatert. Erst Filmfest Venedig, dann Filmfest Toronto, dann die lange Partynacht auf dem Hamburger Harbour-Front-Festival am vergangenen Wochenende. Adam Bousdoukos fährt sich mit der Hand über sein Gesicht. "Kalt hier, Mann, oder? Dir auch kalt?" Er lächelt. Es interessiert ihn wirklich. Adam ist auch einer von den Guten.
Die Geschichte von ihm und Fatih und Rocky ist die Geschichte einer Freundschaft. Die Geschichte von Werten, wie sie in Filmen wie "Rocky" eine Rolle spielen, im wahren Leben aber viel zu selten. Es ist eine Geschichte von Loyalität und Vertrauen und von zwei ausgelassenen Jungs, die schon in der Schule miteinander Filmszenen gespielt haben und die jetzt, mit Mitte 30, eigentlich nichts anderes tun, noch immer gemeinsam, nur inzwischen erfolgreicher.
Auf den Filmfestivals der Welt, in Venedig, Berlin, Locarno, gewinnen sie damit Preise, schon in "Kurz und schmerzlos", Fatih Akins erstem abendfüllenden Kinofilm, spielte Adam Bousdoukos eine der drei Hauptrollen. In der Schule waren die beiden noch wegen ihrer ausgelebten Kreativität auseinandergesetzt worden. Ihre Beschäftigung war aus Lehrersicht nicht eben bildungsfördernd: "Ghostbusters", "Beverly Hills Cop" ("Fatih konnte so schnell sprechen wie Eddie Murphy, Mann!") - na, und eben "Rocky". Manchmal Finger-Sirtaki auf dem Schultisch, das hat Fatih zum Lachen gebracht und war Adams Spezialität. Fatihs Eltern sind Türken. Adams Eltern sind Griechen. Sein Nachname wird auf der zweiten Silbe betont. Wie Sirtaki. Oder wie Kartoffel. Die Jungs sind Hamburger.
"Altonese!", sagt Adam Bousdoukos und nickt bekräftigend, "im Kinderkrankenhaus von Altona geboren." Altona ist noch immer sein Kiez. "Wenn ich durch Ottensen geh, sag ich jedem Hallo. Vorsichtshalber."
Wer in Ottensen ohne nähere Erklärung von "Adam" spricht, meint immer Adam Bousdoukos. Das liegt zum einen daran, dass er als Schauspieler in den Filmen des immer erfolgreicher und berühmter werdenden Fatih Akin prominent wurde. Und zum anderen daran, dass er zehn Jahre lang Wirt des Sotiris war, jener griechischen Taverne, die er von der "Kurz und schmerzlos"-Gage eröffnete und der auf dem Hamburger Filmfest jetzt gleich zwei Filme eine Liebeserklärung machen: Fatih Akins "Soul Kitchen" und "Dicke Hose" von Miles Terheggen und Henna Peschel. Adam Bousdoukos spielt in beiden. Sich selbst in "Dicke Hose", eine Figur namens Zinos in "Soul Kitchen". An diesem Drehbuch hat er mitgeschrieben, Zinos' Geschichte hat viel mit Adams Geschichte zu tun. Ein junger Grieche, der sich selbst finden muss, der die Liebe zum Essen und dann zum Kochen entdeckt, der für seine Taverne rackert, einen Ort mit Seele im menschlichen und Soul im musikalischen Sinne, und mit dieser Taverne ein Wohnzimmer für den Stadtteil, für die Szene schafft. Und der Liebeskummer hat.
Adam Bousdoukos hatte auch Liebeskummer, vor ein paar Jahren, und Fatih Akin hat angefangen, daraus ein Drehbuch zu stricken. Gemeinsam haben sie es - in einem Zeitraum von vier Jahren - weitergesponnen: "Wenn Fatih nicht drehen musste, haben wir abgehangen", beschreibt Adam das, "manchmal nachts im Sotiris, manchmal bei mir in der Küche, manchmal bei ihm." Sie haben geschrieben und Peter-Sellers-Filme geguckt, Charlie-Chaplin-Filme, "zur Inspiration, weißt du?". So ist "Soul Kitchen" entstanden.
"Soul Kitchen" und "Dicke Hose" sind auch ein Abschied vom Sotiris. Ein würdiger Abschied, ein Abschied auf der großen Leinwand. Im Januar hat Adam Bousdoukos den Laden abgegeben. "Ich hab zehn Jahre durchgeackert, verstehst du?"
Er hebt entschuldigend die Hände und fährt sich dann durch die braunen Locken. "Die ersten fünf Jahre hab ich gar keinen Urlaub gemacht, der Laden, die Miete, die Filme, das ging so bam-bam-bam-bam." Er haut mit der Handkante viermal kurz auf den Cafétisch. Irgendein Café im Portugiesenviertel. Früher hätte man ihn zum Interview im Sotiris getroffen, immer. Jetzt ist er seit einem halben Jahr nicht mehr dort gewesen. "Entzug."
Das Drehbuch von "Soul Kitchen" ist trotzdem nicht Adams Geschichte, aber es ist eine Geschichte, die mit ihm zu tun hat. Was Adam von Zinos unterscheidet? Da muss er nachdenken. "Ich würde keiner Frau nach Shanghai hinterherreisen." Pause. Lächeln. "Außer es lohnt sich."
Adam Bousdoukos trinkt von seinem Kaffee und verschluckt sich. Während des Gesprächs muss er immer wieder jemandem die Hand geben, grüßen, winken. "Das war grad Markus Graf, Thalia-Schauspieler, kennst du den? Guter Mann." Adam nickt. "War auch oft im Sotiris." Alle seien da früher oder später vorbeigekommen, "das Sotiris war der Bahnhof". Wer was von ihm wollte, kam dort vorbei. Freunde, Filmkollegen, Journalisten, egal. "Jetzt muss man mich erst suchen."
Im ersten Moment klingt das fast erleichtert, als sei ihm ein Stück Privatleben geschenkt worden. Tatsächlich aber möchte Adam Bousdoukos sich wieder mehr auf das Filmen konzentrieren, es gibt schon Angebote. Ein privater Beruf ist das nicht.
Und dem "Bahnhof" in Ottensen wird sein Vorsteher fehlen. Wer nie im Sotiris war, bekommt in "Dicke Hose" einen Eindruck davon, wie Adam als Wirt war. Charmant. Cool. Zuvorkommend. Angenehm unszenig. Ein bisschen chaotisch vielleicht. Und man erfährt, dass er Bouzouki spielen kann, sein alter Bouzouki-Lehrer Toni, der tatsächlich früher mal mit Mikis Theodorakis auf der Bühne stand, spielt in "Dicke Hose" den Bösewicht. Viele Leute, die früher im Sotiris waren, spielen da mit. Auch auf Vermittlung von Adam Bousdoukos. "Dicke Hose" ist ein charmanter Trashfilm, ein Low-Budget-Film, nur mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit und Spaß entstanden. Das hat ihm gefallen. Das ist auch so etwas, was er aus "Rocky" gelernt hat: "Vergiss niemals, woher du kommst." Es gibt wahrscheinlich eine Menge Leute, erst recht aus dem Filmbusiness, bei denen das Pathos solcher Sätze peinlich klingt. Nicht bei Adam Bousdoukos, ihm ist es ganz ernst: "Ich wünsche mir, dass viele Leute den Mut haben, ihr Ding durchzuziehen." So wie die Jungs von "Dicke Hose", so wie Fatih Akin und Adam Bousdoukos, der türkische und der griechische Altonaer Junge.
Das signierte "Rocky"-Poster hat Adam seinem zehnjährigen Neffen geschenkt. Er hat ihm gesagt, dass er es unbedingt einrahmen und bloß nicht verkaufen soll. Pause. Lächeln. "Und wenn er es doch mal verkaufen will, dann soll er viel Geld dafür verlangen."