Der 57-Jährige eröffnet mit dem Mozart-Opern-Pasticcio „The Giacomo Variations“ gewitzt und klug die neue Saison der Elbphilharmonie-Konzerte.

Hamburg. Die Bühne, die John Malkovich nicht zu füllen vermöchte, muss erst noch gebaut werden. Sie hätte um ein Vielfaches größer zu sein auch als der imposante Guckkasten der Hamburgischen Staatsoper, auf dem Malkovich am Montagabend zum ungeteilten Vergnügen des Publikums in kompetenter Gesellschaft das Mozart-Opern-Pasticcio „The Giacomo Variations“ aufführte.

Ein Pasticcio ist das Durcheinander von vielem, das ein sinnvolles Neues ergibt, hier: Mozart meets Lorenzo da Ponte meets Giacomo Casanova. Die Trinität frivol-genialer (Lebens-)Kunst wird exemplifiziert an den drei Opern „Le nozze de figaro“, „Don Giovanni“ und „Cosí fan tutte“, die Mozart mit dem Librettisten da Ponte schrieb, und gekreuzt mit Casanovas Lebensbeichte „L’histoire de ma vie“. Die Summe dieser Teile ergibt „The Giacomo Variations“: eine verwegen anspielungsreiche, dabei freie, weil so zuvor nicht existente Spielvorlage.

John Malkovich als Casanova ist larger than life; er gewinnt diese Größe durch Präzision und Untersteuerung. In der intelligenten, gewitzten Inszenierung von Michael Sturminger, der auch das Buch schrieb (und Malkovich im Vorjahr mit der Frauenmörder-Paraderolle als Jack Unterweger in „Infernal Comedy“ ins Hamburger Schauspielhaus führte), entfaltet Malkovich die maliziöse Kraft des Verführers im Hauptberuf, die man von ihm kennt und erwartet. Manchmal schreit er auch so liebestyrannisch wie als Vicomte de Valmont in „Gefährliche Liebschaften“. Darüber hinaus aber gibt Malkovich, inzwischen 25 Jahre älter als in seiner legendären Kinorolle, der Figur des Casanova eine federleicht gespielte Alterstragik, die selbst Frauen und hartgesottene Frauenversteher mit atmen, mit lachen und mit leiden lässt.

Zur Begleitung des Orchesters Wiener Akademie (Leitung: Martin Haselböck), das nicht in jedem Takt wunschlos glücklich macht (weil es manchmal sanft wackelt), aber mit sehr viel Feinsinn und Herz agiert, treten neben Malkovich die Schauspielerin Ingeborga Dapkunaite und die Sänger Sophie Klußmann und Florian Boesch. Sie doppeln die beiden Schauspieler in ihren Rollen. Frau Klußmann singt vor allem nach der Pause wunderschön und mit anrührender Musikalität, auch Boesch macht seine Sache musikalisch sehr gut und nimmt mit Witz und Selbstironie für sich ein. Am selben Ort, an dem man vor gerade mal einer Woche den zähen, hölzernen und peinigend vordergründig sexualisierten „Don Giovanni“ von Doris Dörrie erlebte, zeigte die Saisoneröffnung der Elbphilharmonie-Konzerte 2011/12, dass Mozart auch anders geht: mit Leichtigkeit, Esprit, musikalisch äußerst beweglich – und genuin erotisch.