Die 193. Folge “Wetten, dass...?“ war wie immer: virtuos, harmlos, nett. Nur die Worte waren diesmal anders gewählt. Thomas Gottschalk hört auf.

Hamburg. Nein, "Wetten, dass…?" ist keine Show der Worte, das war sie noch nie. Es geht um Stars und Sternchen, um Licht und Farben, um Kulissen, Kleider und Kostüme, PR, Personenkult und sein Personal, um Gottschalk also, Gottschalk und dreimal Gottschalk. Aber um Worte?

Seit exakt 30 Jahren führen sie in Deutschlands wichtigster, größter, beliebtester, zähester, trotz allem unterhaltsamster Unterhaltungssendung ein stiefmütterliches Dasein am Rande. Runtergerattert in inhaltsleeren Interviews, gestanzten Ansagen und seltenen Momenten echter Schlagfertigkeit. Genutzt allein als Beiwerk visuellen Entertainments, Mauerblümchen halt, ein Füllstoff. Und dann sollen ausgerechnet Worte die Jubiläumssendung prägen? Zur Aufarbeitung eines furchtbaren Wettunfalls, zur Ankündigung von Gottschalks Abschied gar, wie es im Blätterwald vorab rauschte?

Es rauschte zu Recht, denn Thomas tut es tatsächlich. "Sonst will ich von hier immer nur gute Laute verbreiten“, sagt er in jenem Riesensofa, "auf dem ich die schönsten 25 Jahre meines Lebens verbracht habe“. Länger also als Husni Mubarak, purzelt es noch aus ihm raus, was Claus Kleber im folgenden "heute-journal“ als wenig stilsicher, aber eben typisch Thommi kommentiert. Schön war es also in der halbrunden Sitzecke. Aber heute, zwei Monate nach dem Abbruch der Dezembersendung, nennt sich der Entertainer "schon froh zu wissen, dass Samuel uns heute zuschaut“. Es liege also "ein Schatten“ auf dieser, seiner Show, seit 1987 fast ein Synonym für Gottschalk. Und der würde es ihm schwer machen, "jemals wieder zu der guten Laune zurückzufinden, die Sie zurecht von mir erwarten“. Mit der Sommerausgabe auf Mallorca also, "werde ich meine Zeit bei "Wetten, dass…?" beenden.“ Kein übertriebene Leichenbittermine, keine unangemessene Lockerheit, nur ein schmales Lächeln zum rechten Ton. Das sitzt.

Oder auch nicht.

Denn es folgt erstmal – nichts. Statt Wehklagen im Publikum, Tränen bei Michelle Hunziker oder einem Programmchef, der aus Reihe 1 vorm blondesten aller Showmaster auf die Knie geht, weht nur ein zehnstimmiges "Oh“ durch die Halle in Halle. Pause. Schweigen. "Na ja“, wirft er hilfsbereit in die Stille, "das wäre doch früher oder später ohnehin passiert.“ So wie eben alles früher oder später alles ohnehin passiert, bei "Wetten, dass…?".

Gottschalks Auftritt, sein Strahlen unterm Viertagebart, der Paletot in Papageienkaro mit Lederhose und Krawattengroteske. Wie immer. Die Filmstars (Maria Furtwängler) vor der nächsten Erstausstrahlung (Schicksalsjahre), die Fernsehstars (Anna Loos, Jan Josef Liefers) nach der Verleihung eines Preises (Goldene Kamera), die Serienstars (Annette Frier) mit neuer Staffel (Danni Lowinski), die Popstars (Roxette) mit neuer Platte (Charm School), die Altstars (Udo Lindenberg) mit der Hommage (Musical), die Bühnenstars (Max Raabe) mit neuer Tour (Amerika), Starsstarsstars also und ihr Broterwerb, proudly presented by ZDF. Wie immer.

Dazu: Mal mehr, mal weniger lustige Wetten von zwei biederen Frisbeegolfern, die mit ihren Scheiben fast die geforderten 300 Kerzen auswerfen, über zwei junge Golfer, die sich erfolgreich Minisalamis in den Mund schlagen bis zu zwei pfiffigen Kindern, die Sätze ihres Lieblingsbuches den entsprechenden Seiten zuordnen können. Ein Abiturient nimmt noch seine Füße zum Glühbirneneindrehen, ein Oberpfälzer seine Ohren zum Kronkorkenzielwerfen – charmant, skurril, leidlich unterhaltsam, diesmal ungefährlich.

Es plätschert also. Wie gewohnt. Man plaudert. Wie gewohnt. Man schmeichelt sich. Wie gewohnt. Hört Playback, spricht über Gottschalks Haare, Hunzikers Haare, Modelschönheit, Schauspielerinnenschönheit. Die Frauen balancieren dazu auf halsbrecherischen Hacken umher, die Männer halten ihre Blicke davon fern. Und Naomi Campbell muss irgendwann, ganz dringend, jetzt gleich, nach Paris/London/L.A., der Flieger brummt schon auf dem Rollfeld, schadeschadeschade.

Es sind auch in Folge 193 die alten Rituale, virtuos moderiert von Thomas Gottschalk, überdreht angeheizt von seiner Assistentin. Da ist ja mehr los als in Kairo, ruft er über den prall gefüllten Marktplatz von Halle, und am lautesten lacht Michelle Hunziker, die es auch dann unablässig tut, als dort die Stadtwette gewonnen wird, Georg Friedrich Händels "Halleluja“ an dessen Geburtsort mit Glasflaschen zu intonieren. Es ist harmlose, gelöste, die perfekte Familienunterhaltung mit der richtigen Dosierung aus Nostalgie und Jugend und einem Thomas Gottschalk in guter Tagesform.

Doch das reicht eben. Nicht mehr für WM-Final-Quoten, aber doch für die besten im sportfreien Abendprogramm. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen des Zweiten nicht auf ihr Zentralgestirn verzichten mögen und dies entsprechend choreographieren (lassen). "Vielleicht schaffe ich es ja doch, dich noch umzustimmen und mit dir auf diesem Sofa alt zu werden“, sagt Hunziker im atemberaubenden Nichts und lobt die ewige Ehe ihres Chefs, dass dem Durchschnittszuschauer das Herz aufgeht. Und Thomas? Druckst herum. Als Jan Josef bettelt, druckst er weiter, bei Naomis Flehen, tut er nicht mal mehr das. Kein Dementi, keine Bestätigung – der Abschied steht bis zum seltsam pünktlichen Finale und doch ahnt man, dass die Musikauswahl ein Symbol des angekündigten Abschieds war. Take That? Roxette? Udo Lindenberg? Die waren alle schon mal weg vom Fenster. Vielleicht ist Mubarak doch der falsche Maßstab. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.