Abendblatt-Autor Holger Dohmen analysiert, warum ein sinnvoller Dialog zwischen Kerner und seinen Gästen nicht möglich war.

HAMBURG. Nach knapp 50 Minuten war alles vorbei. Da hatte Eva Herman die Chance verspielt, ihre umstrittenen Äußerungen über die Mutterrolle in der Nazi-Zeit zurechtzurücken. Gab Moderator Johannes B. Kerner endgültig seine gewohnte Souveränität im Umgang mit seinen Gästen auf. Führten sich Senta Berger und Margarethe Schreinemakers auf, als würde statt der einstigen NDR-Vorzeigefrau der Leibhaftige neben ihnen sitzen. Allein Comedy-Star Mario Barth konnte sich freuen. Immerhin sei er heute im Fernsehen, scherzte der nach eigener Aussage wohl mittelmäßige Schüler.

2,5 Millionen Menschen hatten durchgehalten und des Eklats geharrt, der auch prompt zu später Stunde, wenn die Nation eigentlich schon schläft, kam. So wünschen sich Programm-Macher wohl Fernsehen: Der Skandal treibt die Quote an.!

Ein gelungener Abend also? Nein, denn wenn eines deutlich wurde, dann ist es dies: Wo Vorverurteilung und Halsstarrigkeit aufeinandertreffen, ist ein sinnvoller Dialog unmöglich. Um das zu beweisen, braucht man kein Fernsehen.

Es mag ja nett, fast besorgt geklungen haben, wie Johannes B. Kerner sich mit seiner Kollegin, der Ex-"Tagesschau"-Sprecherin, Ex-Moderatorin und Buchautorin Herman zunächst auseinandersetzen wollte. Schließlich duzt man einander und kann gewiss auf manche freundschaftliche Plauderei zurückblicken. Doch an diesem Abend galten andere Gesetze. Diesmal sollte ein Ergebnis her. Kerner wollte Herman partout dazu bringen zu widerrufen, mit welchen Mitteln auch immer. Eine sachliche Diskussion über ihre Familienthesen war nie geplant.

Also bohrte der Moderator immer wieder aufs Neue in der offenen Wunde eines Presseauftritts der Autorin, die inzwischen verschwörungsähnliche Theorien entwickelt. Das Ganze garnierte er mit gezielten Zitaten aus den Bücherns Hermans, über deren Formulierungskünste kaum ein intellektueller oder ästhetischer Streit denkbar ist.

Assistiert von einer Senta Berger, für die Deutschland offensichtlich ein Kinderparadies ist und die bislang nur ü b e r Eva Herman gelesen hat, und von einer Margarethe Schreinemakers, deren gespieltes Entsetzen von Minute zu Minute unerträglicher wurde. Eine makabre Prangerszene.

Und die Herman? Nach dem Auftritt am Dienstagabend drängte sich manchmal der Eindruck auf, dass sie mit der Skandalisierung ihrer Person ganz gut leben kann. Kaum anders ist ihre Weigerung zu interpretieren, sich von ihren früheren Aussagen zur NS-Zeit zu distanzieren. Hätte sie doch nur diesen einen Satz "Heute würde ich mich anders ausdrücken" gesagt, die 48-Jährige wäre als Siegerin aus der Sendung herausgegangen.

Doch zu diesem Satz konnte oder wollte sich Eva Herman nicht durchringen. Warum auch, wird sie sich fragen, die Mehrheit der Leute steht doch hinter mir. Jedenfalls scheint das ihre Schlussfolgerung aus Tausenden von Briefen zu sein, die sie in jüngster Zeit erhalten hat und deren Absender ihr wohl raten, standfest zu bleiben.

Für ihr Ego mag das gut sein, mit ihrer Sturheit aber desavouiert die einstige Fernseh-Moderatorin ihr ursprüngliches Anliegen, das Thema Kinder und Familie zu popularisieren. Stattdessen muss sie sich immer häufiger der Inanspruchnahme durch ein rechtes bis rechtsextremes Milieu erwehren, zu dem diese durch und durch unpolitische Frau ganz gewiss keine ideologische Nähe hat.

Was lehrt der Fall Eva Herman? Dass das Richtige zu wollen eben nicht ausreicht, wenn es falsch oder missverständlich verpackt wird. Mit ihrer Flucht in die Polarisierung bedient sie zudem Reflexe einer politischen Korrektheit, die gelegentlich durchaus schon mal in die Nähe von Intoleranz geraten.

Warum das so ist, warum das Nazi-Regime die Gesellschaft immer noch spaltet - darüber zu streiten wäre ein dankbares Thema gewesen. Kerner hat es nicht aufgenommen, stattdessen hat er sich damit begnügt, den medialen Aufregungskult unserer Gesellschaft zu bedienen.