Hamburg. Politischer Streit um Aufmarsch der Kalifatsjünger spitzt sich zu. Zweite Bürgermeisterin: Extremisten kommen nicht in Schuldienst.
Die Demonstration von rund 1100 Islamisten am Sonnabend in Hamburg wird immer mehr zum Politikum. Am Montagabend hatte sich sogar Kanzler Olaf Scholz aus Berlin zu den Geschehnissen in der Hansestadt geäußert. Man müsse sich genau anschauen, „was jetzt konkret aus den Dingen, die wir dort gesehen hatten, für Konsequenzen zu ziehen sind“, sagte er bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt.
Der Hamburger Innenausschuss wird sich indes mit den Dingen erst bei seiner nächsten planmäßigen Sitzung im Juni befassen. Einen Vorstoß der Union, eine Sondersitzung abzuhalten, lehnte die rot-grüne Mehrheit ab.
Islamisten-Demo in Hamburg: Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank nimmt Stellung
Der Islamisten-Aufmarsch war auch Thema der im Senat. Bei der Landespressekonferenz äußerte sich die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) zu den Forderungen nach einem Verbot der Islamistenvereinigung „Muslim Interaktiv“. Es sei nicht Aufgabe der Parlamente, sondern der Sicherheitsbehörden, zu prüfen und ein Verbotsverfahren in die Wege zu leiten. Dieser Weg sei juristisch geboten. Das gelte auch für ein mögliches Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) an der Außenalster, das vom Iran gesteuert wird.
Fegebank deutete an, dass die Verbotsforderung des Bundestages gegen das IZH den Prozess über eine „Extraschleife“ sogar verzögert haben könnte. „Möglicherweise hätten wir bei einer Beschlussfassung durch die Bürgerschaft zu ‚Muslim Interaktiv‘ eine ähnliche Lage.“
Fegebank zur Islamisten-Demo: „Extremismus allein reicht nicht für Verbot“
Die Grünen-Politikerin könne die Rufe nach einem Verbot einer solchen Demonstration gut verstehen, sagte sie. Die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Gefahrenlage hätten das aber nicht hergegeben. „Das hat uns allen nicht gefallen – aber Extremismus allein reicht nicht für ein Verbot.“
Dabei äußerte sich Fegebank auch zu dem Initiator der Islamisten-Demonstration, der in Hamburg Lehramt studiert. „Extremisten werden in Hamburg nicht in den Schuldienst eingestellt“, versprach sie.
Thering: „Was muss eigentlich noch passieren, damit SPD und Grüne endlich aufwachen?“
Rot-Grün steht dennoch in der Kritik: „Der Senat hat offenbar vor, seine Hilflosigkeit im Umgang mit der Islamisten-Szene in Hamburg mit Schweigen zu bemänteln“, kritisierte Anna von Treuenfels-Frowein (FDP). „Warum die skandalöse Islamisten-Demonstration erlaubt wurde und verfassungsfeindliche Tiraden geduldet wurden, kann die zweite Bürgermeisterin nicht erklären.“ Der Bürgermeister und der Innensenator glänzten bei der Landespressekonferenz durch Abwesenheit. „Sie ducken sich weg und blockieren mit ihrer rot-grünen Mehrheit eine dringend nötige Sitzung des Innenausschusses.“ Das sei inakzeptabel.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering, der erst am Vortag eine schnelle politische Reaktion gefordert hatte, zeigte sich über die Ablehnung der Sondersitzung fassungslos: „Erst lehnen SPD und Grüne unseren Antrag für ein Verbotsverfahren gegen ‚Muslim Interaktiv‘ ab, nun auch unseren Antrag für eine Sondersitzung des Innenausschusses zum Islamistenaufmarsch am vergangenen Samstag.“ Er fragt: „Was muss eigentlich noch passieren, damit SPD und Grüne endlich aufwachen und dieser Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft mit aller Härte und Deutlichkeit entgegentreten?“
Die SPD kritisierte ihrerseits den Versuch der Union, sich mit diesem Thema parteipolitisch zu profilieren. Aufgeregte Forderungen nach einer Sondersitzung führten ins Leere, sagte Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Eine ausführliche Beratung im Rahmen einer Selbstbefassung sei der richtige Weg, um mögliche Fragen zu klären. Diese könne bei der nächsten turnusmäßigen Sitzung am 6. Juni geschehen.
SPD: Ein Verbot von Muslim Interaktiv wird geprüft
„Mit Blick auf ‚Muslim Interaktiv‘ stellen wir fest, dass der Rechtsstaat handlungsfähig ist und alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden“, sagte Schumacher weiter. „Die Polizei hat im Vorfeld intensiv geprüft, ob die Kundgebung verboten werden kann. Dies war rechtlich leider nicht möglich, denn dem Verbot von Demonstrationen sind in Deutschland zu Recht sehr enge Grenzen gesetzt.“ Es sei gut, dass die Polizei die Kundgebung mit einer großen Zahl an Einsatzkräften begleitet habe. „Auch ein Verbot der Gruppierung wird geprüft“, betonte der Innenexperte.
Die Demonstration, bei der am Sonnabend 1100 Teilnehmer ein Kalifat forderten, die Bundesrepublik und deutsche Medien scharf kritisierten, wird ohnehin ein Fall für die Staatsanwaltschaft. „Sie prüft aktuell, ob Parolen und Transparente, die auf der Demonstration gezeigt wurden, strafrechtlich relevant sein können“, sagt Schumacher. „Zudem haben die Verfassungsschutzbehörden die Aktivitäten und Social-Media-Auftritte von ‚Muslim Interaktiv‘ fest im Blick.“
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Thering hingegen hält die Reaktion der Sicherheitsbehörden für nicht ausreichend. Es genüge nicht, im Nachhinein Parolen zu prüfen. „Wir müssen in Zukunft verhindern, dass sich solche Bilder wie vom vergangenen Samstag wiederholen und um die Welt gehen. Das war keine friedliche Demonstration, sondern eine islamistische Machtdemonstration und es ist ein Armutszeugnis, dass SPD und Grüne darüber noch nicht einmal in einer Sondersitzung des Innenausschusses diskutieren wollen.“ Sein Versprechen dürften andere als Drohung verstehen: „Wir als CDU sind da sehr klar und werden nicht locker lassen, unseren Rechtsstaat zu verteidigen!“