Wentorf. Eine Möglichkeit für Wentorf ist die Idee vom „Dorfstromer“ – eine erfolgreiche Mischung aus privatem und kommerziellem Angebot.

Ein privates Auto wird durchschnittlich nur eine Stunde am Tag bewegt. Die restliche Zeit steht es. Kritiker nennen Autos deshalb auch „Stehzeug“. Eine Entwicklung, die der Wentorfer Reiner Freund nicht gutheißt, aber selbst Teil davon ist. „Mein Auto steht oft noch länger“, sagt der 65-Jährige. Freund ist eigentlich überzeugter Radfahrer. Doch ganz aufs Auto verzichten will er auch nicht: „Ich spiele im Orchester in Hamburg, fahre für die wöchentliche Probe auch mal ein E-Piano hin und her.“

Der Schritt, seinen blauen Seat zu verkaufen, würde ihm leichter fallen, wenn es Carsharing in der Gemeinde geben würde. Die Geschäftsgebiete einiger kommerziellen Anbieter enden aber vor der Gemeindegrenze in Bergedorf. Bereits vor Monaten hat sich die Gemeinde zusammen mit Reinbek, Glinde und Oststeinbek bemüht, Anbieter in die dicht besiedelte Region zu holen – bislang vergeblich.

Carsharing Gruppe Wentorf/Reinbek gegründet

Freund will sich damit nicht zufrieden geben. Er hat jetzt mit sechs weiteren Mitstreitern die „Carsharing-Gruppe Wentorf/Reinbek“ gegründet und wird dabei unterstützt von der Klimaschutz-Initiative Sachsenwald. „Es gibt mittlerweile viele verschiedene Möglichkeiten des Carsharings – von kommerziell bis privat. Was uns aber am meisten überzeugt hat, ist eine Mischung aus beidem“, sagt Freund.

„Dorfstromer“ ist so eine Mischung. Dahinter verbirgt sich ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hollern-Twielenfleth in Niedersachsen, der 2018 gegründet wurde, um ein alternatives Mobilitätsangebot in Horneburg und dem Alten Land zu schaffen. Das Konzept Carsharing von Bürgern zu Bürgern ist mittlerweile so erfolgreich, dass 16 E-Fahrzeuge in unterschiedlichen Gemeinden unterwegs sind, 400 Mitglieder zählt der Verein.

Lieferzeiten für Fahrzeuge bremsen Expansion aus

Zwei Fahrzeuge stehen in Hamburg – in Altona und Finkenwerder. „Uns erreichen ständig neue Anfragen“, sagt Vereinsvorsitzender Edgar Schmidt. „Leider können wir die hohe Nachfrage derzeit nicht bedienen, da die Lieferzeiten für Autos ein Jahr und länger sind.“ Gäbe es keine Krise, würden von Dorfstromer wahrscheinlich schon 40 Autos auf den Straßen rund um Hamburg unterwegs sein.

Auch für Wentorf und Reinbek stehen die Chancen laut einer ersten Potenzialanalyse grundsätzlich gut. Damit das erste Fahrzeug aber bestellt werden kann, werden mindestens 20 ernsthafte Interessenten gesucht, die sich an dem Modell beteiligen. Die Vereinsmitgliedschaft kostet fünf Euro im Monat, für Familien acht Euro. Die Autos werden per App gebucht. Die Nutzung kostet fünf Euro pro Stunde, inklusive 250 gefahrener Kilometer.

Mitnutzer für Seat Ibiza gesucht

Parallel müssen zudem Politik und Verwaltung überzeugt werden, an einem öffentlichen Gebäude eine Ladestation einzurichten – denn bei Dorfstromer sind alle Autos an einen festen Ladestandort gebunden. „Ein Wagen könnte in Rathausnähe stehen, ein zweites im Quartier Danziger Straße“, schlägt Freund vor. Kleine Umwege, die er dann selbst in Kauf nehmen müsste, scheut er nicht. Schließlich müsste er erst zur Station radeln.

Bis es soweit ist, sucht der Wentorfer Mitnutzer für seinen vier Jahre alten, top gepflegten Seat Ibiza. Mit privatem Carsharing kennt er sich aus. Bereits in den 1990er-Jahren haben sich seine Familie und eine andere ein Auto geteilt. „Das ist Organisationsaufwand. Auch müssen Fragen wie Haftpflichtversicherung, Steuern oder Anschaffungskosten geklärt werden. Unterm Strich aber ist das nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell interessant“, ist er überzeugt.

Zumal sein Kleinwagen mit Gas betankt wird. Der Preis an der Tankstelle ist laut Freund trotz Energiekrise kaum gestiegen und liege aktuell bei 1,02 Euro pro Kilo. Auf 100 Kilometern verbrauche der Kleinwagen vier Kilogramm Gas.

Interessenten für beide Carsharing-Modelle melden sich unter: reiner.freund@adfc.wentorf-sh.de.