Hamburg. Kunden bekommen deutlich geringere Rabatte auf Fahrzeuge und müssen lange warten. Das sind die Gründe.
Es scheint ganz so, als hätten die Autohersteller einen ganz neuen Dreh für ihr Geschäft gefunden: Im Volkswagen-Konzern ist der Absatz im ersten Quartal um knapp 22 Prozent gesunken, aber der Gewinn hat sich nahezu verdoppelt. Mercedes-Benz gelang es, trotz einer Abnahme der Verkäufe um zehn Prozent das Betriebsergebnis um 21 Prozent zu verbessern. Und die Stellantis-Gruppe mit Marken wie Opel und Peugeot lieferte zwar 14 Prozent weniger Fahrzeuge aus, steigerte den operativen Gewinn aber um 77 Prozent. Ähnlich lief es auch bei anderen Anbietern.
Als einen der wesentlichen Gründe für die erstaunliche Entwicklung führen sie alle einen Faktor an, den Volkswagen „verbesserte Preisgestaltung“ nennt – mit anderen Worten: Sie haben die Autoknappheit auf dem Markt, die aus den Lieferschwierigkeiten von Zulieferern resultiert, für sich ausgenutzt, indem sie einfach mehr Geld für die Neuwagen nehmen.
Autokauf Hamburg: Teure Neuwagen – Preisnachlässe gefallen
Während Hamburger Autohändler sonst stets mit Rabattaktionen für gefragte Volumenmodelle werben, finden sich in ihren Online-Auftritten aktuell eher Angebote für einen Klimaanlagen-Check, die Nachrüstung von Anhängerkupplungen oder für Marderabwehrgeräte. „Wer jetzt einen Neuwagen will, kauft zu den höchsten Preisen“, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR Center Automotive Research, dem Abendblatt. „Wir sehen derzeit die niedrigsten Rabatte bei Internet-Anbietern seit mehr als zehn Jahren.“
Bei den 30 meistverkauften Neuwagen mit Verbrennungsmotor sind die Preisnachlässe im April nach Erhebungen von Dudenhöffers Team auf durchschnittlich 16,3 Prozent gefallen. In den Jahren 2019 und 2020 waren es zeitweise rund 21 Prozent. „Die Preisnachlässe erreichen nicht mehr das Niveau der Vergangenheit“, sagt auch Michael Babick, Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Händlergruppe Krüll Motor Company mit Marken wie Ford, Volvo, Citroën, Nissan und Toyota. Von den höheren Erträgen profitierten aber eher die Hersteller als die Händler.
Lieferprobleme der Hersteller haben sich noch verschärft
„Die Situation ist sehr herausfordernd für alle Beteiligten“, sagt Babick zur Verfügbarkeit der Autos. „Nachdem wir zu Jahresanfang meinten, dass sich die Halbleiter-Knappheit etwas entspannt, fehlt uns noch immer eine Menge an Neufahrzeugen.“ Zudem seien die Kunden bei der Neubestellung sehr eingeschränkt, weil etliche Modellreihen aktuell gar nicht produziert würden.
„Wir haben volle Auftragsbücher, konnten aber im April nur 40 Prozent der geplanten Zahl an Neuwagen ausliefern“, sagt Christian Cuypers, Geschäftsführer der Hamburger Dello-Gruppe, die vor allem Opel, aber auch andere Marken wie Kia, Mazda und Fiat im Programm hat. Die Lieferprobleme der Hersteller hätten sich seit Jahresbeginn eher noch verschärft, nur bei den asiatischen Marken sehe es etwas besser aus. Weil es allen Händlern auf dem Markt gleichermaßen so gehe, ließen sich im Wettbewerb nun aber zumindest etwas höhere Preise durchsetzen.
Lieferzeit beim 1er BMW neun bis zwölf Monate
Auch ein Schreiben des Hamburger Ford-Händlers Hugo Pfohe an seine Kunden zeigt deutlich, wie schwierig die Versorgungslage in den Autohäusern ist: Das Unternehmen habe sich ein „Sonderkontingent“ von 86 Puma- und 173 Kuga-Modellen – die laut Dudenhöffer bei großen Internethändlern derzeit gar nicht erhältlich sind – sichern können, heißt es da: „Bevor wir diese Fahrzeuge in einigen Wochen im Markt anpreisen, ist es uns sehr wichtig, Ihnen als langjährigen Hugo Pfohe Kunden vorab die Möglichkeit zu geben, eines dieser Fahrzeuge priorisiert zu erwerben.“ Man rechne „noch in diesem Jahr“ mit der Lieferung.
Nach Erkenntnissen des Neuwagen-Vergleichsportals Carwow kann es auch bei etlichen anderen gängigen Autotypen knapp werden mit der Lieferung noch im Jahr 2022. So habe etwa der VW Golf 8 eine Lieferzeit von sechs bis acht Monaten. Beim Renault Clio seien es sieben bis acht Monate und beim 1er von BMW sogar neun bis zwölf Monate.
Wartezeiten bei Elektro- oder Hybridantrieb besonders lang
Auf Autos mit Elektro- oder Hybridantrieb muss man häufig besonders lange warten. So gibt Carwow für den Opel Corsa-e zwölf bis 14 Monate an, ebenso für die Modelle ID.3 und ID.4 von Volkswagen. Die Plug-in-Hybrid-Ausführung der Mercedes C-Klasse komme erst nach 15 bis 17 Monaten beim Kunden an, der Skoda Enyaq iV 80 nach 15 bis 18 Monaten und ein Audi Q4 e-tron nach 18 bis 20 Monaten. Da ist Fiat beim Modell 500e mit sechs bis sieben Monaten vergleichsweise schnell.
Insgesamt geht der weltweite Automarkt laut Dudenhöffer durch eine Angebotskrise, die „in der Vergangenheit in diesem Ausmaß seit den 1960-er Jahren nicht beobachtbar war“. Überlappende Krisen in der Welt, wie der Ukraine-Krieg und die Logistik-Engpässe aufgrund der Corona-Lockdowns in China, hätten zu einem „deutlich lückenhaften Neuwagenangebot“, langen Lieferzeiten und Produktionsausfällen geführt. „Äußerst eng“ sei das Angebot ebenso bei tageszugelassenen Fahrzeugen, jungen Gebrauchtwagen, den Vermieterfahrzeugen und den Rückläufern aus dem Vermietgeschäft, so der Experte.
Was das konkret heißt, zeigt das Beispiel des Ford Focus Kombi – ein Auto, das in früheren Jahren immer wieder einmal mit satten Rabatten von bis zu 35 Prozent verkauft wurde. Selbst als Tageszulassung ist ein solcher Wagen in Hamburg derzeit kaum noch für weniger als 25.000 Euro zu bekommen, vor zwei Jahren lag der entsprechende Preis bei 16.000 Euro.
Auto-Abos sorgen für leichte Entspannung
Nach Angaben von Dudenhöffer wird der Nissan Qashqai mit nahezu gleichem Rabatt als direkt verfügbare Tageszulassung oder als Neuwagen mit entsprechender Lieferzeit angeboten. Neuwagen mit langer Lieferzeit könnten für den Käufer jetzt sogar günstiger sein als Kurzzulassungen. „Das ist schon äußerst ungewöhnlich – eine Markt-Kapriole, wenn man so will“, sagt Dudenhöffer.
Für eine leichte Entspannung im „Angebotsstress“ sorgen nach seiner Beobachtung allenfalls die Auto-Abos, also die monatsweise Miete eines Fahrzeugs zu einem Preis, der außer dem Treibstoff alle Kosten abdeckt. Auf Autos mit Benzinmotor müsse man hierbei im Schnitt nur sieben Wochen warten. Bei den vollelektrischen Pkw habe sich die Lieferzeit seit Dezember allerdings von 7,8 Wochen auf zuletzt 14,3 Wochen verlängert.
Von den Herstellern höre man zwar, dass sich die Bestellsituation in den kommenden Monaten etwas bessern werde, sagt Dello-Geschäftsführer Cuypers. „Ich weiß aber nicht, ob uns das nicht eventuell nur beruhigen soll.“