Hamburg. Aus für Thioune – das formulierte Ziel wirkte unglaubwürdig. HSV verspielt Kredit bei den Fans. Was sich Boldt vorwerfen lassen muss.

Die Gültigkeit seiner Worte hielt genau zwei Tage. „Wenn wir die Ruhe bewahren, werden wir auf Strecke erfolgreich sein. Davon bin ich überzeugt“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt am Freitagmittag, als er von einem Journalisten gefragt wurde, warum er sich gegen einen Trainerwechsel im Saisonendspurt entschieden habe.

Keine 48 Stunden später war klar: Der HSV wechselt den Trainer. Gefressen waren Boldts Worte. Und nicht nur seine Worte von Freitag. Die ganze Idee, mit Daniel Thioune den Weg der Entwicklung zu gehen, war mit einem Schlag hinfällig. Und wirkt darüber hinaus im Nachhinein auch ziemlich unglaubwürdig.

HSV entlässt Thioune zum falschen Zeitpunkt

Viele HSV-Fans konnten sich identifizieren mit dem Weg, den Boldt zusammen mit Sportdirektor Michael Mutzel und Thioune im vergangenen Sommer eingeschlagen hatten. Als Konsequenz des verpassten Nichtaufstiegs mit dem erfahren Trainer Dieter Hecking, der mit einem erfahrenen Kader „All in" gegangen und am Ende krachend gescheitert war, sollte es nun ein anderer Weg sein. Mit einem jungen, hungrigen Trainer, der eine Mannschaft mit jungen und hungrigen Spielern formen kann.

Die Schlagworte Ambition und Entwicklung stellte Boldt in den Vordergrund. Ein Aufstieg wäre natürlich schön, hieß es. Aber wenn es nicht klappe, gehe man gemeinsam mit dem Trainerstab auch in die neue Spielzeit. Endlich mal einen anderen Weg gehen. So hatten es die Verantwortlichen vor der Saison gemeinsam mit dem Aufsichtsrat beschlossen. Und sogar noch bekräftigt, als sich der HSV beim 1:2 in Sandhausen vor zehn Tagen in einem desolaten Zustand präsentierte.

Es wäre der Moment gewesen, in dem der Vorstand hätte reagieren müssen – wenn es denn mit dem Aufstieg noch klappen sollte. So aber sagte Boldt drei Tage später nach dem 1:1 in Regensburg: „Es wurde in der Vergangenheit mehrfach praktiziert, dass dann wieder ein neuer Trainer kam und es ist nicht zwingend besser geworden. Also vielleicht mal einen Weg gemeinsam gehen.“ Und: „Ich habe keine Zweifel am Trainer.“

HSV-Sportvorstand Jonas Boldt muss sich nach der Entlassung von Trainer Daniel Thioune Kritik gefallen lassen.
HSV-Sportvorstand Jonas Boldt muss sich nach der Entlassung von Trainer Daniel Thioune Kritik gefallen lassen. © Witters | Unbekannt

Was sich Boldt beim HSV vorwerfen lassen muss

Doch die Zweifel wurden bereits zu diesem Zeitpunkt immer größer. Klar ist natürlich auch: Wenn man als Sportvorstand von einem Trainer nicht mehr überzeugt ist und den Glauben in seine Arbeit verliert, muss man eine harte und oft auch unangenehme Entscheidung treffen. Das gehört zu diesem Geschäft dazu. Aber es gehört zu diesem Geschäft eben auch dazu, dass die Worte von heute schon morgen nichts mehr zählen müssen.

Henrik Jacobs ist Redakteur in der Sportredaktion.
Henrik Jacobs arbeitet als HSV-Reporter beim Abendblatt. © HA | Marcelo Hernandez

HSV-Sportvorstand Boldt muss sich in diesem ganz konkreten Fall vorwerfen lassen, sein Saisonziel nicht klar kommuniziert zu haben. Der HSV wollte nichts anderes, als aufzusteigen. Spieler wie Simon Terodde (33) oder Sven Ulreich (32) hat der Club nicht verpflichtet, um junge Spieler an ihrer Seite zu entwickeln.

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Angesichts der fehlenden finanziellen Mittel hatte der HSV auch gar keine andere Wahl, als eben auch auf Spieler zu setzen, die unter Hecking keine Rolle spielten. Boldt formulierte diese Bausteine dann als Weg der Entwicklung und der Ambition. Klingt ja auch gut. Aber sollten Ambition und Entwicklung nicht die Grundvoraussetzung in einem Proficlub sein?

Warum Thioune beim HSV gescheitert ist

Es war keine leichte Aufgabe für Trainer Thioune. Er sollte gleichzeitig junge Spieler entwickeln, langjährige Problemfälle wie Bobby Wood integrieren und gleichzeitig den Aufstieg schaffen. Zu viele Aufgaben, wie sich am Ende herausstellte. Dabei blieb der Trainer natürlich nicht frei von Fehlern. Auch Thioune hat sich im Zweifel nie getraut, den Weg der Entwicklung konsequent durchzuziehen.

Ein Spieler wie Manuel Wintzheimer (22) saß trotz guter Quoten zwischenzeitlich lange draußen. Das Gleiche gilt für Amadou Onana (19). Und einem Jonas David (21) gab der Trainer nach einem missglückten Spiel im DFB-Pokal überhaupt keine Chance mehr. Entwicklung geht anders. Doch der Chefcoach wusste eben auch, was von ihm erwartet wurde. Am Ende verlor er dann auch noch den Rückhalt seiner Führungsspieler.

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Solche Fehler sollte man aber einkalkulieren, wenn man einen Weg der Entwicklung gehen will. Ansonsten sollte man diesen Weg anders bezeichnen. So wie es der HSV jetzt gemacht hat, hat er nicht nur an Glaubwürdigkeit verloren, sondern bei den Fans auch weiteren Kredit verspielt.