Hamburg. Letzte Zeugen: Ex-Bürgermeister scherzt über Bankberater, Ahlhaus weiß nichts von krummen Geschäften, Olearius-Aussage bleibt offen.

Nach vier Jahren Aufklärungsarbeit schließt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal am Freitag seine Zeugenvernehmungen ab. Neben den Alt-Bürgermeistern Ole von Beust und Christoph Ahlhaus sowie der früheren Senatorin Herlind Gundelach (alle CDU) wurde auch der ehemalige Wirtschaftssenator und einstige SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow zu den Cum-Ex-Geschäften der HSH Nordbank befragt.

Doch zunächst ging es um die Frage, ob sich der Ausschuss noch einmal den Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank, mit denen er sich die ersten drei Jahre beschäftigt hatte, zuwendet. Obwohl die knappe Zeit bis zur Bürgerschaftswahl Anfang März eigentlich zur Erstellung des Abschlussberichts genutzt werden soll, beantragte die Linkspartei, Warburg-Gesellschafter Christian Olearius im Januar als Zeugen zu vernehmen.

Mit von Beust und Mirow: Das große Finale der Cum-Ex-Aufklärung

Das stieß jedoch auf viel Skepsis – vor allem, weil das Verfahren gegen Olearius vor dem Landgericht Bonn wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes im vergangenen Jahr eingestellt worden war. Sein Anwalt Peter Gauweiler wies darauf hin, dass sein Mandant während des acht Jahre andauernden Verfahrens nicht nur Frau und Tochter verloren habe, sondern auch seine Gesundheit „ruiniert“ worden sei. Zudem habe Olearius dem PUA bereits mehr als 100 Fragen schriftlich beantwortet und seine Tagebücher lägen dem Ausschuss vor.

Sitzung Untersuchungsausschuss «Cum-Ex Steuergeldaffäre»
Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU, M.), hier mit Medienvertretern, sagte als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre aus. © DPA Images | Markus Scholz

Auch der Ausschussvorsitzende Mathias Petersen (SPD), im Hauptberuf Arzt, meldete Bedenken gegen eine Vernehmung des 82-Jährigen an. Schließlich beschloss der Ausschuss einstimmig, bei Olearius anzufragen, ob er sich eine kurze Vernehmung zutraue. Falls das nicht der Fall sei, könnten ihm noch einmal schriftlich Fragen gestellt werden.

Ex-Bürgermeister Ahlhaus weiß nichts von „speziellen Geschäftspraktiken“ bei der HSH Nordbank

Der anschließende Auftritt von Ex-Bürgermeister Ahlhaus dauerte nur wenige Minuten. Er habe sich in seiner nur sechsmonatigen Amtszeit ab August 2010 zwar mit der Schieflage der HSH Nordbank beschäftigt, „aber nicht mit speziellen Geschäftspraktiken“, betonte der 55-Jährige. Cum-Ex sei damals „kein Thema“ gewesen. Weitere Nachfragen erübrigten sich daher.

Noch schneller wurde Herlind Gundelach wieder entlassen. Die ehemalige Wissenschaftssenatorin, die unter Ahlhaus nach dem Bruch von Schwarz-Grün für wenige Wochen auch die Finanzbehörde geführt hatte, machte sofort deutlich, dass sie sich mit der HSH eigentlich bis auf eine Personalie „überhaupt nicht“ befasst habe. „Ich frage mich sowieso, warum ich heute hier bin“, sagte die 75-Jährige. Worauf ihr Milan Pein (SPD) erklärte: „Wir können ja nicht wissen, was Sie wissen und nicht voraussetzen, dass Sie nichts wissen.“ Daher müsse man sie befragen.

Thomas Mirow: „Es wird nichts verbuddelt. Alles muss raus“

Erhellender war der Auftritt von Thomas Mirow. Der frühere SPD-Wirtschaftssenator, der 2013 den Aufsichtsratsvorsitz bei der HSH Nordbank übernommen hatte, berichtete, dass sich das Kontrollgremium nicht nur mit der Schieflage der einstigen Landesbank, sondern auch mit deren offensichtlich betrügerischen Geschäften beschäftigt habe. Weil eine erste Untersuchung für die Jahre 2006 und 2007 nicht viel ergeben habe, sei nach seiner Amtsübernahme der Auftrag auf die Jahre 2008 bis 2011 erweitert worden.

„Je tiefer man gegraben hat, desto mehr hat man gefunden“, so Mirow. So sei man schließlich auf 112 Millionen Euro an zu Unrecht erstatteten Steuern gekommen. Das Grundverständnis sei damals gewesen: „Es wird nichts verschwiegen, es wird nichts verbuddelt. Alles muss raus“, so der 71-Jährige. Die HSH Nordbank sei nach diversen Skandalen „schrecklich übel beleumundet“ gewesen, so Mirow. Daher habe von dieser Untersuchung auch die Botschaft ausgehen sollen, dass es in der Bank nicht mehr drunter und drüber gehe.

Ole von Beust gibt als Wohnort „Gemeinde Sylt“ an

Zeitweise unterhaltsam wurde es, als um 17.40 Uhr die Befragung von Ole von Beust begann. Das begann schon bei den Angaben zur Person: Der Rechtsanwalt, der als Berater zwar zwischen Hamburg und Berlin pendelt, gab als Wohnort überraschend „Gemeinde Sylt“ an. Dort hatte von Beust schon zu seinen neun Jahren als Bürgermeister (2001 bis 2010) gern die Wochenenden verbracht – mittlerweile ist er offenbar auf der Nordseeinsel gemeldet.

Auf die Frage, ob er sich früher mit Bankern getroffen habe – so wie sich sein Nach-Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mehrfach mit Christian Olearius und Max Warburg getroffen hatte –, scherzte von Beust: „Mein Berater war bei der Haspa, mit dem schon.“ Als Bürgermeister habe er auch hin und wieder Bank-Vertreter getroffen, aber an ein Treffen mit Olearius erinnere er sich nur aus seiner vorherigen Zeit als CDU-Fraktionschef, so der 69-Jährige.

Ole von Beust: „Cum-Ex ist nie ein Thema gewesen“

In seiner Amtszeit habe er zwar oft mit dem Thema HSH Nordbank zu tun gehabt, aber dabei sei es um die dramatische Situation und die mögliche Rettung gegangen. „Cum-Ex ist nie ein Thema gewesen.“ Auf Nachfrage von Milan Pein (SPD), dass die Staatsanwaltschaft schon 2009 wegen möglicherweise krummer Geschäfte gegen die HSH ermittelt habe, entgegnete von Beust: „Umso besser.“ Dann hätten sich ja Experten um das Thema gekümmert. Er habe es als Bürgermeister immer so gehalten, dass er sich nie in laufende Ermittlungen eingemischt habe – um den Eindruck einer Beeinflussung zu vermeiden.

Der Untersuchungsausschuss hatte seit Ende 2020 zunächst untersucht, warum die Finanzämter 2016 und 2017 darauf verzichtet hatten, von der Warburg-Bank insgesamt rund 90 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften zurückzufordern. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, welche Rolle der frühere Bürgermeister Olaf Scholz und der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher (beide SPD) dabei spielten.

Trotz einiger Indizien konnte der PUA keinen Beweis dafür finden, dass sich einer der Politiker aktiv in den Fall eingeschaltet hat. Ein Schaden für die Stadt war ohnehin nicht entstanden, da Warburg die Steuern samt Zinsen längst erstattet hat. Beendet war das Kapitel Cum-Ex damit aber nicht. Denn die Anwälte der Warburg-Gesellschafter sahen ihre Mandanten und deren Institut zu Unrecht allein am Pranger stehen und verlangten, dass auch die Cum-Ex-Geschäfte der früheren HSH Nordbank untersucht werden sollten.

HSH Nordbank hatte Fiskus um 112 Millionen Euro geprellt

Der Erkenntnisgewinn aus der Verlängerung des PUA war jedoch gering. Die 2018 privatisierte einstige Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein hatte 2013 selbst öffentlich gemacht, dass sie in den Jahren 2008 bis 2011 den Fiskus um insgesamt rund 112 Millionen Euro an Kapitalertragsteuern geprellt hatte. Später zahlte sie inklusive Zinsen 127 Millionen Euro zurück. Für Erstaunen im Ausschuss sorgte lediglich, dass der damalige SPD-Senat den Untersuchungsbericht, den die HSH bei einer Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hatte, nicht weiter hinterfragt hatte.

Die von ihm empfundene Ungleichbehandlung betonte Gauweiler am Freitag erneut ausführlich und in deftigen Worten. Es sei „mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar“, wenn der Staat „ausgesuchte Private“ – gemeint waren die Warburg-Bank und ihre Eigentümer – „an den Pranger stellt“ und für vermeintliche Straftaten verfolge, während die öffentliche Hand – gemeint waren die HSH und andere frühere Landesbanken wie die WestLB – solche Straftaten „offensichtlich selbst begangen haben“, so der frühere CSU-Politiker. Das könne man auch „staatlich gebilligte Rechtsbeugung nennen“.

Von Beust, Sylt, „Alles muss raus“: Das große Cum-Ex-Finale

Gauweiler griff auch die von der HSH damals selbst in Auftrag gegebene Untersuchung zu den Cum-Ex-Deals scharf an. Die könne gar nicht objektiv gewesen sein, da sie von zwei Anwälten verfasst worden sei, die früher beratend an Cum-Ex-Geschäften der WestLB und der HSH Nordbank beteiligt gewesen seien. Der Interessenkonflikt sei „offensichtlich“ und der Bericht möglicherweise unvollständig.

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In Namen des HSH-Nachfolge-Instituts Hamburg Commercial Bank (HCOB) wies der Rechtsanwalt Sören Schomburg die Vorwürfe zurück. Es sei „schlicht falsch“, dass der Bericht nicht vollständig sei. Er habe eher den Eindruck, dass mit den Vorwürfen nur „von Warburg abgelenkt“ werden solle. Es sei zwar richtig, dass die HSH vor 2013 „immer für eine Schlagzeile gut“ gewesen sei. Aber danach habe sie eng mit den Behörden und dem Untersuchungsausschuss kooperiert.