Hamburg. BIG-Fluglärm will, dass die Betriebsgenehmigung geändert wird. Behörde prüft Anliegen. In diesem Jahr gab es rund 1000 Flüge nach 23 Uhr.

Den Bürgerinitiativen, die sich für mehr Fluglärmschutz einsetzen, ist die Verspätungsregel am Flughafen Hamburg seit vielen Jahren ein Dorn im Auge. Verspäten sich Flugzeuge, deren Start oder Landung planmäßig bis 23 Uhr vorgesehen war, dürfen sie noch bis Mitternacht abheben oder aufsetzen – wenn dafür sogenannte unvermeidbare Gründe vorliegen.

Der Dachverband BIG-Fluglärm Hamburg will nun eine Verschärfung dieser Regelung erreichen. Man fordere die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Innovation auf, eine Änderung der Betriebsgenehmigung des Flughafens Hamburg vorzunehmen, teilte am Mittwoch der Verband mit, der mittlerweile als Umweltvereinigung anerkannt ist.

Flughafen Hamburg: Verschärfte Regelung für Nachtflüge gefordert

„Der Schutz der Nachtruhe ist kein ‚nice-to-have‘, sondern ein Grundrecht, das der Staat zu garantieren hat“, sagte der BIG-Fluglärm-Vorsitzende Martin Mosel: „Es ist rücksichtslos gegenüber den Anwohnern, dass die Verspätungsregelung weder konsequent durchgesetzt noch an die Realität angepasst wird.“

Stattdessen würden die Interessen der Fluggesellschaften über die Gesundheit der Menschen gestellt. Denn Studien zeigten, dass nächtlicher Lärm Schlafstörungen verursache und die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhe.

Flughafen Hamburg: Rund 1000 Starts und Landungen gab es 2024 nach 23 Uhr

Laut der Initiative habe es in den ersten elf Monaten 2024 fast 950 Starts und Landungen nach 23 Uhr gegeben. Das sei ein „trauriger Höchstwert“, hieß es. Die Umweltbehörde nannte sogar die Zahl von 987 Flugbewegungen nach 23 Uhr. Außerdem habe es 36 von der Fluglärmschutzbeauftragten genehmigte Flüge nach 0 Uhr gegeben. Die Zahl der verspäteten Passagierflüge sei die höchste seit dem Jahr 2018, so Umweltbehördensprecherin Franziska Fleischhauer. 

Vor sechs Jahren hatte es mit 1174 verspäteten Abflügen und Ankünften einen Negativrekord gegeben. Von Januar bis Ende November waren es damals 1127 – ein Allzeithoch liegt für dieses Jahr also nicht vor. Im Gesamtjahr 2019 sank die Zahl auf 678. In der Corona-Krise brach die Zahl der Verspätungen wegen des lahmenden Flugverkehrs massiv auf 181 in den Jahren 2020 und 2021 zusammen ein. 2022 waren es 873 und 2023 809 Flüge zwischen 23 und 0 Uhr.

Fluglärmschützer fordern drei Punkte von der Wirtschaftsbehörde

BIG-Fluglärm fordert von der Wirtschaftsbehörde unverzügliches Handeln in drei Punkten: Erstens müsse in der Betriebsgenehmigung die Ausnahmeregelung derart verschärft werden, dass Verspätungen nach 23 Uhr „dauerhaft drastisch reduziert werden“. Der Lärmschutz müsse effektiv gewährleistet sein, sagte Rechtsanwältin Franziska Heß, die die Initiative vertritt: „Nur so kann das berechtigte Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner auf Nachtruhe geschützt werden.“

Zweitens solle es eine klare Definition von „unvermeidbaren Verspätungen“ sowie regelmäßige Kontrollen und empfindliche Strafen bei Verstößen geben. Nach mehr als 30 Jahren bestehender Verspätungsregel habe sich in der Praxis keine Klarheit und kein Einvernehmen darüber eingestellt, wie die Bestimmung zu verstehen sei. Drittens solle der Nachtflugverkehr langfristig reduziert werden.

Flughafen Hamburg: Wirtschaftsbehörde will den Antrag prüfen

Die Wirtschaftsbehörde bestätigte, dass der Antrag der Initiative eingegangen sei. Diesen will man jetzt im Einzelnen prüfen. Aus Kreisen hieß es unserer Redaktion gegenüber aber, dass eine Änderung der Betriebsgenehmigung des Flughafens Hamburg nach so vielen Jahren wohl eher unwahrscheinlich sei.

Die Wirtschaftsbehörde verwies darauf, dass der Airport für ganz Norddeutschland eine wichtige Verkehrsanbindung sei, die auch „ganz erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen“ bringe, so Sprecher Martin Helfrich. Als internationaler Verkehrsflughafen sei er rund um die Uhr in Betrieb, zum Beispiel für medizinische oder polizeiliche Flüge.

Flughafen Hamburg: Wirtschaftsbehörde will keinen harten Schluss um 23 Uhr

Wegen der innenstädtischen Lage gälten nachts bereits Einschränkungen der Betriebszeiten, um Fluglärm zu minimieren. Bei nachweislich unvermeidbaren Verspätungen wie schweren Wetterereignissen müssten Starts und Landungen nach 23 Uhr möglich bleiben. Ein harter Schluss zum Beispiel nach 23 Uhr wäre daher „weder sinnvoll noch möglich“, so Helfrich.

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Durch die gestaffelten Nachtzuschläge, die bis zu 700 Prozent des Start- und Landeentgelts betragen können, seien späte Flüge sehr teuer und unattraktiv für die Airlines. Ob sie unvermeidbar gewesen seien, könne die Umweltbehörde prüfen und gegebenenfalls wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld aussprechen. 2023 seien elf Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Airlines eingeleitet worden. Zehn davon wurden eingestellt, weil die Verspätungen sich nach Anhörung als unvermeidbar herausgestellt habe, so Helfrich.

Umweltbehörde wünscht sich klare Kriterien für Begriff „Vermeidbarkeit“

Die Umweltbehörde moniert aber, dass eine Ahndung dieser Verspätungen „durch den unbestimmten Begriff der ,Vermeidbarkeit‘ erschwert“ werde, so Fleischhauer: „Da es hierfür an eindeutigen Kriterien mangelt, können auf geltender Rechtslage die Verfahren nicht erfolgreich abgeschlossen werden.“

Die Extremwetterereignisse wie Unwetter, Stürme und Katastrophen nähmen zu und hätten für zahlreiche Verspätungsfälle gesorgt, so die Wirtschaftsbehörde. Zudem veränderten die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine die Flugrouten. Generell sei die Lärmbelästigung der Anwohner durch leisere Turbinen und Triebwerke „im langjährigen Vergleich deutlich“ zurückgegangen.

Flughafen Hamburg: Lärmschützer wollen nicht ruhen, bis „Menschen wieder ruhig schlafen können“

Der Initiative dürfte dies nicht reichen, sie dürfte es gegebenenfalls auch anders sehen. Schließlich sprach sie von einer sich seit Jahren verschlechternden Situation für die Anwohner. „Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen in Hamburg wieder ruhig schlafen können“, sagte Mosel: „Wenn die Behörden nicht bereit sind, endlich Verantwortung zu übernehmen, prüfen wir weitere rechtliche Schritte. Die Zeit des Aussitzens ist vorbei.“