Hamburg. Airport will Gebühren erhöhen. Ryanair & Co. reagieren mit Streckenstreichungen. Ton der Auseinandersetzung wird rauer.

Seit einer Woche steht der Flughafen Hamburg im Fokus. Nach und nach kündigten Ryanair, Eurowings und Condor an, ihr Angebot zu kürzen. Als Grund nannte die irische Billigfluglinie die hohen Standortkosten in Deutschland. Deswegen kündigte Ryanair neben der Kapazitätsreduzierung um 60 Prozent in Hamburg und dem Aus für sechs Strecken im Sommerflugplan 2025 zugleich den kompletten Rückzug von den Flughäfen in Dortmund, Dresden und Leipzig an.

Eurowings will 2025 in Fuhlsbüttel sieben Ziele und mehr als 1000 Flüge aus dem Programm nehmen. Condor streicht zwei Destinationen und sagte geplantes Wachstum wieder ab. Die beiden deutschen Airlines verwiesen vor allem auf die geplante Erhöhung der Gebühren am Helmut-Schmidt-Flughafen. Unsere Redaktion erläutert die Hintergründe und Auswirkungen.

Airport Hamburg: Wie viele Passagiere würde der Flughafen verlieren?

Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) malt ein düsteres Bild und schätzt den Verlust durch die angekündigten Flugstreichungen in Hamburg auf bis zu 500.000 Passagiere. Zum Vergleich: Für das Gesamtjahr 2024 rechnete der Airport zum Jahresanfang mit 14,3 Millionen Gästen. Das Minus dürfte sich damit im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegen.

Der Flughafen nennt keine konkrete Zahl. „Wie hoch die Gesamtzahl der gestrichenen Flüge ist, können wir zurzeit noch nicht sagen, weil uns die konkreten Angaben der Fluggesellschaften weiterhin fehlen“, sagte Airport-Sprecherin Janet Niemeyer auf Anfrage. Zudem würden die Planungen für den Sommerflugplan erst Ende Januar 2025 abgeschlossen sein.

„Wir sind zurzeit sehr intensiv mit verschiedenen Airlines im Gespräch, die durchaus Interesse daran haben, Flugstrecken ab Hamburg anzubieten“, sagte Niemeyer und hofft also auf Ersatz für Ryanair und Co.: „Hamburg ist ein starker, attraktiver Markt.“

Zur weiteren Einordnung: 2023 gab es in Fuhlsbüttel 120.300 Starts und Landungen. Eurowings will gut 1000 Flüge kappen – das wären also um die ein Prozent. Man habe trotz der geplanten Streichungen der drei Airlines eine große Auswahl, so der Airport. 55 Fluggesellschaften fliegen zu derzeit 120 Direktzielen, viele Ziele werden von mehreren Fluggesellschaften angeflogen.

Flughafen Hamburg: Wie entwickelt sich der Luftverkehr seit Corona?

Die Branche zieht als Indikator die Zahl der angebotenen Sitzplätze heran und vergleicht sie mit 2019. Das Vor-Corona-Jahr wird als Maßstab genommen, weil während der Pandemie die Passagierzahlen und die Angebote der Airlines massiv eingebrochen waren.

Bei der Vorausschau für September bis Februar 2025 steht der Flughafen Hamburg im nationalen Vergleich laut dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) gut da. Die sogenannte Erholungsrate liegt in Hamburg bei 86 Prozent. Unter den großen deutschen Flughäfen liegt nur Frankfurt (88) weiter vorn. Die Konkurrenten München (83), Düsseldorf (74), Berlin-Brandenburg (76), Köln/Bonn (75) und Stuttgart (66) weisen schwächere Werte aus.

Das Problem ist der europäische Vergleich, bei dem Deutschland weit zurückhinkt. Im ersten Halbjahr 2024 hat die Erholungsrate bei 83 Prozent gelegen. In Gesamteuropa lag sie bei 99 Prozent. In vielen Ländern wird aber deutlich mehr geflogen.

So lag die Erholungsrate in Griechenland bei 123, in Kroatien bei 121 und in Malta bei 119 Prozent. Auch in den Urlaubsländern Portugal (115), Spanien und Italien (beide je 110) wird deutlich mehr abgehoben. Niedriger als in der Bundesrepublik ist die Erholungsrate nur noch in Finnland (77), Schweden (75) und Slowenien (66).

Warum entwickeln sich die europäischen Länder so unterschiedlich?

Der BDL kommt zu dem Schluss, dass das Luftverkehrsangebot in Europa im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit zwar in etwa gleich groß geblieben ist, es aber deutliche Verschiebungen zwischen einzelnen Ländern gebe – durch Flottenverlagerungen.

So haben die Punkt-zu-Punkt-Airlines – also die Billigfluglinien – im europäischen Durchschnitt auf 112 Prozent ausgebaut. In der Bundesrepublik sind es aber nur 71 Prozent. Im Klartext: Ryanair, Easyjet und Co. verabschieden sich aus Deutschland und fliegen aus und in andere Länder. Auch Eurowings hat schon 13 internationale Basen.

Für die Entwicklung verantwortlich gemacht werden seit Monaten die deutlich höheren staatlichen Standortkosten, die sich aus der Luftverkehrsteuer, der Luftsicherheitsgebühr und der Flugsicherungsgebühr für An- und Abflug ergeben.

Wie weit klaffen die staatlichen Standortkosten auseinander?

Wenn ein Airbus A320 von einem deutschen Flughafen abheben will, muss die Airline dafür wesentlich mehr Geld zahlen als in vielen anderen europäischen Ländern. Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurden dafür im Mai 2024 an staatlichen Standortkosten in Frankfurt 4410, in Stuttgart 4404 und in Düsseldorf 4390 Euro fällig.

„Die staatlichen Standortkosten des Flughafens Hamburg liegen derzeit aufgrund einer geringeren Luftsicherheitsabgabe etwa zehn Prozent unter denen von Frankfurt“, sagte ein DLR-Sprecher auf Anfrage. Der BDL sprach von aktuell circa 4200 Euro.

In Wien lägen diese Kosten bei 3715, in Paris Charles de Gaulle bei 3398, in Rom bei 2208, in Oslo bei 2081 und in Brüssel bei 1932 Euro. Besonders günstig seien Madrid mit 660, Istanbul mit 522 und Dublin mit 244 Euro.

Bei der wirtschaftlichen Ergebnisrechnung für Flüge in Europa spiele die Höhe dieser Abgaben eine erhebliche Rolle, so der BDL. Sie könne bei der Entscheidung, wo Flugzeuge eingesetzt werden, entscheidend werden. Länder mit hohen Erholungsraten lockten meist mit niedrigeren Abgaben.

Hamburger Flughafen: Wie haben sich Standortkosten seit Corona entwickelt?

Dem BDL zufolge gehörten die staatlichen Standortkosten schon 2019 zu den höchsten in Europa. Die maximale Differenz zwischen den teuren und günstigen europäischen Großflughäfen sei mit knapp 2000 Euro bei einem Airbus A320 aber deutlich niedriger gewesen als heute mit gut 4000 Euro. In Hamburg seien die Kosten von etwa 2300 auf rund 4200 Euro gestiegen – ein Plus von mehr als 80 Prozent.

Inzwischen entfielen fast 30 Euro des Ticketpreises eines typischen One-Way-Fluges von Deutschland zu einem europäischen Ziel auf die staatlichen Standortkosten, errechnete das DLR. Beispiel Stuttgart für einen A320 mit 150 Passagieren: Von den 4404 Euro entfallen 2330 Euro auf die Luftverkehrssteuer (ein Plus von 110 Prozent zum Jahr 2019), 1716 Euro auf die Luftsicherheitsabgaben (plus 53 Prozent) und 358 Euro auf die Flugsicherheitsgebühren (plus 118 Prozent).

Die Luftverkehrssteuer wurde zuletzt Anfang Mai um 25 Prozent erhöht. Je nach Entfernung werden nun 15,53 bis 70,83 Euro fällig. Die Höchstgrenze für die Luftsicherheitsgebühr, die für die Kontrolle der Passagiere und ihres Handgepäcks erhoben wird, soll 2025 von zehn auf 15 Euro steigen.

Ryanair forderte die Bundesregierung auf, die Luftverkehrssteuer abzuschaffen, die Flugsicherungsgebühren zu senken und die Erhöhung der Sicherheitsgebühr-Obergrenze zu verschieben. Das Bundesverkehrsministerium signalisierte: Bei den Flugsicherheitsgebühren prüfe man „im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit“, ob man deren turnusmäßige Erhöhung für 2025 abfedere, so eine Sprecherin.

Hinzu kommen Umweltauflagen von der EU und Deutschland, ab 2026 nachhaltig produziertes Kerosin (Sustainable Aviation Fuel, SAF) beizumischen. Das ist drei- bis viermal teurer als herkömmliches Kerosin.

Wie hoch sind die Standortkosten in Hamburg?

Aufgrund dieser hohen staatlichen Kosten hat Hamburgs Airport-Chef Christian Kunsch den Eindruck, dass man „Spielball eigentlich bundespolitischer Auseinandersetzungen geworden ist“. Die Fluglinien hätten sich abgesprochen, „um das maximale mediale Echo zu erzielen und ein Drohszenario für die Passagiere aufzubauen“.

Hamburgs Flughafen-Chef Christian Kunsch sieht den Airport als Spielball einer eigentlich bundespolitischen Auseinandersetzung.
Hamburgs Flughafen-Chef Christian Kunsch sieht den Airport als Spielball einer eigentlich bundespolitischen Auseinandersetzung. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Zu den staatlichen Standortkosten kommen aber eine Reihe individueller Gebühren und Entgelte an jedem Airport hinzu. Dazu gehören zum Beispiel die Kosten für Start und Landung, die in Abhängigkeit des Gewichts des Flugzeugs, seiner Lärmklasse und der Flugzeit variieren. Zudem müssen die Airlines pro Passagier oder für das Abstellen der Maschinen Entgelte bezahlen.

Für die Airlines sind letztlich die Gesamtkosten für den Flug ausschlaggebend. Eine Beispielrechnung, wie hoch diese für den Start eines A320 in Hamburg seien, konnte der Helmut-Schmidt-Flughafen aber zunächst nicht liefern.

Warum will der Flughafen Hamburg die Gebühren erhöhen?

Laut Flughafen sollen ab April 2025 die wesentlichen Flughafenentgelte um 2,30 Euro pro abfliegendem Passagier erhöht werden. Zur Begründung hatte Kunsch auf höhere Kosten für Energie, Personal und Fremdleistungen verwiesen und sagte: „Auch nach der Entgelterhöhung wird der Hamburger Flughafen bei der Höhe der Flughafenentgelte innerhalb Deutschlands auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zirka auf Höhe der Flughäfen Düsseldorf, Stuttgart und Berlin liegen.“

Flughafen Hamburg: Mehr zum Thema

Bestandteile dieser Erhöhung sind zum Beispiel die Start- und Landeentgelte mit einer geplanten überproportionalen Erhöhung der Lärm- und Nachtzuschläge, das Passagierentgelt und das Sicherheitsentgelt für die Personal- und Warenkontrollen.

„Finanziert werden durch diese Entgelte sämtliche Infrastrukturkosten für das Start-und-Lande-Bahn-System, die Vorfelder und Terminals, Umweltschutzmaßnahmen, Gepäckabfertigungsanlagen, Fluggastbrücken, Bodenstrom, Heiz- und Klimatechnik, Ver- und Entsorgung sowie Passagierservice“, sagte Niemeyer und ergänzte: „Der Antrag für die Erhöhung der Entgelte ist im Übrigen noch gar nicht eingereicht.“

Laut Airport haben die Flughafenentgelte nur einen sehr geringen Anteil an den Gesamtkosten für Fluggesellschaften, und zwar vier bis sechs Prozent. Bei BDF-Geschäftsführer Michael Engel stieß dies auf scharfe Kritik. Behaupte der Airport dies weiter, „dann weiß er entweder erschreckend wenig über die Kostenstrukturen seiner Kunden oder übersieht etliche Rechnungspositionen in seiner eigenen Entgeltordnung“, so Engel.

Pressefoto Michael Engel
Michael Engel ist Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften und kritisiert die geplante Gebührenerhöhung des Hamburger Flughafens. © Janine Schmitz/photothek.de | Janine Schmitz/photothek.de

Aus seiner Sicht liegen die Flughafenentgelte bei 15 Prozent der Gesamtkosten eines Fluges. Die geplante Erhöhung seien keine belanglosen Beträge, so Engel: „Offenbar weiß man beim Flughafen nicht, wie gering die Ergebnismargen der Airlines sind und dass drei Euro mehr oder weniger Belastung sehr wohl einen Unterschied zwischen Gewinn und Verlust für einen beförderten Passagier machen können.“