Hamburg. Reifen, die bei Schnee und Eis Pflicht sind, müssen jetzt ein bestimmtes Symbol tragen. Sonst drohen Strafen und Versicherungsprobleme.
Da sich die Temperaturen in und um Hamburg zunehmend dem Gefrierpunkt nähern, stellen sich viele Autofahrer derzeit die Frage, ob ihre Bereifung den winterlichen Anforderungen entspricht. In Deutschland gibt es keine starre Winterreifenpflicht, jedoch eine situative Regelung: Bei winterlichen Straßenverhältnissen wie Schnee, Glätte oder Matsch sind die Fahrer von Pkw, Transportern und Lastwagen verpflichtet, mit geeigneten Reifen unterwegs zu sein. Diese gesetzliche Vorgabe führt insbesondere im Norden Deutschlands aktuell zu Verunsicherung und deshalb vielen Anfragen im Fachhandel und in den Werkstätten.
Um als wintertauglich zu gelten, müssen Reifen mittlerweile das sogenannte „3 Peak Mountain Snow Flake“-Symbol (3PMSF) tragen – ein stilisiertes Piktogramm mit drei Berggipfeln und einer Schneeflocke in der Mitte (siehe Foto). Die ältere Kennzeichnung „M+S“ reicht dafür nicht mehr aus, ebenso genügt eine anders aussehende Schneeflocke nicht. Auch Ganzjahresreifen dürfen bei winterlichen Bedingungen nur dann verwendet werden, wenn dieses 3PMSF-Symbol auf der Außenflanke sichtbar ist. Die Regelung stellt sicher, dass die Reifen den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen, was von den Herstellern in speziellen Tests zu Traktion und Bremsleistung auf Schnee nachgewiesen werden muss.
Veraltete Winterreifen? „Das ist derzeit ein großes Thema in Hamburg“
„Das Schneeflockensymbol ist derzeit ein großes Thema. Wir erhalten dazu viele Anfragen und beraten unsere Kunden entsprechend“, sagt Ronald Nölle, Geschäftsführer von Reifen Helm in Hamburg, einem inhabergeführten Unternehmen mit 53 Filialen und mehr als 600 Mitarbeitern. Ein Austausch ist jedoch nicht sehr oft notwendig. „Veraltete Ganzjahres- und Winterreifen ohne dieses Symbol sind im klassischen Pkw-Bereich kaum noch im Umlauf“, so Nölle. Der Grund: Seit 2018 dürfen solche Reifen nicht mehr als wintertauglich verkauft werden.
Eugen Kein, Filialleiter von Reifen.com in Hamburg-Bramfeld, bestätigt: „Die meisten unserer Kunden haben sich rechtzeitig über die neue gesetzliche Regelung informiert und bei Bedarf neue Reifen angeschafft.“ Dennoch gebe es Ausnahmen: „Manche Kunden sind verunsichert oder bislang nicht informiert gewesen. Bei Bedarf prüfen wir, ob akuter Handlungsbedarf besteht.“ Besonders betroffen seien Geländewagen, die aus Drittländern importiert wurden. „Wir haben häufig festgestellt, dass diese Fahrzeuge mit Reifen ausgestattet sind, die das Schneeflockensymbol nicht tragen, da die EU-Vorgaben im Herkunftsland nicht relevant sind.“
Reifen ohne Schneeflocken-Symbol: bei Offroadern öfters ein Problem
Auch in Onlineforen wie motor-talk.de wird das Thema rege diskutiert. So berichtete ein Nutzer, dass sein neu ausgelieferter Land Rover Defender trotz entsprechender Bestellung mit Ganzjahresreifen ohne Alpine-Symbol ausgestattet gewesen sei. Ein anderer Nutzer beklagt ein ähnliches Problem bei seinem zwei Jahre alten Discovery 5.
Angesichts der zuletzt milden Winter verzichten immer mehr Hamburger darauf, „zwischen Oktober und Ostern“ von Sommer- auf echte Winterreifen zu wechseln. Stattdessen setzen sie auf Ganzjahresreifen, die den Vorteil haben, dass nur ein Satz Reifen erforderlich ist und die Einlagerung entfällt. „Dieser Trend zeigt sich auch bei uns“, sagt Kein. „Notfalls können unsere Kunden ja mal auf öffentliche Verkehrsmittel oder Carsharing-Angebote ausweichen.“ Wichtig bleibt jedoch: Auch Ganzjahresreifen müssen das Alpine-Symbol tragen. Fehlt es, drohen Bußgelder und Einschränkungen im Versicherungsschutz.
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Bei Missachtung der Vorschriften beginnen die Sanktionen mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in Flensburg. Wird durch die falsche Bereifung eine Verkehrsgefährdung verursacht, steigt das Bußgeld auf 80 Euro. Fahrzeughalter, die anderen erlauben, ihr Fahrzeug mit ungeeigneten Reifen zu nutzen, riskieren ebenfalls Bußgelder von bis zu 75 Euro.
Auto im Winter: Unzulässige Reifen gefährden den Versicherungsschutz
Viel schlimmer noch: Die HUK Coburg weist darauf hin, dass ein Unfall mit unzulässigen Reifen bei Eis und Schnee gravierende Folgen für den Versicherungsschutz haben kann. Die Kfz-Haftpflichtversicherung reguliere zwar den Schaden des Unfallgegners, könne jedoch bis zu 5000 Euro Regress vom Versicherungsnehmer verlangen, wenn dieser fahrlässig ohne Winterreifen gefahren ist. Auch bei Kasko-Versicherungen droht eine Kürzung der Leistungen, wenn sich nachweisen lässt, dass ungeeignete Reifen zum Unfall beigetragen haben. In schwerwiegenden Fällen können strafrechtliche Konsequenzen hinzukommen, insbesondere wenn die verlängerte Bremsstrecke zu Personenschäden führt.
Mithaftung: Unzulässige Winterreifen auch riskant bei unverschuldetem Unfall
Das Fachblatt „Auto Bild“, das regelmäßig Reifentests durchführt, weist zudem darauf hin, dass man sogar dann Versicherungsprobleme bekommen kann, wenn man gar nicht der Unfallverursacher ist. Ließe sich nachweisen, dass fehlende Winterbereifung auf der Seite des Unfallopfers zum Crash zumindest beigetragen hat, müsse man mit einer Mithaftung rechnen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ersetze den Schaden dann nicht mehr komplett, sondern nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz. Besonders prekär könne sich dies bei Personenschäden auswirken, wenn es um Schmerzensgeld, Verdienstausfall oder Rentenzahlungen geht.
Der ADAC bestätigt die Relevanz von Winterreifen bei niedrigen Temperaturen: „Auch ohne Schnee reichen Temperaturen um den Gefrierpunkt aus, um mit Sommerreifen ins Rutschen zu geraten.“ Winterreifen bleiben elastisch und bieten besseren Halt, was sich vor allem beim Bremsweg zeigt. „Bei verschneiten Straßen und einer Geschwindigkeit von 100 km/h verdoppelt sich der Bremsweg mit Sommerreifen“, warnt der Automobilclub. Gute Winter- oder Ganzjahresreifen seien daher essenziell, um die Unfallwahrscheinlichkeit deutlich zu senken.
Winterreifen-Wechsel: Wartezeit in Hamburgs Werkstätten bis zu drei Wochen
Wer derzeit in Hamburg einen Termin für den Reifenwechsel benötigt, muss mit Wartezeiten zwischen einer und drei Wochen rechnen. „Bei uns sind es derzeit etwa 14 Tage“, sagt Ronald Nölle von Reifen Helm. Habe man allerdings einen Nagel überfahren oder ein anderes dringendes Reifenproblem, könne auch schneller geholfen werden.