Hamburg. Mit dem Shuttleservice unterwegs in der Stadt. Das Abendblatt war mit dabei. Was in den kommenden Jahren konkret geplant ist.

  • Moia ohne Fahrer – das Abendblatt nimmt an der Testfahrt in Hamburg teil.
  • Der ID. Buzz AD ist vollgestopft mit Hochleistungstechnik.
  • Ende 2026/Anfang 2027 soll man in Hamburg Moias ohne Fahrer per App buchen können.

Die Zukunft bei Moia ist heute nicht golden, sondern schwarz. Aber nur in Bezug auf die Lackierung der neuen Fahrzeuge. Die Mobilitätstochter von Volkswagen hat Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und Vertreter der Medien dazu eingeladen, einmal durch Hamburg mitzufahren in einem der ersten autonomen vollelektrischen Shuttlebusse namens ID. Buzz AD. Ein Angebot, das neugierig macht und zeigen soll, wie weit die Technik ist.

Bislang kennt man Moia in Hamburg vor allem durch die 320 kantigen, goldfarbenen Kleinbusse auf Basis des VW LT, die vollelektrisch durch viele Stadtviertel fahren. Deren Fahrer gabeln Passagiere an fixen Punkten auf, wenn diese zuvor via Smartphone und Moia-App Start und Ziel angegeben haben. Eine ausgeklügelte Software berechnet anhand der Strecke und der Verkehrslage, ob gegebenenfalls unterwegs weitere Fahrgäste zusteigen können. Das Prinzip nennt sich „Ridepooling“ und hilft, die Ein-Personen-Kosten der Tour im Schnitt auf etwa 60 bis 70 Prozent einer Taxifahrt zu drücken, wenngleich zuletzt die Preise auch hier merklich angestiegen sind.

Moia: Autonomer Shuttle in Hamburg – erste Testfahrt mit Überraschungen

So weit, so bekannt seit 2019. Mehr als 11 Millionen Fahrgäste hat Moia inzwischen auf diese Weise befördert. Doch dabei wird es nicht bleiben. Denn neben der „normalen“ Moia-Flotte sind am Service-Hub des Unternehmens in Wandsbek nun auch 25 andere Fahrzeuge stationiert. Bei diesen handelt es sich um kleinere ID. Buzz-Fahrzeuge, deren Zusatz „AD“ verrät, dass es jetzt im nächsten Entwicklungsstadium um das autonome Fahren geht.

Zwei schwarze ID. Buzz AD stehen für unsere Testfahrt bereit. Im ersten nimmt unter anderem der Senator Platz, das Abendblatt folgt in Wagen zwei und kann unterwegs Fragen an Moia-Chef Sascha Meyer stellen. Vorne links, hinter dem Lenkrad, sitzt wie im normalen Moia-Fahrzeug ein Aufpasser. Allerdings nicht, um die ganze Zeit zu lenken, sondern nur noch, um im Notfall einzugreifen, falls das Auto selbst nicht mehr weiterweiß.

Bis zur ersten Ampel am Friedrich-Ebert-Damm steuert der „Safety Driver“ selbst, dann gibt er das Kommando an den ID. Buzz ab. Der autonome Moia-Bus biegt links ab Richtung Winterhude und wird uns nun auf einer gut 20-minütigen Runde sein Können demonstrieren, automatisch Gas geben, bremsen, lenken, blinken und die Spur wechseln. Die Hände des menschlichen Aufpassers bleiben stets in der Nähe des Lenkrads, man möchte in dieser Testphase nicht unnötig etwas riskieren.

Moia: Der ID. Buzz AD ist vollgestopft mit Kameras und Radarsystemen

Der ID. Buzz AD ist vollgestopft mit Hochleistungstechnik, die man ihm von außen teilweise ansieht. 13 Kameras, neun Lidar-Scanner und fünf Radare beobachten in jeder Millisekunde, was sich vor uns tut, die künstlichen „Augen“ reichen mehr als 300 Meter weit. Ein Computer rechnet alle diese Informationen blitzschnell in Fahrbefehle um. Um die Insassen und den Sicherheitsfahrer an den Erkenntnissen teilhaben zu lassen, bildet ein großes Display in der unteren Mitte des Cockpits ab, was das Moia-Fahrzeug gerade sieht. Dort zeichnen sich neben den Straßen alle weiteren Verkehrsteilnehmer ab, vom Fußgänger über Radfahrer bis zu den Autos, Lastwagen und Bussen vor, neben und hinter uns.

autonomes Fahren bei Moia
Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende, in der Garage am Moia-Hub in Wandsbek. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Verschiedene Farben zeigen an, wie die anderen Verkehrsteilnehmer vom Moia-Shuttle eingeschätzt werden. Manche sind grau, andere rot, gelb oder grün. Leuchtet etwas rot auf, bedeutet das für uns: Vorfahrt gewähren. Obwohl es heftig regnet, hat der ID. Buzz keine Probleme, sein Umfeld zu erkennen und auseinanderzudividieren. Was ihn von den meisten Hamburger Autofahrern unterscheidet, ist seine kompromisslose Haltung bezüglich der Verkehrsregeln: „Da wird bei Tempo 30 auch tatsächlich 30 gefahren“, sagt Meyer.

Ob Fahrbahnverengung, Heranrollen an eine Ampel oder Abbiegen: All das klappt auf unserer Fahrt zunächst, ohne dass der Hilfsfahrer eingreifen muss. Jedoch fällt auf, dass der Prototyp durchaus beherzt in die Bremsen steigt, wenn ihm etwas seltsam vorkommt, zum Beispiel ein etwas zu weit in die Straße hineinragender Busch. Doch dann passiert es tatsächlich: Ein DHL-Transporter hat sich derart unvorteilhaft auf einem Radfahrstreifen platziert, dass wir zunächst abbremsen. Als uns dann noch links ein Taxi die Spur schneidend überholt, herrscht für einen Augenblick Stillstand, bis der menschliche Fahrer den Computer von seinem Dilemma erlöst.

Autonomer Moia-Shuttle kann viel, aber noch nicht alles perfekt

Einige Minuten später sehen wir beim vorausfahrenden Wagen ein Problem: Während des Rechtsabbiegens wird ein Fußgänger offenbar zunächst falsch eingeschätzt. Statt frühzeitig anzuhalten, legt der ID. Buzz recht spät eine harte Bremsung hin. Später hören wir, dass dem Fahrzeug woanders eine große Pfütze Probleme bereitet haben soll. „All diese Ereignisse werden nun genau protokolliert und fließen in unsere Testergebnisse ein“, sagt Christian Senger, Chef von Volkswagen ADMT. So heißt die Tochter von Volkswagen Nutzfahrzeuge, die für die Weiterentwicklung der autonomen Ridepooling-Fahrzeuge zuständig ist.

Laut Senger wurden mit den weltweit insgesamt 100 ID. Buzz AD bislang 333.000 Testkilometer absolviert. Alle sechs Wochen wird die Software, die seit einem Systemwechsel auf Technik von Mobileye zurückgreift, aktualisiert. Neben Hamburg laufen Versuchsfahrten in München sowie in Austin/Texas (USA). Gerade der Blick auf die USA ist von Bedeutung, da es dort in einigen Bundesstaaten bereits vollautonome Taxis gibt, die ohne Fahrer auskommen. „Das sind allerdings konventionelle Fahrzeuge, auf die eine autonome Technik aufgesetzt wurde“, sagt Moia-Chef Meyer. „Wir hingegen bauen von Grund auf ein neues autonomes Ridepooling-Konzept auf, mit dem wir Level 4 erreichen und das dann auch dem Dauerbetrieb standhält.“

autonomes Fahren bei Moia
Christian Senger ist Chef von Volkswagen ADMT und somit für die Weiterentwicklung der autonomen Fahrzeugtechnik zuständig. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

„Level 4“ bedeutet Fahren ohne Fahrer, aber das nicht auf jedem Feldweg, sondern auf eindeutig definierten Straßen in bekannten Gebieten. Den Traum vom zeitnahen Erreichen von „Level 5“ träumt man in Deutschland derzeit nicht, zu komplex scheint die Aufgabe momentan noch zu sein. In dieser Stufe würde ein Auto oder Bus jederzeit und überall im Straßenverkehr und unter allen Verhältnissen ohne menschliches Zutun fahren. Diese Fahrzeuge bräuchten weder Lenkrad, Gas- oder Bremspedal noch angelernte Kenntnisse der Umgebung.

Einem Mobilitätsanbieter wie Moia reicht ohnehin Level 4, denn völlig ohne Kontrolle wird der Chauffeurdienst auch künftig nicht arbeiten. Wird zum Beispiel via Innenkamera erkannt, dass ein Passagier ein medizinisches Problem hat oder im Wagen randaliert wird, gibt es Möglichkeiten einzuschreiten und die Fahrt zu stoppen.

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Laut Meyer stehen 75 Prozent der Moia-Nutzer einem autonomen Shuttle „neutral oder positiv“ gegenüber. „Über 50 Prozent würden diesen gern nutzen.“ Bislang ist der Nutzerkreis allerdings auf rund 600 Testkunden begrenzt, die aus dem Umfeld von Moia stammen und im bisher auf Wandsbek und Winterhude beschränkten Bereich Fahrten buchen können. Ab Juni 2025 weitet Moia dann allerdings das Testfeld räumlich deutlich aus, mit insgesamt 70 Fahrzeugen geht es dann bis hinein in die Innenstadt.

In gut zwei Jahren sollen neue Moia-Shuttle ohne Fahrer auskommen

Für Senator Tjarks eine erfreuliche Entwicklung: „Gemeinsam mit Moia und unseren Partnern arbeiten wir in Hamburg am öffentlichen Nahverkehr der Zukunft – noch flexibler, noch stärker an den individuellen Zielorten und wegen der Menschen ausgerichtet, noch smarter und noch komfortabler.“ Das autonome Ridepooling schließe hier eine Lücke zwischen den klassischen Bussen und Bahnen sowie dem eigenen Pkw. Hamburg nehme dabei „europaweit eine Vorreiterrolle“ ein, so Tjarks.

Nach Abschluss der Testphase soll es ab Ende 2026/Anfang 2027 möglich sein, in Hamburg Moias ohne menschlichen Fahrer per App zu buchen. Ob die neuen Shuttlefahrzeuge dann wieder alle überwiegend goldfarben glänzen? Vermutlich ja, denn schon jetzt finden sich auch solche ID. Buzz in der Garage in Wandsbek.