Hamburg. Drohmails aus dem Jemen gegen Reederverband verunsichern Branche. Marine soll Echtheit bestätigt haben. Was in den E-Mails steht.

Die E-Mails enden mit der Formel, „Beste Grüße“, sind aber alles andere als in einem Plauderton abgefasst: Mehrere deutsche Reeder und ihre Organisation, der Verband Deutscher Reeder in Hamburg, haben in den vergangenen Tagen Post aus dem Jemen erhalten. Darin werden sie aufgefordert, ihre Schiffe vom Nahen Osten fernzuhalten, andernfalls würden sie angegriffen.

Der Absender der obskuren Drohmails bezeichnet sich als „Koordinierungszentrum für humanitäre Einsätze“ (HOCC) in der Republik Jemen. Dabei handelt es sich um ein Zentrum, das dem Büro des Oberbefehlshabers der Streitkräfte der Republik Jemen angegliedert ist. Dahinter stehen jemenitische Huthi-Rebellen, die seit dem Angriff Israels auf den Gazastreifen, die Gewässer und ums Rote Meer und den Suezkanal in Schach halten.

Gaza-Krieg: Huthi-Rebellen terrorisieren deutsche Reeder

Ihre Drohungen richten sich gegen Schiffe, die israelische Häfen anlaufen, sowie gegen solche, die das Rote Meer, die Meeresstraße Bab al-Mandab, den Golf von Aden, das Arabische Meer und den Indischen Ozean passieren. Diese würden „von den jemenitischen Streitkräften in jedem Gebiet, das sie für geeignet halten, direkt ins Visier genommen“ heißt es in einer dieser Mails, die dem Abendblatt vorliegt.

Der Konflikt im Nahen Osten bringt deutsche Reedereien in Bedrängnis. Seit Ausbruch des Israel-Gaza-Konflikts im Oktober 2023 wurden fast 200 Handelsschiffe in internationalen Gewässern nahe dem Jemen durch Raketen, Drohnen und Marschflugkörper der Huthis angegriffen. Mehrere Seeleute kamen ums Leben, und zahlreiche Schiffe wurden entführt, versenkt oder schwer beschädigt. 

Frachterbesatzung seit einem Jahr in jemenitischer Geiselhaft

Auch ein Schiff der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd, der Containerfrachter „Al Jasrah“, war vor gut einem Jahr nahe der Küste des Jemen attackiert worden. Ein Projektil schlug auf dem Schiff ein, es gab einen kleinen Brand an Bord, aber kein Mitglied der Mannschaft wurde verletzt.  Die Ausweitung des Konflikts auf die Palästinenser im Libanon hat die Situation verschärft.

Am Sonntag wurde wieder ein Angriff auf ein Schiff vermeldet, der aber ohne Folgen blieb. Am morgigen Dienstag jährt sich zudem die Entführung der Besatzung des Autotransportes „Galaxy Leader“ durch jemenitische Aufständische zum ersten Mal. Die Besatzung wird seitdem als Geisel gehalten. Der Autotransporter liegt im Hafen von Hodeidah im Jemen und ist dort inzwischen so etwas wie eine Touristenattraktion.

Huthi-Rebellen sprechen direkte Angriffswarnung aus

Nicht nur Schiffe, die nach Israel verkehren, werden von jemenitischen Huthi-Rebellen bedroht. Selbst unabhängig von ihrem Standort werden Schiffe mit vermeintlichen Verbindungen zu Israel als potenzielle Angriffsziele betrachtet. „Dabei ist es egal, ob die Reedereien Israel direkt anlaufen. Selbst die geringste Verbindung zu Israel reicht aus, um von den Huthi-Rebellen bedroht zu werden“, sagte ein Sprecher des VDR. Rund ein halbes Dutzend Drohmails sei beim Verband eingegangen. Die Marine habe die Echtheit dieser Mails bestätigt.

Darin machen die Rebellen deutlich, dass sie schwarze Listen an Schiffen führen, die für sie verdächtig sind, im Zusammenhang mit Israel zu stehen. „Im Rahmen der Sorge der Republik Jemen um die Sicherheit der Schifffahrt auf See und im Interesse Ihres Unternehmens raten wir Ihnen, nicht gegen das Verbot zu verstoßen und in die Häfen der israelischen Besatzungsmacht einzulaufen, da Sie andernfalls die Verantwortung für die Folgen der Aufnahme des Schiffes in die Verbotsliste tragen müssen“, heißt es in einem Schreiben.

Auch Kauf von Schiffen mit Israel-Bezug wird vom Jemen geahndet

Dies könne zur Verhängung von Sanktionen gegen die Unternehmen und die gesamte mit ihnen verbundene Schiffsflotte führen, warnen die Rebellen. Irina Haesler, Mitglied der VDR-Geschäftsleitung und verantwortlich für maritime Sicherheitspolitik, sagte: „Die Huthi-Rebellen verfügen offensichtlich über gut recherchierte E-Mail-Adressen, da die Drohungen auch an individualisierte Kontakte versendet wurden. Das sind gezielte Versuche der Einschüchterung. Es unterstreicht, dass das Risiko für die Schifffahrt hoch bleibt. Wir nehmen diese Bedrohungen sehr ernst und stehen im ständigen Austausch mit unseren Mitgliedern und den Sicherheitsbehörden.“

Nicht nur direkte Beziehungen zu Israel sind für die Huthis ein Angriffsgrund. Auch der Kauf von Schiffen mit Israel-Bezug würde geahndet, heißt es in einer Mail an den VDR. Darin wird Israel gar nicht als Staat bezeichnet, sondern als „usurpierende feindliche Entität“. Demnach habe der Jemen am 3. November 2024 eine Erklärung herausgegeben, in der er klarstelle, dass jegliche Änderungen der Eigentumsverhältnisse und der Flagge der Schiffe oder ihrer Tochtergesellschaften nicht berücksichtigt würden. Reeder werden vor dem Kauf dieser Schiffe gewarnt, da auch diese sanktioniert seien.

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„Nachrichtendienstliche Informationen bestätigen, dass viele Unternehmen, die in der Seeschifffahrt tätig sind und dem israelischen Feind gehören, daran arbeiten, ihre Vermögenswerte zu verkaufen und ihr Eigentum an Schiffen und Seetransportern auf andere Unternehmen zu übertragen oder sie auf den Namen anderer Parteien zu registrieren, um die von der Republik Jemen gegen diese Schiffe und Unternehmen ergriffenen Sanktionsmaßnahmen zu umgehen“, heißt es warnend in der E-Mail an den Verband.

Das Gros der Handelsflotte hat sich auf die Angriffe eingerichtet und meidet auf seinen Diensten zwischen Asien und Europa die betroffenen Gebiete so weit als möglich. Stattdessen fährt sie einen Umweg von 6000 Kilometern um den afrikanischen Kontinent herum. Die Schiffe sind zehn bis 14 Tage länger unterwegs und haben Mehrkosten im sechsstelligen Bereich.