Hamburg. Hamburger Stadtteile näher betrachtet: Groß Borstel erfindet sich neu. Kaufpreise und Mieten im Vergleich – ab 6,90 Euro pro Quadratmeter.
Ein ländlich geprägter Stadtteil mitten in Hamburg. Trotz großer Neubauprojekte konnte er sich bisher seinen dörflichen Charme bewahren: Groß Borstel. Der Stadtteil mit nur rund 11.000 Einwohnern liegt im nördlichen Hamburg, westlich der Alster. Für Familien sind die vielen Einfamilienhäuser interessant, die hier in grüner Umgebung stehen. „Über 65 Prozent der Gebäude hier sind Einfamilienhäuser“, sagt Christian Peters vom Maklerunternehmen Peters+Peters.
Aber auch viele neue Wohnungen werden in den nächsten Monaten entstehen. Groß Borstel wächst, nicht alle Bewohner sind darüber froh. Aber hier gibt es eben auf ehemaligen Industrieflächen noch Grundstücke, die in der wachsenden Stadt bebaut werden können.
Immobilien Hamburg: Viele Neubauten in Groß Borstel – was alles geplant ist
Das Leben im Stadtteil spielt sich entlang der meistbefahrenen Straße Borsteler Chaussee ab. „Hier gibt es mit Rewe, Budni und anderen Einzelhändlern die Geschäfte für den täglichen Bedarf und auch ein Ärztezentrum“, sagt Petersen. „Essen gehen kann man in der Pulvermühle, einem beliebten Restaurant in einem historischen Fabrikgebäude.“ Mehr Shoppingerlebnisse verspricht das benachbarte Eppendorf, das zeigt, wie zentrumsnah Groß Borstel eigentlich liegt. „In 20 Minuten kann man mit dem Fahrrad in der City sein“, sagt Petersen.
Für Familien geht es allerdings kaum ohne Auto in Groß Borstel, denn die Anbindung an den Nahverkehr ist schlecht. Busse fahren die U-Bahn-Stationen in der näheren Umgebung an. Außerdem grenzt Groß Borstel an Fuhlsbüttel, wo sich der Hamburger Flughafen befindet. Es sind aber nicht alle Teile des Quartiers von Fluglärm betroffen.
Mix aus modernen Eigentumswohnungen und Reetdach-Architektur
Inzwischen hat Groß Borstel einen Mix aus moderner Wohnbebauung wie am Tarpenbeker Ufer, historischer Reetdach-Architektur, Fachwerkhäusern und großen Vorstadtvillen, was dem Stadtteil einen unverwechselbaren Charme verleiht. Die Wohnstraßen abseits der Borsteler Chaussee sind ruhig gelegen, wie etwa die Frustbergstraße, mit prächtigen Grundstücken bestückt.
Was auffällt: In Groß Borstel stehen nur sehr wenige Immobilien zum Verkauf. Das wird sich aber in den nächsten Jahren ändern, erwartet Peters. „Viele Einfamilienhäuser sind aus den 1930er-Jahren, andere aus den Jahren 1950 bis 1970. Da steht ein großer Generationenwechsel an, viele Objekte werden auf den Markt kommen“, sagt der Makler. „Sie werden dann abgerissen oder saniert.“
Kaffeemühle in Groß Borstel soll knapp 1,5 Millionen Euro kosten
Doch für eine solche Strategie sind die meisten der angebotenen Häuser auf ImmoScout24 einfach zu teuer. Eine Kaffeemühle aus dem Jahr 1997 mit mehr als 200 Quadratmetern Wohnfläche und der schlechtesten Energieeffizienzklasse soll noch knapp 1,5 Millionen Euro kosten. Den Fotos nach zu urteilen müsste in dem Haus einiges gemacht werden, vor allem der Energieverbrauch stellt ein Problem dar.
Als Kaffeemühlen werden Häuser bezeichnet, die nach dem typischen hanseatischen Baustil errichtet wurden. Charakteristisch ist der quadratische Grundriss, der das zweigeschossige, verklinkerte Haus wie einen Würfel aussehen lässt. Die meisten Gebäude haben zudem einen Erker, auf dem der Balkon gebaut ist. Dieser erinnert an eine herausziehbare Schublade einer echten Kaffeemühle.
Kleinstes Naturschutzgebiet Hamburgs mit 641 Schmetterlingsarten
Gemessen an dem Angebotspreis liegt der Quadratmeterpreis noch 20 Prozent über dem Durchschnittswert von 5881 Euro für Groß Borstel, wie aus den Daten von ImmoScout24 hervorgeht. Der Quadratmeter Wohnfläche bei Einfamilienhäusern liegt in dem Stadtteil knapp 900 Euro über dem Hamburger Durchschnittswert von rund 5000 Euro. Innerhalb von zwei Jahren sind die Immobilienpreise um 14 Prozent gefallen. Doch auch für ein Reihenhaus aus dem Jahr 1957 mit guter Innenausstattung werden noch 769.000 Euro aufgerufen. Allerdings ist das Reihenhaus ein Raumwunder mit knapp 140 Quadratmetern und 6 Zimmern.
In Groß Borstel gibt es viele Erholungsmöglichkeiten. Das Eppendorfer Moor nimmt allein 26 Hektar des Stadtteils ein. Es ist das kleinste Hamburger Naturschutzgebiet und beheimatet vielfältige Biotope, zahlreiche Pflanzen-, Vogel- und unglaubliche 641 Schmetterlingsarten.
Geringes Angebot an Eigentumswohnungen, doch das wird sich bald ändern
Sein grünes Erscheinungsbild hat Groß Borstel den wohlhabenden Hamburgern zu verdanken, die Mitte des 17. Jahrhunderts vier Lustgärten im Stadtteil angelegt haben. Im Frustbergpark, dem letzten verbliebenen Lustgarten in Groß Borstel, befindet sich mit dem Stavenhagenhaus das kulturelle Zentrum des Stadtteils. In dem barocken Backsteinbau aus dem 18. Jahrhundert finden Lesungen, Konzerte, Klavierabende sowie viele weitere Veranstaltungen statt. Hier kann man sich auch trauen lassen.
Auch bei Eigentumswohnungen ist das Angebot in Groß Borstel gering. Doch das wird sich bald ändern. Der Durchschnittspreis pro Quadratmeter liegt bei 5106 Euro. Das sind zwölf Prozent weniger als vor zwei Jahren. Eine komplett modernisierte Dreizimmerwohnung mit knapp 90 Quadratmetern aus dem Jahr 1985 soll knapp 700.000 Euro kosten. Das Objekt befindet sich auf einem schön begrünten Grundstück in einer der besten Straßen Groß Borstels. Der Quadratmeterpreis liegt aber knapp 3000 Euro über dem Durchschnittswert.
Mietwohnungen sind in Groß Borstel fast gar nicht im Angebot
Wesentlich preiswerter ist eine schon preisgesenkte Zweizimmerwohnung mit rund 70 Quadratmetern für 312.000 Euro. Obwohl aus dem Jahr 1976, macht sie innen einen guten Eindruck mit moderner Küche, modernisierten Bad und großem Balkon. Der Schnitt der Wohnung ist klassisch, es wird also nicht im Wohnzimmer gekocht.
Mieter haben es noch schwerer als Immobilienkäufer, weil es fast gar keine Angebote bei Mietwohnungen gibt. Die Durchschnittsmiete liegt bei 13,50 Euro pro Quadratmeter. In den vergangenen zwei Jahren, vom dritten Quartal 2022 bis zum dritten Quartal 2024 sind die Mieten in dem Stadtteil um rund 8,9 Prozent gestiegen, ermittelte ImmoScout24.
750 neue Wohnungen sind am Tarpenbeker Ufer entstanden
Der städtische Wohnkonzern SAGA hat in Groß Borstel rund 740 Wohnungen im Bestand. Die durchschnittliche Nettokaltmiete beträgt derzeit 7,85 je Quadratmeter. Im vergangenen Jahr hat die das Unternehmen im Weg beim Jäger 24 öffentlich geförderte Neubauwohnungen mit einer anfänglichen Nettokaltmiete von 6,90 Euro je Quadratmeter fertiggestellt.
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Im Neubaugebiet Tarpenbeker Ufer sind in den vergangenen Jahren rund 750 Neubauwohnungen entstanden. „Wenn mal eine verkauft wird, muss man mit Quadratmeterpreisen von rund 8000 Euro rechnen“, sagt Experte Peters.
Immobilien Hamburg: 400 neue Wohnungen entstehen im Petersen Park
Nun kommt ein weiteres Neubauquartier in Groß Borstel hinzu. Im künftigen Petersen Park sollen auf einer Grundstücksfläche von rund 60.000 Quadratmetern zu gleichen Teilen Wohnen und Gewerbe entstehen. Das Areal zwischen Niendorfer Weg im Süden und der Papenreye im Norden ist ein Beispiel für ein künftiges Urbanes Gebiet, das Miteinander von Wohnen und Gewerbe auf einer ehemaligen Industriefläche. Die Entwürfe stammen vom Hamburger Architekturbüro HeitmannMontúfar. Insgesamt sollen rund 400 Wohnungen, darunter auch geförderte Mietwohnungen, entstehen.
In wenigen Tagen wird der offizielle Grundstein für 116 Eigentumswohnungen von Otto Wulff gelegt, die unter dem Projektnamen „Emma & August“ in zwei Gebäuden entstehen werden und zwischen 72 und 137 Quadratmeter groß sein sollen. „Die Baugrube ist fertiggestellt, mit den Rohbauarbeiten wurde begonnen“, sagte eine Sprecherin von Otto Wulff. Weitere Details wollte sie mit Blick auf die Grundsteinlegung noch nicht nennen. Geförderte Wohnungen werden auf dem Nachbarbaufeld durch die WHM Petersen Park GmbH errichtet. Groß Borstel muss sich also auf weitere, neue Bewohner einstellen.