Hamburg. Das Funk-Eck hat wirtschaftliche Schwierigkeiten, vieles wurde schon verändert. Nun benötigt das Café Spenden. Und es gibt erste Erfolge.
- Funk-Eck: 50.000 Euro Spenden sind das Ziel
- Funk-Eck: Alle Beschäftigten sind noch an Bord
- Höhere Mehrwertsteuer belastet das Funk-Eck
- Heidi Kabel lernte im Funk-Eck ihre Rollen
Auf den ersten Blick ist alles wie immer, sogar noch ein bisschen voller: Alle Tische im Funk-Eck sind besetzt. Die Kellnerinnen kommen kaum hinterher, Teller mit dem Mittagstisch – Schnitzel oder Rindergeschnetzeltes – aufzutragen. Und im Kuchenbüfett stehen Lübecker Nusstorte, Butterkuchen und die anderen Leckereien, für die das Kultcafé an der Rothenbaumchaussee bekannt ist.
„Der Zuspruch, den wir bekommen, ist etwas ganz Besonderes“, sagt Chefin Angelika Besch über die große Sympathiewelle. Sie ist gerade reingekommen, legt den dicken Schal kurzerhand zur Seite und hilft, das dreckige Geschirr abzuräumen. „Wir haben alle Coffeeshops überlebt, wir werden jetzt nicht einfach aufgeben“, sagt die 76-Jährige kämpferisch.
Insolvenz abgewendet: Hamburger Promi-Café Funk-Eck startet Spendenkampagne
Denn: Es ist eben nicht wie immer. Vor einigen Wochen war ein Insolvenzverfahren für die Caféhaus Besch GmbH, die Gesellschaft hinter dem Funk-Eck, eingeleitet worden. Das ist inzwischen abgewendet. Aber der Familienbetrieb, der von Inhaberin Angelika Besch mit Unterstützung ihrer Tochter Alexa Grau geführt wird, ist weiterhin wirtschaftlich unter Druck und braucht dringend einen oder mehrere Investoren. Jetzt soll zudem eine Spendenkampagne die Hamburger Institution retten helfen.
Aber der Reihe nach. „Es wäre alles nicht passiert, wenn wir keine finanziellen Probleme hätten. So geht es leider vielen Gastronomen in der aktuellen Situation“, sagt Alexa Grau im exklusiven Abendblatt-Gespräch gemeinsam mit ihrer Mutter. Die erste wichtige Maßnahme: Die Zahlungsrückstände bei der Krankenkasse, die Mitte Oktober zu dem Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hatten, sind vom Tisch. Am 4. November hob das Amtsgericht Hamburg die Sicherungsmaßnahmen für die Caféhaus Besch GmbH auf. Alle elf Beschäftigten, manche seit drei Jahrzehnten im Betrieb, sind weiterhin an Bord.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Zukunft des Lokals – unweit vom NDR-Landesfunkhaus in Harvestehude – sicher ist. Erst Corona, dann die Inflation und der wieder angestiegene Mehrwertsteuersatz auf 19 Prozent hätten das Funk-Eck stark belastet, sagen Angelika Besch und Alexa Grau. Neben diesen drei Großbaustellen in der Gastronomie hätten Personalmangel und Stromkosten-Nachzahlungen das Funk-Eck in eine finanzielle Notlage gebracht. Im Laufe des Jahres sind hohe Verbindlichkeiten im niedrigen sechsstelligen Bereich aufgelaufen und haben zu dem aktuellen Liquiditätsengpass geführt.
Funk-Eck in Hamburg-Rotherbaum: Öffnungszeiten im Kultcafé deutlich reduziert
Inzwischen hat das Mutter-Tochter-Gespann erste Schritte eingeleitet, um Kosten zu reduzieren. Unter anderem ist das Traditionslokal erstmals seit dem Start im Jahr 1950 nicht mehr an 365 Tagen im Jahr von 9 bis 19 Uhr geöffnet. Die aktuellen Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, jeweils von 11 bis 18 Uhr. Das beliebte Frühstücksangebot fällt weg. „Wir haben uns vorher nicht getraut, etwas zu ändern. Obwohl wir wussten, dass es wirtschaftlich nicht sinnvoll ist“, sagt Grau, die im Hauptberuf in der PR-Branche ist.
„Wenn man so lange an einem Standort ist, dann bezieht man sehr viele Faktoren bei Entscheidungen mit ein, und wir sind als Familienbetrieb eher emotional getrieben.“ Aber es gebe Stammkunden, die buchstäblich jeden Tag kämen und zu Hause keine Küche hätten. Grau nennt es einen „sozialen Auftrag“. In Einzelfällen lieferten die Mitarbeiter auch Essen in der nächsten Umgebung an langjährige Stammkunden aus, die nicht mehr selber kommen können.
Prominente Gäste von Heidi Kabel bis zu den „Die drei ???“
Großes Frühstücksangebot, leckerer Kuchen und gutbürgerliche Küche in gediegenem Retro-Charme: Seit der Eröffnung vor fast 75 Jahren ist das Funk-Eck auch ein beliebter Promi-Treffpunkt. Volksschauspielerin Heidi Kabel lernte dort ihre Rollen, Großautor Siegfried Lenz feilte an Manuskripten. Für manchen, wie NDR-Urgestein Carlo von Tiedemann, ist es „das zweite Wohnzimmer“.
Von Satiriker Henning Venske heißt es, für ihn zähle der Butterkuchen im Funk-Eck zur Grundversorgung. Auch TV-Promi Hape Kerkeling, Journalist Heiner Bremer, die Sprecher der Kult-Hörspiele „Die drei ???“ und andere Prominente kehren gern ein. Der langjährige Leiter des NDR-Kinderprogramms „Mikado“, Jörgpeter von Clarenau, hatte in einem Leserbrief an das Abendblatt mit einem Augenzwinkern geschrieben: „Das Funk-Eck ist Weltkulturerbe. Sein Fortbestand wird angeordnet.“
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Wie es an der berühmten Ecke unter realen Marktbedingungen weitergeht, muss sich in den nächsten Wochen entscheiden. Klar ist: Aus eigener Kraft schafft es das Funk-Eck nicht. „Wir suchen einen Investor“, sagt Angelika Besch. Erste Gespräche mit ernsthaften Interessenten liefen. Dabei sei eine komplette Übernahme oder ein Einstieg in die Gesellschaft denkbar. Die heutige Inhaberin hatte den Betrieb 1976 mit ihrem Ehemann Bernd Besch in der zweiten Generation übernommen und mit weiteren Standorten, unter anderem Café Wirth am Mönckebergbrunnen, zu einem Kaffeehaus-Imperium ausgebaut. Nach einer Insolvenz 2000 war nur das Funk-Eck übrig geblieben, das Angelika Besch seit dem Tod ihres Mann führt.
Funk-Eck: Promi-Café startet jetzt Spendenaktion
Für die Seniorchefin ist die aktuelle Situation eine große Belastung. Drängendstes Problem ist der Liquiditätsengpass, der in den vergangenen Monaten entstanden ist. Es laufen den Angaben zufolge Gespräche mit Gläubigern. Mit einer ungewöhnlichen Aktion wenden sich Mutter und Tochter jetzt zudem an die Öffentlichkeit und haben eine Spendenaktion auf dem Portal GoFundMe gestartet. Der wirtschaftlichen Fortführung des Funk-Ecks stehe nach der Einleitung der Sparmaßnahmen nichts mehr im Wege, „außer den Altlasten, die sich im Laufe dieses Jahres angesammelt haben“, heißt es in dem emotionalen Aufruf.
„Für diese Außenstände und zur Sicherung der Gehälter möchten wir Ihre Spende nutzen – helfen Sie uns, damit wir diese Geschichte auch im 75. Jahr nach Unternehmensgründung weiterschreiben können und diese Institution der Hamburger Gastronomie-Szene am Leben erhalten.“ Das Spendenziel sind 50.000 Euro. Wenige Stunden nach dem Start waren die ersten 1000 Euro zugesagt. Unter den Unterstützern: Hörspielproduzentin Heikedine Körting („TKKG“, „Die drei ???“, „Fünf Freunde“) und Multitalent Jens Wawrczeck (Peter Shaw in die „Die drei ???“). Bis zum 17. November wies GoFundMe 9540 Euro an Spenden für das Funk-Eck aus. Es geht also noch was.