Hamburg. Stahlhersteller besitzt fast 30 Prozent der Aurubis-Anteile. Nun gibt es ein überraschendes Angebot. Die möglichen Folgen für Hamburg.

Es klingt nach einem Niedersachsenthema, das mit Hamburg wenig zu tun hat, es geht um Salzgitter und um Stahl. Doch die wirkliche Geschichte könnte in der Hansestadt spielen: Denn mit einer möglichen Übernahme der Salzgitter AG wird die Unabhängigkeit der Aurubis AG möglicherweise gleich mit verhandelt. Dementsprechend stiegen im Windschatten der Salzgitter-Aktien auch die Papiere von Aurubis.

Salzgitter-Übernahme: Das könnte sie für Aurubis in Hamburg bedeuten

Am Montag nach Börsenschluss hatte die Salzgitter AG bekannt gegeben, dass die Aktionärin GP Günter zusammen mit der TSR Recycling GmbH & Co. KG ein Übernahmeangebot für Salzgitter erwägt. „Das mögliche Angebot soll unter anderem unter der Bedingung stehen, dass die Summe der durch das Konsortium bis zum Ablauf der Annahmefrist erworbenen Aktien mindestens 45 Prozent plus eine Aktie an der Gesellschaft erreicht“, heißt es in der Ad-hoc-Mitteilung. Die mögliche Höhe des Angebotspreises wurde nicht mitgeteilt.

Die Reaktion der Anleger fiel dennoch deutlich aus: Unmittelbar darauf sprang der Kurs von Salzgitter von 13,77 Euro auf bis zu 18,02 Euro. Im Börsenhandel von Xetra eröffnete die Aktie am Dienstag mit einem Plus von 23 Prozent und kletterten danach weiter – das zeigt: Die Märkte glauben an das Angebot. Denn die Hürden liegen niedrig. 45 Prozent der Aktien sind wenig, weil die GP Günter Papenburg Aktiengesellschaft schon ein Viertel der Anteile hält. Folglich müsste sie lediglich 20 Prozent zukaufen.

Aurubis: Die Aktie legt nach den Übernahmeplänen zu

Und Salzgitter-Aktionäre sind Kummer gewohnt. Die Stahlkonjunktur hat sich abgeschwächt, hinzu kommt ein massives Kostenproblem durch die Energiepreisexplosion und die Klimaschutz-Ambitionen mit dem Umbau zum grünen Stahl. Erst Ende Oktober hatte Salzgitter seine Jahresprognose erneut gesenkt. Der Konzern rechnet im laufenden Jahr mit einem noch stärkeren Umsatzrückgang als bisher und mit einem Verlust vor Steuern in dreistelliger Millionenhöhe. Noch Anfang 2023 hatte das Papier bei über 40 Euro notiert, zuletzt nur noch bei 13 Euro. Vor 17 Jahren hatte der Aktienkurs zeitweise bei über 150 Euro gelegen. Für die Anleger sei dies eine „willkommene Überraschung“, sagte am Dienstagmorgen ein Händler.

Für Aurubis hätte es Folgen, wenn sich der Hauptaktionär neu aufstellen sollte. Verschiedene Gedankenspiele werden am Markt diskutiert: Denn der Börsenwert der Salzgitter AG besteht derzeit vor allem aus dem Anteil von 29,99 Prozent an Aurubis. Vor dem Übernahmeangebot war die gesamte Stahlfirma inklusive Beteiligungen nur noch 750 Millionen Euro wert, während allein das Aktienpaket der Aurubis eine Milliarde Euro schwer war. Die Börse bewertet also das gesamte Stahlgeschäft mit einem Negativpreis.

Aurubis und Salzgitter: Wie geht es in Zukunft weiter?

Günter Papenburg, der als unternehmerischer Denker groß geworden ist, dürfte es dann auch eher um die Aurubis-Anteile gehen, heißt es. Das Familienunternehmen GP betätigt sich in den Bereichen Bau und Projekte, Rohstoffe und Logistik, Technologie und Projekte sowie Recycling und Verwertung.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass Papenburg nach der Salzgitter AG greift, um sich das Stahlgeschäft einzuverleiben und dafür den Aurubis-Anteil verkauft. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Aurubis ist wesentlich attraktiver: Bislang litt der Hamburger Kupferhersteller eher unter dem finanzschwachen Anteilseigner aus Niedersachsen, der vor allem eine hohe Dividende wollte, aber die Expansionspläne der Veddeler damit bremste.

Nicht ausgeschlossen wird, dass am Ende die neuen Eigner das Stahlgeschäft sogar veräußern wird – vielleicht sogar an das Land. Niedersachsen ist mit 26,5 Prozent beteiligt und damit größter Salzgitter-Aktionär. Die Landesregierung forciert den Umbau zu einem grünen Stahlunternehmen. Sie reagierte zurückhaltend auf das Angebot und kündige eine gründliche Prüfung des Angebots und der „damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen“ an. „Wir sind von der Richtungsentscheidung der Salzgitter AG hin zu grünem Stahl nach wie vor fest überzeugt und möchten das Unternehmen auf diesem zukunftsorientierten Weg auch weiter konstruktiv begleiten“, hieß es in dem Statement der Landesregierung.

Spekulationen um die Zukunft von Aurubis

Auch das Recyclingunternehmen TSR, das Remondis gehört, ist auf der Veddel keine Unbekannte: Im Juni 2021 gründete es mit Aurubis ein Joint Venture für die Kabelzerlegung sowie das Kabelrecycling. Das Joint Venture wird unter dem Namen Cablo GmbH geführt. TSR Recycling hält als Gesellschafter 60 Prozent der Anteile, die Aurubis AG 40 Prozent.

Zuletzt hatte es immer wieder Spekulationen um die Zukunft von Aurubis gegeben. Der frühere Aurubis-Chef Werner Marnette hatte immer wieder gewarnt, dass Salzgitter eine Übernahme von Aurubis vorbereite und den Kupferkonzern später ganz oder teilweise weiterverkaufen wolle, um sich Geld für den Umbau der Stahlproduktion zu beschaffen.

Die Rossmann Beteiligungs GmbH hatte zuletzt mehr als 15 Prozent der Anteile erworben und ihre Ziele im Unklaren gelassen. Zudem hatte auch die Investmentbank Goldman Sachs zwischenzeitlich Stimmrechte in Höhe von mehr als zehn Prozent erworben. Insider halten es aber für extrem unwahrscheinlich, dass nun Papenburg das Aurubis-Paket an Dritte verkauft.

Weitere Wirtschaftsthemen

Die Synergien zwischen der Salzgitter AG und der Aurubis AG sind ohnehin sehr überschaubar. Lediglich steuerlich könnten die Verlustvorträge der defizitären Salzgitter AG für die profitable Aurubis bei einer engeren Zusammenarbeit von Interesse sein. Aber die gilt als unwahrscheinlich.

Ein Börsianer sieht in dem möglichen Deal sogar wachsende Freiheiten für die Hamburger: „Für Aurubis könnte das gut ausgehen. Salzgitter steckt in der Krise durch den Umbau zum grünen Wasserstoff. Deshalb ist die Salzgitter auf die Dividenden aus Hamburg angewiesen. Wenn sich Aurubis auf sich konzentrieren kann, wäre das sicher besser.“

Das Aurubis-Papier gewann am Dienstag mehr als fünf Prozent auf 80 Euro.