Hamburg. Tunnelbohrer „Hermine“ gräbt sich seit einem Jahr von Ufer zu Ufer. Warum die neue Röhre für die Hansestadt eine zentrale Bedeutung hat.
- Ein Fernwärmetunnel, der die Stadt Hamburg ab 2026 mit klimafreundlicher Wärme versorgen soll, ist bereits zu 75 Prozent fertig.
- Der Tunnelbau erfolgt mit einer Tunnelbohrmaschine namens „Hermine“, die sich täglich bis zu 17 Meter durch verschiedene Gesteinsschichten arbeitet.
- „Hermine“ steht für „Hamburger Energiewerke Röhre mit neuer Energie“.
Dass Hamburg bald einen weiteren Elbtunnel hat, wissen vermutlich noch nicht viele Einwohner der Hansestadt. Sie kennen zwar das historische Bauwerk an den Landungsbrücken und die vier Röhren der Autobahn 7. Sie denken aber kaum daran, dass nicht nur Autos und Fußgänger Platz brauchen, um unterirdisch zwischen Nord- und Südseite des Stroms verkehren zu können, sondern dass künftig auch Wärmeenergie diesen Weg nehmen soll. Konkret geht es dabei um Fernwärme.
Neuer Elbtunnel: Bohrmaschine für neuen Tunnel unter der Elbe ist 280 Meter lang
Mit einem Durchmesser von 4,5 Metern und einer Länge von 280 Metern ist „Hermine“ (steht für „Hamburger Energiewerke Röhre mit neuer Energie“) ein 670 Tonnen schweres technisches Meisterwerk, das nicht nur den Tunnel gräbt, sondern ihn gleichzeitig mit Betonteilen, sogenannten Tübbingen, auskleidet. Diese Segmente bilden die Innenwände des Tunnels und verleihen ihm die notwendige Stabilität für den Transport der klimafreundlichen Fernwärme.
Der neue Tunnel soll ab Anfang 2026 Wärme aus dem neuen Energiepark Hafen auf der Dradenau in die westlichen Stadtteile Hamburgs transportieren und das in die Jahre gekommene Kohlekraftwerk Wedel ersetzen, das laut derzeitigen Plänen nach Ende der Heizperiode 2025/26 stillgelegt werden soll. Durch diese Maßnahme will der rot-grüne Senat ab 2030 ausschließlich kohlefreie Fernwärme anbieten. Hamburgs Energiewende setzt dabei auf die Abwärme aus Industrieanlagen, Müllverbrennung und Abwasserreinigung, aber auch auf eine Gas- und Dampfturbinenanlage, die bei Bedarf zusätzlich Wärme bereitstellen wird – zunächst mit Erdgas. Langfristig soll grüner (also klimaneutral erzeugter) Wasserstoff als Brennstoff die CO₂-Bilanz weiter verbessern.
Die Bauarbeiten für den Fernwärmetunnel verlaufen nach anfänglichen Startschwierigkeiten inzwischen weitgehend planmäßig. Zu Beginn betrug die tägliche Vortriebsleistung nur etwa 1,5 Meter, mittlerweile schafft „Hermine“ bis zu 17 Meter pro Tag. Anfang November steht allerdings eine planmäßige Wartung an, bei der die Schneidwerkzeuge ausgetauscht werden müssen, da das Schneidrad bei den verschiedenen Gesteinsschichten einem hohen Verschleiß unterliegt. Nach dem Werkzeugwechsel soll die Maschine dann die letzten 200 Meter zum Zielschacht im Hindenburgpark in Angriff nehmen.
Tunnelbohrer „Hermine“ ist eine kleine Schwester von „Trude“
Technisch gilt der Bau des Fernwärmetunnels als ähnlich herausfordernd wie einst beim Autotunnel. „,Hermine‘ ist im Grunde eine kleine Schwester von „Trude“, dem Bohrer, der den Elbtunnel erweiterte“, erklärte Projektleiter Dirk Lassen-Petersen dem Abendblatt im Juni dieses Jahres. „Trude“ steht dabei für „tief runter unter die Elbe“.
Der genaue Verlauf der Bohrungen wird stetig durch Lasertechnik überprüft, um sicherzustellen, dass der Bohrer exakt die vorgegebene Route einhält und in der geplanten Tiefe bleibt. Da die Maschine sich immer tiefer vorarbeitet, wird sie kontinuierlich um Module verlängert, um die Versorgung mit Energie, Schmiermitteln und Luft aufrechtzuerhalten.
Neuer Elbtunnel: Arbeit ist kein Zuckerschlecken
Die Arbeit im Tunnel selbst ist anspruchsvoll: Die Luft ist feucht und stickig, das Arbeitstempo erfordert Zehnstundenschichten, die in einem engen Zeitplan ablaufen. Neben der Bohrmaschine verläuft ein Schienensystem, über das die Tübbinge und andere Baumaterialien transportiert werden. Ein Förderband befördert den Bohrschlamm zurück an die Oberfläche, wo er entsorgt wird, während ein Ventilationssystem die Tunnelröhre mit Frischluft versorgt.
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Im fertigen Tunnel werden künftig zwei große Rohre verlaufen – eines für heißes Wasser, das aus dem Energiepark Hafen kommt, und eines für abgekühltes Rücklaufwasser. Damit kann die Wärme direkt in die nordelbischen Wohngebiete transportiert werden. Die Verlegung der Leitungen nördlich des Tunnels erfolgt über Othmarschen und Groß Flottbek bis zur Notkestraße, wo die neue Leitung auf das bestehende Fernwärmenetz trifft.
Insgesamt investieren die Hamburger Energiewerke rund 2,8 Milliarden Euro in den Energiepark und die nötige Infrastruktur, zu der auch der 7,6 Kilometer lange Tunnel gehört, der mit 280 Millionen Euro veranschlagt ist. Der Ausbau wird maßgeblich zur Reduktion der CO₂-Emissionen der Stadt beitragen und gilt als ein wichtiger Schritt zur Erreichung der Hamburger Klimaziele: Mit der Stilllegung des Kohlekraftwerks und der Modernisierung der Fernwärmeversorgung wird der Kohlendioxidausstoß der Stadt um 800.000 Tonnen jährlich gesenkt, was etwa 20 Prozent der bisherigen Gesamtemissionen entspricht.